II VORREDE.
Verwehren innere fachliche Gründe, das Ideal einer hißorifchen
Erzählung schon jetzt rein zu verkörpern, fo fiellen sich äufsere Rück-
sichten dem befonderen Ziele hemmend in den Weg, welches allen Künßler-
biographen vorfcsnvebt, namentlich aber von dem Biographen Rassael's
verfolgt werden soll. * Wie ganz anders hell wird vielleicht fchon dem
nächsseti Gefchlechte Rassael's künßlerische Perfönlichkeit entgegentreten'.
Nicht das Wort wie jetzt, fondern das Bild wird bei feiner Schilderung
die Hauptrolle spielen, den illuflrirten Text ein Bilderatlas mit begleitendem
Texte erfetzen. Wäre es möglich gewefen, zunächss für jeden Abfchnitt
in Rassael's Entwicklung alle freien Studien, welche feine Richtung und
feine Ziele ossenbaren, zufammenzufiellen, fodann die in die rechte Reihe
und Ordnung gebrachten Werke ssets in ihrem organischen Wachsthum
von der erßen ssüchtigen Skizze bis zur Vollendung vor die Augen zu
bringen, wie viel reicher und tiefer würde sich die Erkenntniss seiner
künsslerischen Natur gessalten, wie viel deutlicher der ganze Entwickelungs-
ßrocefs erfcheinen! Zur Stunde mufs auf die vollssändige Durchsührung
diefes Planes noch verzichtet werden. Die reproducirenden Künfle und
Fertigkeiten haben nach mehreren Seiten hin einen höheren Grad der
Ausbildung zu erringen, ehe der Kunsshifloriker in ihren Werken den
bessen Ausdruck feiner Gedanken und die sicherfle Beflätigung feines
Urtheiles sindet. Finden wird er fie einmal. Dasür bürgt der Weg,
welchen die Kunssgeschichte bisher eingefcMagen.
Ein Vierteljahrhundert ifl gerade vergangen, seitdem ich meine
Studien über die grofsen Meißer Italiens auch Anderen mitzutheilen
ansing. Meine erfte öffentliche Vorlesung an der Bonner Universität war
Rassael gewidmet, ihr folgte bald die monographische Schilderung Michel-
angelds. Wie dürstig war es damals noch mit dem Anschauungsapparate
beßellt, wie schwierig die Eösung der Aufgabe, die Zuhörer aus dem
äßhetischen Vorßellungskreise in die hißorische Gedankenwelt hinüber-
zuleiten ! Die Vorführung der Abbildtmgen vollendeter Werke, die genaue,
aus dem Studium der Originale (nur die Madrider und Petersburger
Sammlungen kenne ich auch jetzt noch nicht aus eigener Anschauung)
beruhende Beschreibung derselben genügten dazu nicht. Man lernte den
Stil, die Frucht der Entwicklung und die zur Fertigkeit ausgebildeten
Eigenschasten des Meißers kennen, aber nicht die Gefetze begreifen,
welche feine persönliche Entwickelung bedingten und der Entssehung der
Einzelwerke vorßehen. Erß als der unendlich reiche Schatz von Hand-
Verwehren innere fachliche Gründe, das Ideal einer hißorifchen
Erzählung schon jetzt rein zu verkörpern, fo fiellen sich äufsere Rück-
sichten dem befonderen Ziele hemmend in den Weg, welches allen Künßler-
biographen vorfcsnvebt, namentlich aber von dem Biographen Rassael's
verfolgt werden soll. * Wie ganz anders hell wird vielleicht fchon dem
nächsseti Gefchlechte Rassael's künßlerische Perfönlichkeit entgegentreten'.
Nicht das Wort wie jetzt, fondern das Bild wird bei feiner Schilderung
die Hauptrolle spielen, den illuflrirten Text ein Bilderatlas mit begleitendem
Texte erfetzen. Wäre es möglich gewefen, zunächss für jeden Abfchnitt
in Rassael's Entwicklung alle freien Studien, welche feine Richtung und
feine Ziele ossenbaren, zufammenzufiellen, fodann die in die rechte Reihe
und Ordnung gebrachten Werke ssets in ihrem organischen Wachsthum
von der erßen ssüchtigen Skizze bis zur Vollendung vor die Augen zu
bringen, wie viel reicher und tiefer würde sich die Erkenntniss seiner
künsslerischen Natur gessalten, wie viel deutlicher der ganze Entwickelungs-
ßrocefs erfcheinen! Zur Stunde mufs auf die vollssändige Durchsührung
diefes Planes noch verzichtet werden. Die reproducirenden Künfle und
Fertigkeiten haben nach mehreren Seiten hin einen höheren Grad der
Ausbildung zu erringen, ehe der Kunsshifloriker in ihren Werken den
bessen Ausdruck feiner Gedanken und die sicherfle Beflätigung feines
Urtheiles sindet. Finden wird er fie einmal. Dasür bürgt der Weg,
welchen die Kunssgeschichte bisher eingefcMagen.
Ein Vierteljahrhundert ifl gerade vergangen, seitdem ich meine
Studien über die grofsen Meißer Italiens auch Anderen mitzutheilen
ansing. Meine erfte öffentliche Vorlesung an der Bonner Universität war
Rassael gewidmet, ihr folgte bald die monographische Schilderung Michel-
angelds. Wie dürstig war es damals noch mit dem Anschauungsapparate
beßellt, wie schwierig die Eösung der Aufgabe, die Zuhörer aus dem
äßhetischen Vorßellungskreise in die hißorische Gedankenwelt hinüber-
zuleiten ! Die Vorführung der Abbildtmgen vollendeter Werke, die genaue,
aus dem Studium der Originale (nur die Madrider und Petersburger
Sammlungen kenne ich auch jetzt noch nicht aus eigener Anschauung)
beruhende Beschreibung derselben genügten dazu nicht. Man lernte den
Stil, die Frucht der Entwicklung und die zur Fertigkeit ausgebildeten
Eigenschasten des Meißers kennen, aber nicht die Gefetze begreifen,
welche feine persönliche Entwickelung bedingten und der Entssehung der
Einzelwerke vorßehen. Erß als der unendlich reiche Schatz von Hand-