Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Staatliche Museen zu Berlin / Orientalische Sammlungen [Hrsg.]
Mitteilungen aus den Orientalischen Sammlungen / Staatliche Museen zu Berlin — Ausgrabungen in Sendschirli: Berlin: de Gruyter, 1943

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49435#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

Einleitung

keit aber war die Sorge um die Sicherung der Kleinfunde. Bei einer mit mehreren hundert Ar-
beitern geführten Grabung läßt es sich selbstverständlich niemals ganz vermeiden, daß einzelne,
dem Arbeiter wertvoll erscheinende Funde unterschlagen und dann meist durch Vermittlung
armenischer Händler in die nächste Stadt oder ins Ausland verkauft werden. Es ist ein schwarzes
Blatt in der Geschichte vieler Grabungen, daß gerade ihre schönsten Kleinfunde entwendet
wurden und entweder in ein fremdes Museum kamen oder bestenfalls um schweres Geld im
Antikenhandel wieder zurückgekauft werden mußten. Für Hassan Beg war es nun ein wirk-
licher Sport, den er während der ganzen Arbeitszeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
mit unermüdlichem Eifer betrieb, die Arbeiter in ihrem Verhältnis zu den Kleinfunden zu beob-
achten. Ursprünglich wurden wohl nur einzelne kleine Feuersteinmesser gestohlen, die direkt
zum Feuerschlagen oder als Flintensteine benutzt werden konnten; das haben wir leicht da-
durch gestoppt, daß wir im nächsten Bazar einige Dutzend schöne englische Flintsteine kauften
und bekannt machen ließen, daß jeder Arbeiter bei Ablieferung eines alten Stückes zwei neue
als Geschenk erhalten würde. Aber bald kam die Verführung durch einige auswärtige Armener,
die mit Missionaren in Amerika gewesen waren, oder sonst eine Vorstellung von dem eigentlichen
Wert unserer Kleinfunde erhalten hatten. Da war nun Hassan Beg in seinem Element; er ließ
sich von mir freie Hand geben, jeden Arbeiter auf der Stelle zu entlassen, selbst wenn er ihm
nur verdächtig war, und er setzte, wo nur irgend nennenswerte Kleinfunde zu erwarten waren,
einen seiner tscherkessischen Landsleute mitten unter die Arbeiter ein, was nur er allein hatte
fertig bringen können, denn niemals hätte sonst sich ein freier Tscherkesse für solche Arbeit
verdungen. Auch hatte er in jeder einzelnen Gruppe von Arbeitern einen mohammedanischen
Vertrauensmann, der ihm abends beim Lagerfeuer berichten mußte, was etwa hinter unserem
Rücken vorgegangen. Gefahr im Großen lag da freilich nur ein einziges Mal vor, als 1902 eines
schönen Tages ein ebenso vornehm als verdächtig aussehender Armener angeritten kam und
sich unter dem Vorwand, durch längere Zeit meine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen,
ganz ruhig in der Nähe der Grabung installierte; er sah aus wie ein assyrischer König, und auch
sein Pferd war entsprechend reich aufgezäumt und geschirrt, aber ich merkte sehr bald, daß
der Mann nur simulierte, ahnte aber erst nicht, was er eigentlich im Schilde führte; auch Hassan
Beg, dem der Mann ebenso wie mir von vornherein verdächtig war, wußte zunächst nicht Be-
scheid. Aber schon am nächsten Morgen nahm er mich beiseite; er wisse schon, was „der Kerl“
wolle; der Mann hätte jedem einzelnen armenischen Arbeiter sagen lassen, daß er für jeden
Fund, den sie ihm ablieferten, in Silberpiastern bezahlen würde. Damit war der Vorfall aber
auch rasch erledigt. Wir ritten sofort in die nächste Kreisstadt zum Richter, mit dem ich be-
reits von früher her sehr freundschaftliche Beziehungen hatte, und baten um Abhilfe. Schon
wenige Stunden später kamen zwei berittene Polizisten mit Handschellen, nahmen den vor-
nehmen Mann ganz ruhig und stillschweigend in ihre Mitte, gerade als ob sie etwa ein Kalb
gekauft hätten; nach wenigen Tagen schon hatte ich dann den Gegenbesuch des Richters und
die freundliche Mitteilung, jener Armener sei ein ganz besonders übler Kunde, der schon viel
auf dem Kerbholz hätte und den er zu zwei Jahren Zuchthaus hätte verurteilen müssen, ob-
wohl ich selbst nur gebeten hatte, ihn für 6 Monate unschädlich zu machen.
Hassan Beg’s Eifer erlahmte auch später nicht und so glaube ich nicht, daß uns irgend-
wie wirklich bedeutsame Kleinfunde entgangen sein dürften. Es ist selbstverständlich bei einer
großen Grabung völlig unmöglich, einen einzelnen Diebstahl zu verhüten, aber manche Stücke
können auch von den Arbeitern übersehen werden, und so glaube ich auch nicht, daß eine rund-
liche Silberplatte mit dem Namenszuge des Barrekub, die uns bald nach der letzten Kampagne
in Berlin zum Kaufe angeboten wurde, aus unserer Grabung gestohlen war und nehme lieber
an, daß sie von Kindern am Rande einer Schutthalde gefunden wurde. Jedenfalls hatten wir
bereits zwei ganz ähnliche Stücke ausgegraben und richtig geborgen, so daß wir auf das dritte
unschwer verzichten konnten. Andererseits bin ich sicher, daß uns gerade viele unserer aller-
 
Annotationen