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Risse A den älteren Meister der Ostjoche, für den
mit reicherem Masswerkschmuck versehenen zweiten
Riss A i, den letzten Meister des Langschiffs, den-
selben, der im Jahre 1275 dessen Fertigstellung be-
wirkt und alsdann den vorübergehend aufgegebenen
Neubau der Türme wieder aufgegriffen hatte.
Noch eine dritte Möglichkeit muss Erwähnung
finden. Riss A 1 zeigt einen gewissen Widerspruch
in seinem strengen altertümlichen Architekturaufbau
und der Stilistik der eingezeichneten Schmuckformen.
Die als Giebelfüllungen verwendeten Masswerk-
konstruktionen, Formen, welche anderswo kaum vor
dem Anfang des XIV. Jahrhunderts Vorkommen,
wollen nicht recht zu den schwerfälligen, flach -
gegiebelten Portalwimpergen passen. Es macht ganz
den Eindruck, als ob es sich bei Riss A 1 nur um
eine Überarbeitung, eine «moderne» Zurechtstutzung
des im übrigen ja vollständig damit übereinstimmenden
Risses A handelt, vielleicht von der Hand des
Meisters des später zu besprechenden Planes B.
Die beiden Risse A und A 1 geben in konse-
quenter Durchführung des gotischen Konstruktions-
prinzips das durch die Entwickelung des Stils
gegebene Endziel der Lösung des zweitürmigen
Fassadenproblems. Die klare aus der Konstruktion
entwickelte Gliederung lässt nicht, wie bei den
Schöpfungen der französischen Hochgotik die Portal-
anlage als das be-
herrschende Element
in den Vordergrund
treten, sie erinnert
vielmehr an die älte-
ren Vorbilder, so die
Fassade von Notre-
Dame in Paris, wenn
auch die einseitige
Betonung des Kon-
struktiven durch eine
bedeutende Reduction
der Strebepfeileraus-
ladung und deren
reichere Gliederung
wesentlich gemildert
erscheint.
Das Hauptmotiv
ist wie schon bei den
älteren französischen
Kathedralen das Ro-
senfenster, welches
aber hier in einer
bis dahin unerhörten
Breite den ganzen
Raum zwischen den
Turmpfeilern einnimmt. Die Anordnung des Haupt-
portals mit hohem Wimperg, flankiert von zwei
kleineren Blendgiebeln zwischen schlanken Fialen,
die offenen Gallerien zwischen Portal und Rose,
die die letztere begleitenden kleinen Blendrosen in
den Zwickeln des umschliessenden Quadrates, alles
erinnert bis zu den Einzelheiten an die südliche
Querschiffsfassade von Notre-Dame in Paris, das
Werk des Jean de Chelles.37 Die Turmpfeiler sind
in ihren Grundrissabmessungen scheinbar auf ein
Minimum reduziert; in Wirklichkeit sind dieselben
allerdings wesentlich nach innen verstärkt; sie
ermöglichen die Öffnung der Turmwand durch
breite mit luftigem Masswerk ausgefüllte Turmfenster.
Die ganze Behandlung der Turmlösung stimmt viel-
fach mit dem leider seit der Revolution zerstörten
Bau von St. Nicaise, diesem Idealbild einer Kirche
des reifsten gotischen Stils überein.
Ist nach den Rissen A oder A 1 der Bau
unseres Münsters begonnen worden? Können Teile
des Westbaues als nach diesen Plänen ausgeführt
bezeichnet werden ? Von Moriz Eichborn wird
diese Frage bejaht. Er sieht in den unteren Teilen
des Nordturms die Hand dieses Meisters. Wir
werden sehen, dass die Ausführung des Nordturms
ebenso wie diejenige des Südturms viel genauer mit
dem später zu besprechenden Riss B übereinstimmt,
dagegen von Anfang an wesentlich von den Rissen
A und A 1 abweicht. Wohl ist die Möglichkeit be-
gründet, dass die Innenpfeiler der Türme, wenigstens
zum Teil, von einem Meister der älteren Risse her-
rühren und den Beginn der Ausführung nach diesen
Plänen darstellen. Auch wäre der Gedanke nicht als
Risse A den älteren Meister der Ostjoche, für den
mit reicherem Masswerkschmuck versehenen zweiten
Riss A i, den letzten Meister des Langschiffs, den-
selben, der im Jahre 1275 dessen Fertigstellung be-
wirkt und alsdann den vorübergehend aufgegebenen
Neubau der Türme wieder aufgegriffen hatte.
Noch eine dritte Möglichkeit muss Erwähnung
finden. Riss A 1 zeigt einen gewissen Widerspruch
in seinem strengen altertümlichen Architekturaufbau
und der Stilistik der eingezeichneten Schmuckformen.
Die als Giebelfüllungen verwendeten Masswerk-
konstruktionen, Formen, welche anderswo kaum vor
dem Anfang des XIV. Jahrhunderts Vorkommen,
wollen nicht recht zu den schwerfälligen, flach -
gegiebelten Portalwimpergen passen. Es macht ganz
den Eindruck, als ob es sich bei Riss A 1 nur um
eine Überarbeitung, eine «moderne» Zurechtstutzung
des im übrigen ja vollständig damit übereinstimmenden
Risses A handelt, vielleicht von der Hand des
Meisters des später zu besprechenden Planes B.
Die beiden Risse A und A 1 geben in konse-
quenter Durchführung des gotischen Konstruktions-
prinzips das durch die Entwickelung des Stils
gegebene Endziel der Lösung des zweitürmigen
Fassadenproblems. Die klare aus der Konstruktion
entwickelte Gliederung lässt nicht, wie bei den
Schöpfungen der französischen Hochgotik die Portal-
anlage als das be-
herrschende Element
in den Vordergrund
treten, sie erinnert
vielmehr an die älte-
ren Vorbilder, so die
Fassade von Notre-
Dame in Paris, wenn
auch die einseitige
Betonung des Kon-
struktiven durch eine
bedeutende Reduction
der Strebepfeileraus-
ladung und deren
reichere Gliederung
wesentlich gemildert
erscheint.
Das Hauptmotiv
ist wie schon bei den
älteren französischen
Kathedralen das Ro-
senfenster, welches
aber hier in einer
bis dahin unerhörten
Breite den ganzen
Raum zwischen den
Turmpfeilern einnimmt. Die Anordnung des Haupt-
portals mit hohem Wimperg, flankiert von zwei
kleineren Blendgiebeln zwischen schlanken Fialen,
die offenen Gallerien zwischen Portal und Rose,
die die letztere begleitenden kleinen Blendrosen in
den Zwickeln des umschliessenden Quadrates, alles
erinnert bis zu den Einzelheiten an die südliche
Querschiffsfassade von Notre-Dame in Paris, das
Werk des Jean de Chelles.37 Die Turmpfeiler sind
in ihren Grundrissabmessungen scheinbar auf ein
Minimum reduziert; in Wirklichkeit sind dieselben
allerdings wesentlich nach innen verstärkt; sie
ermöglichen die Öffnung der Turmwand durch
breite mit luftigem Masswerk ausgefüllte Turmfenster.
Die ganze Behandlung der Turmlösung stimmt viel-
fach mit dem leider seit der Revolution zerstörten
Bau von St. Nicaise, diesem Idealbild einer Kirche
des reifsten gotischen Stils überein.
Ist nach den Rissen A oder A 1 der Bau
unseres Münsters begonnen worden? Können Teile
des Westbaues als nach diesen Plänen ausgeführt
bezeichnet werden ? Von Moriz Eichborn wird
diese Frage bejaht. Er sieht in den unteren Teilen
des Nordturms die Hand dieses Meisters. Wir
werden sehen, dass die Ausführung des Nordturms
ebenso wie diejenige des Südturms viel genauer mit
dem später zu besprechenden Riss B übereinstimmt,
dagegen von Anfang an wesentlich von den Rissen
A und A 1 abweicht. Wohl ist die Möglichkeit be-
gründet, dass die Innenpfeiler der Türme, wenigstens
zum Teil, von einem Meister der älteren Risse her-
rühren und den Beginn der Ausführung nach diesen
Plänen darstellen. Auch wäre der Gedanke nicht als