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I. MICHELANGELO'S JUGE?

Einen aufrecht, die Anderen knieend oder vorgebeugt, Andere stürzend
oder in die Höhe kletternd in den schwierigsten Verkürzungen.«
Ein slüchtige Federzeichnung in der Albertina, erst vor wenigen
Jahren aufgefunden, giebt eine beiläufige Vorstellung von der Scene voll
des Tumultes, der Hast und des Schreckens, wie sie dem Künstler
im ersten Entwürfe vorschwebte. *) Ausserdem tritt noch für die eine
und andere Gruppe die Nachbildung im Kupferstiche zur schriftlichen
Ueberlieferung ergänzend hinzu. Bereits 1510, also zu einer Zeit,
in welcher der Carton noch unversehrt bestand, hat Marcanton eine
Gruppe von drei Figuren aus demselben in Kupfer gestochen. Das Blatt
(B. 487), unter den Namen »die Kletterer« weltbekannt, zeigt einen
nackten Soldaten, vom Rücken aus gesehen, welcher soeben das steile
Ufer emporklettert, während ein zweiter auf der Erde knieend sich vor-
beugt und einem Kameraden, dessen Hand nur aus dem Wasser hervorragt,
die Rechte hilfreich entgegenstreckt, ein dritter endlich, halb bekleidet,
den Kopf seitwärts gewendet, zur Eile mahnend mit der Rechten auf den
nahenden Feind hinweist (Fig. 16.) Auch die vonVasari so hoch gepriesene
Gestalt des Alten mit dem Epheukranze und den Kletterer hat Marcanton
(B. 472 und 488) noch einmal jeden einzeln gestochen. Einem Schüler
Marcanton's, dem Agostino Veneziano, danken wir die Erhaltung einer
anderen Gruppe (B. 423). Eiligst nestelt ein bereits gelüsteter Krieger
noch am Gewände und setzt sich dem Feinde entgegen in Bewegung.
Der nackte Soldat neben ihm hat soeben das Ufer erklommen und will
sich, das Gewand über die Rechte geworfen, erheben. Er hat das
Gesicht seitwärts gewendet, woher der Lärm tönt, während die dritte
Figur sich über einen Verwundeten nach dem Uferrande vorbeugt, um
nach einem Soldaten zu spähen, der mit den Fluthen kämpft. Nur seine
Arme sind sichtbar, die Hände in der Verzweiflung förmlich in den
Felsen eingegraben. Die letzte Figur ist der Alte, welcher mit dem
Anzüge des Strumpfes nicht fertig werden kann. Obschon beide Stecher,
Marcanton und Agostino Veneziano, das Terrain und den Hintergrund
willkürlich verändert haben, bewahren doch ihre Blätter einen urkund-
lichen Werth. Die einzelnen Figuren sind zweifellos dem Carton Michel-
angelo's entlehnt, auch die Gruppirung festgehalten worden. Oder wenn
sie, wie es damals häufig geschah, nach Handzeichnungen und Skizzen
des Meislers gestochen wurden, so bewahren sie doch das unmittelbare
Gepräge seiner Hand. Sie rechtfertigen die Bewunderung, welcher Vasari
einen so begeisterten Ausdruck verliehen. Alle im Kreise der Plastiker

*) Thausing in Lützow's Zeitseh. f. b. K. XIII. 107, 129.
 
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