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Vielfältige Beziehungen, zahlreiche aus-
wärtige Verwandtfcbaften, haben wir im
Bilde des gefebiebtlicb gewordenen Bach-
fteinbaues von Scblcswig-I)olftein kennen
gelernt und doeb bilden alle feine Glieder
eine große familie, die durch einheitliche
Züge aneinander geknüpft werden. Tor
allem liegt dicTe Einheitlichkeit natürlich
in der Gtgenart des Bauftoffes, deffen
Datur auf die Betonung des lüefcntlicbcn,
der flächen, der Maffen, der Cinienfübrun-
gen bindrängt und damit dem Verlieren in
allerlei fflätjcbcn der Ginjelform, das in
allen ftürmifcb bewegten Zeiten eine ver-
derbliche Rolle gefpiclt bat, entgegenwirbt.
Daju aber tritt beTtimmend die gefundc
Zähigkeit des Sinnes, die Heb von jeher ge-
iträubt bat, das gute Hltc ohne weiteres
jugunften des Heueften, HllcrneucTten ju
verlaffen, die vielmehr forgfam abwägend
auch von ftarhen aus der fremde ju-
ftrömenden Ginflüffen nur das aus-
gewählt und verwendet bat, was der
betmifeben Hrt dienen und ihr jum Hus-
druck verhelfen bonnte. 6 n d l i cb aber
und nicht jum wenigTtcn ift
eine gemeinfame 6 i g e n T cb a f t
aller angeführten Zeiten und
Ulcrhe das, was wir als die a n -
ftändigeBaugefinnungbcjeicb-
nen dürfen. Hucb in früheren Zeiten
hätte man, wenn man nach äuBcrfter Billig-
heit geftrebt hätte, plundrig und unanfebn-
licb bauen bönnen. Hbcr wie es auch beute
noch ju den forderungen des Hnftandes
gehört, öffentlich Heb nur in anfcbnlicber,
nicht ju billiger Kleidung ju ?eigen, fo
haben erfiebtlicb früher fowobl die Gin-
jelncn als die Behörden die Verpflichtung
lebhaft gefühlt, ihrer Stadt oder ihrer
Candfcbaft auch baulich nicht den Husdruch
der nüchternen Sparfamhcit ju geben,
deffen Ocde wir heutzutage fo oft peinlich
empfinden muffen, fondern auf ein an-
ftändiges, würdiges bauliches Huftreten
auch unter bcfcbcidencn Verbältniffen hin-
zuarbeiten. Die gefcbicbtlicbc Betrachtung
wird ihren beften Grfolg haben, wenn fic
die Grhcnntnis ftärbt, daß die gleiche Ver-
pflichtung, deren Jnnebaltung wir die
feffclnde, |u J)crjen gehende Schönheit
unferer beimifeben Bauweife verdanben,
auch unferem an Mitteln wahrlich nicht
ärmeren Gcfcblccbt gegenüber der I)cimat
und gegenüber unferen nachkommen ob-
liegt. Zur Erfüllung diefer Pflicht gehört
freilich mehr als die rein verftandesmäßig
auf Befriedigung des Gebrauchszweckes
gerichtete Tätigkeit des Jngcnieurs. Künft-
lerifches Gefühl und vor allem hünft-

lerifcbe Schulung des durchgebildeten
Hrcbitekten muß ?u I)ilfe gerufen werden,
dann werden wir, ebenfo wie die älteren
Zeiten, daju kommen, daß auch alle fcblicb-
ten Zweckbauten in anftändiger form ver-
wirklicht werden, nicht in abftoßender
nücbternbeit, fondern behaglich anheimelnd
und bei aller Selbftändigkeit neuen
Geiftes im Ginklang mit dem febönen
Hlten. F)ier ift ein weites f eld jur Betäti-
gung gerade auch für alle öffentlichen
Körperfcbaften, befonders für die Ge-
meindeverwaltungen. Jbnen vor allem liegt
die Verantwortung dafür ob, daß die
Planung des Straßennetzes,
dieftädtebaulicbefortbildung
unferer Ortfcbaften nicht wei-
ter wie in den verftändnis-
lofcn Zeiten des vergangenen
Jahrhunderts unter der I) a n d
des feldmeffers und Ciefbau-
ingenicurs verkümmert. Denn
keine Kunft der Hrcbitchten
kann die Sünden, die hierbei
durch n i cb t b e a cb t u n g hünft-

I e r i f cb c r 6 c f i cb t s p u n k t e be-
gangen worden find und viel-
fach noch begangen werden,
nachträglich wieder gut machen.
Künftlerifcbcs Gefühl muß von
vornherein, wie in alter Zeit
mitwirhen bei der formung der
piatjräumc und Straßenjügc,
wenn wir mit den geringften
Mitteln die f cb ö n f t e Wirkung
fürunfcreftädtebaulicbenHuf-
gaben erzielen wollen. Daß dann
die in febönbeitlicbem Geifte geplanten
Grundjügc auch bei der Husfübrung der
einzelnen Bauten weiter in der oben be-
rührten „anftändigen Baugefin-

II u n g" durchgearbeitet werden, auch da-
für ju forgen haben die Gemeinden durch
gutes Bcifpiel und guten Rat, reiche Mittel
jur Verfügung. Möchten alle, die in diefen
Dingen jur vorgefebritteneren Ginficbt ge-
langt find, den Kampf gegen Schlendrian
und kurjficbtigcn Gigcnnutj, die beiden
I)auptverwüfter unferer I^eimat aus allen
Kräften führen, damit es nicht auch in
Scblcswig-F)olftcin fo gebe, wie es in
vielen Gegenden febon gegangen ift, daß
man erft nach weiteren febweren Verluften
den mert der überkommenen Schönheit er-
lernt und dann ju ihrer Grbaltung ein-
greifen möchte, wenn es ju fpät ift.
Die Gefcbicbtc des F)cimatfcbutjes bietet
viele Vergleichspunkte mit der bekannten
fabcl von den fybillinifcben Büchern!

O. Stiehl.
 
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