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I. Geschichte.

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haucht. Hyacinthen und Rosen, Azaleen und Rhododendron, Kamelien und Tulpen
vom keuschen Weiss bis zum glühendsten Rot in allen Schattierungen, Kelch an
Kelch und Blüte an Blüte, zur Rechten und zur Linken, lachen uns im mildgedämpften
Lichte der sich darüber wölbenden Glasdachung entgegen und erfüllen uns mit Ent-
zücken. Trauben und Dolden, Cruciferen und Blütenbüschel in allen Gattungen
wuchern aus dem zarten Grün des Laub- und Blätterwerkes von den Wänden her-
nieder.“

Das schöne Bewusstsein, dass alles gut und wohlgeordnet sei, erhöhte die Feier, und
Anerkennung, Begeisterung über das wohlgelungene Werk sprach sich überall mit sicht-
barer Befriedigung aus. Obgleich die Aktionäre zu der Ausstellung freien Zutritt hatten,
war der Besuch von nah und fern doch so stark, dass man bei derselben io 343.52 Gld.
Reingewinn erzielte. Gleichzeitig wurden noch 40 000 Gld. für Aktien begeben, deren Zeich-
nung bis dahin noch nicht erfolgt war.

Das Jahr 1870 machte manche grössere Ausgabe nötig, und die Verwaltung der Gesell-
schaft führte wiederholt Verhandlungen mit dem Hypothekenkreditverein wegen Aufnahme
eines Darlehens von 100000 Gld.; auch wurde an den Magistrat behufs Aufnahme einer
Hypothek eine Eingabe beschlossen, für welche man bei Freunden des Unternehmens
Unterschriften zu erhalten suchte. Herr Baron von Erlanger stellte bereitwilligst 25 000 Gld.
als Darlehen zur Verfügung und bald darauf konnte in einer Sitzung des Verwaltungsrates
mitgeteilt werden, dass 100coo Gld. 5prozentiger Hypotheken gezeichnet worden seien,
sowie, dass der Vertrag zwischen Herrn H. A. Wolf und der Stadtkämmerei wegen Terrain-
austausches (behufs Bildung eines freien Platzes vor dem Palmengarten) abgeschlossen und
genehmigt sei.

Inzwischen brach der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich aus, wodurch an-
fänglich dem jungen Institut Sorgen zu erwachsen schienen. Es wurde entschieden, das
Haus soweit fertig zu stellen, dass es geschlossen werden konnte und gesichert war, vor-
läufig aber nicht weiter zu gehen. Von allen Seiten kam man indes dem Unternehmen
mit Rat und That entgegen und so konnte doch die Förderung ruhig fortschreiten. Später
gelang es auch, trotz des ausgebrochenen Krieges ein Prioritätsanlehen von i5oooo Gld.
aufzunehmen.

Unter der Leitung von Musikdirektor Mansfeld fand am 14. April 1870 im Palmen-
hause das erste Konzert statt.

Am 7. Januar 1871 wurde der Vertrag mit den Herren Christoph und Derville' wegen
Uebernahme der Restauration abgeschlossen.

Seit dem 16. März 1871 wirkte im Garten eine ständige Kapelle unter der bewährten
Leitung des Kapellmeisters L. Stasny.

Der 16. März 1871 war auch der Tag, an welchem der Palmengarten und das bis
dahin vollendete Gebäude dem Publikum übergeben, sowie die Restauration eröffnet wurde.
Er fiel in eine grosse, in eine unvergessliche Zeit. Es war die Zeit, in welcher nach hef-
tigem Ringen der Friede wiedergekehrt war und die deutschen Truppen aus Frankreich
zurückkamen. Seine Majestät der deutsche Kaiser Wilhelm I. war zu den Einweihungs-
feierlichkeiten eingeladen, damit er das erhabene Werk durch ein kaiserliches Wort ehre.
Leider jedoch war Seine Majestät verhindert, denselben beizuwohnen. Im Aufträge des
Kaisers erschien der deutsche Kronprinz. Nachdem Höchstderselbe mit seinem Gefolge das
Palmenhaus und die in der üppigsten Pracht dastehenden Blütengalerien eingehend be-
sichtigt und seine höchste Befriedigung darüber ausgesprochen hatte, erfolgte um 10 Uhr
morgens die Eröffnung im Beisein der eingeladenen königlichen Behörden, der Vertreter der
Stadt und der Ehrengäste, unter anderen des Regierungs-Präsidenten Grafen zu Eulenburg
 
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