Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

DOI Artikel:
Knauth, Johannes: Erwin von Steinbach
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0034
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

ist allzu fragwürdig und offenbar auf das Todesjahr
Rudolfs von Habsburg zurecht gemacht. Es bleiben
nur noch die verbürgten Mitteilungen über den
grossen Brand vom Jahre 1298.

Die Spuren eines Brandes von der Ausdehnung
des geschilderten können wohl niemals vollständig
verwischt werden. Die Einwirkungen der Stich-
flamme auf das Sandsteinmaterial sind so unver-
kennbar und eigenartig, dass es auch heute bei
genauer Untersuchung noch möglich sein muss, die
Grenzen des Brandes festzulegen. Es muss deshalb
unsere nächste Sorge sein zu untersuchen, wie weit

Abb. i5. Umbau des Westbaues. Grundriss. 2. Bauperiode.

die Spuren des Brandes vom Jahre 1298 reichen,
um daraus Schlussfolgerungen auf den Fortschritt
der Bauarbeiten bis zu dieser Zeit ziehen zu
können. Wir dürfen annehmen, dass in Anbetracht
der Grösse des Bauwerks und in Ansehung der
örtlichen Verhältnisse aus praktischen Erwägungen
aus die hauptsächlichsten Holzmassen der Gerüst-
bauten, der Aufzugseinrichtungen und dergleichen
im Innern, also vermutlich im Mittelbau zwischen
den beiden Türmen vorhanden waren. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach wird das Hochziehen und Ver-
setzen der Steine vom Innern aus erfolgt sein. Hier
liessen sich zweckmässig die notwendigen breiten
Gerüstlagen anbringen, zweckmässiger als an den
Aussenseiten, die infolge der unregelmässigen Linie
den Gerüstbau erschwerten. Wir dürfen also voraus-
setzen, dass an den Aussenseiten nur verhältnismässig
leichte Gerüste aufgebaut worden sind, während die
hauptsächlichen Traggerüste im Innern des offenen
Neubaues vielleicht unter Einbeziehung der unteren
Turmgeschosse angebracht waren. Hier war dann
wohl auch der Aufzug, die Winde mit dem Seil,

durch welches nach dem Bericht Königshofens der
Brand in das Münster geleitet worden ist.

Eine genaue Untersuchung des Innern zeigt die
Spuren des Brandes erst von einer gewissen Höhe
ab, was damit erklärt sein dürfte, dass die
unteren Mauerflächen bis zu einem gewissen Grade
durch dort lagernde und aufgestellte Baumate-
rialien geschützt waren. In grösserer Höhe sind
die Einwirkungen des Feuers jedoch nicht zu
verkennen. Die allenthalben vorkommenden eigen-
artigen muscheligen Absprengungen der Steine
besonders an den vorspringenden Stellen des Stab-
werks, der Kapitale usw., zum
Teil nur provisorisch vermittelst
Gips oder Stuck ausgebessert,
zum Teil in späterer Zeit
restauriert, sind nur als Folgen
der Stichflamme zu deuten.
Diese Brandspuren zeigen sich
in der ganzen Breite der mittleren
Giebelwand und zwar bis zur
Höhe des Triforiumbodens unter-
halb der Rose, ferner an den
Pfeilern A und B bis einschlies-
slich der Kapitale, jedoch nur
nach dem Mittelschiff, nicht nach
dem Turm zu ferner an den
unteren Teilen des Pfeilers C
und der anschliessenden Turm-
wand bis zum Portal, hier
jedoch nur in einer Höhe bis
zu 3,i8 m über dem Boden. An
allen anderen Stellen fehlen die-
selben. Weder an der Giebel-
wand oberhalb der vorgenannten Grenze noch an
dem Pfeiler D, noch sonst im Innern der Turm-
hallen sind Schäden festzustellen, die als Folgen

der Einwirkung eines Brandes gedeutet werden
könnten. Dass im Äussern die Versuche der Fest-
stellung von Brandspuren nur zu unsicheren Resul-
taten führen, ist nicht verwunderlich. Schon durch
die Situation im Freien und sodann durch den leich-
teren weniger umfangreichen Gerüstbau würde die
Möglichkeit einer geringeren Beschädigung des
Äussern gegeben sein, wie anderseits die äussere
Hauptfassade grössere Restaurationen notwendig
erforderte, während das Halbdunkel des Innenraumes
dieselben nicht in demselben Masse dringlich machte.
Da aber angenommen werden darf, dass im Wesent-
lichen Äusseres und Inneres gleichmässig hochge-
führt worden sind, genügen die ausserordentlich
deutlichen Spuren im Inneren durchaus, um danach
in Verbindung mit den Resultaten der vorher-
gegangenen Untersuchungen den Umfang der Neu-
bauarbeiten bis zum Jahre 1298 mit ziemlicher
Genauigkeit zu begrenzen.
 
Annotationen