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RAFFAEL'S JUGEND UND LEHRZEIT.

Jahre.*) Die thronende Madonna, in einen blauen mit Goldsternen ge-
flickten Mantel gehüllt, hält das mit einem weissen Hemdchen bekleidete
Christuskind auf dem Schoosse, welches dem kleinen, die Thronstufen
aussteigenden, gleichfalls in ein härenes Röckchen gehüllten Johannes den
Segen ertheilt. **) Zu Seiten des reich geschmückten Thrones flehen
links die hh. Catharina und Petrus, rechts Dorothea und Paulus.
Die Rücksicht auf den Geschmack der Besteller mochte Rasfael zum
Beharren bei dem Hergebrachten bewogen haben. Sowohl die Mittel-
gruppe der Haupttafel wie das Halbrund darüber (Tympanon), mit dem
Kniebilde des segnenden Gottvaters zwischen zwei adorirenden Engeln
bewegen sich überwiegend in den alten Schulgeleisen. Die beiden Frauen-
köpfe und insbesondere die Figur des Paulus verrathen dagegen ssorentiner
Einssüsse. Klingt in jenen Leonardos Zeichnung nach, so lehnt sich
dieser an Fra Bartolommeo's Vorbilder an und haftet seitdem fest in
RafFael's Gedächtniss. Namentlich in den mittleren der fünf Predellen-
bilder athmete er von dem Zwange, welchem er bei der Composition
des Hauptbildes sichtlich unterworfen gewesen,. wieder auf und gewann
die volle künstterische Freiheit. Sie stellen den h. Franciscus und Antonius,
Christus auf dem Oelberge, die Kreuztragung und die Klage um den
Leichnam Christi dar und befinden sich gegenwärtig zerftreut im Privat-
besitz in England.***) Die Composition der Kreuztragung, die gerühmteste
von allen, ist nur durch eine treue Nachzeichnung in Florenz zugänglich.
(Fig.27.) Sie zerfällt ziemlich deutlich in drei Gruppen. Zwei Reiter, wie Türken
gekleidet, führen den Zug an. Der feste Sitz auf den kräftigen Rossen, die
kühnen Bewegungen der letzteren weisen darauf hin, dass Rafsael einem
Künsüerkreise bereits angehört, in welchem Reiterstudien nicht seiten sind.
Auch der energische Charakter der Mittelgruppe offenbart den ssorentiner
Einssuss. An einem Stricke, welchen der vorderste Scherge über die
Schulter geworfen hat und mit der Rechten anzieht, wird Christus vor-
wärts gezerrt. Mühsam schleppt er sich, von der Last des Kreuzes
beinahe zu Boden gedrückt, wenn nicht Joseph von Arimathia ihm hilf-

*) Stich von Aloysio Juvara. Haupt-
tafel und Tympanon, Eigenthum des
Duca di Ripalda (vorher im Besitze
des K. Franz von Neapel) befindet sich
im Depot der Nationalgalerie in London.
**) Federzeichnung in der Albertina
Br. 109.
***) Die beiden Heiligen (Dulwich

Galerie) sind ganz verdorben. Der
Oelberg (bei Lady Burdett Cutts) und
die Pietä (bei Mr. Dawson) gehen
auf Perugino's Compositionen zurück.
Dasselbe gilt von dem früher Raffael
zugeschriebenen Bilde Christi auf dem
Oelberg in der Nationalgalerie, wahr-
scheinlich einen Werke Spagna's.
 
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