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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Erwin von Steinbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0055
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gestalteten sich für den ruhigen Fortgang der Bau-
arbeiten immer ungünstiger. Wie die anderen
deutschen Reichsstädte des Mittelalters wird auch
Strassburg bald der Schauplatz erbitterten Bürger-
zwistes. Der Kampf um die Herrschaft stellt die
aufblühenden Handwerkerstände in schroffen Gegen-
satz gegen die Patrizierkreise, die Geschlechter, die
im Kampfe für die Reichsfreiheit das Volk geführt
und geschickt die Gewalt an sich gebracht hatten.

Nach dem Brande musste sich die Arbeit der
Bauhütte zunächst naturgemäss der Instandsetzung
des schwer beschädigten Kirchengebäudes zu wenden.
Dass in dieser Zeit der Vierungsturm errichtet wurde,
ist zum mindestens wahrscheinlich. Trotzdem ist
auch die Fortführung der Arbeiten an der Turm-
fassade nicht unterbrochen worden. Nach Abbruch
der durch den Brand stark beschädigten romanischen
Türme, zunächst des Nordturms, und etwa ein Jahr-
zehnt später des Südturms konnten die Arbeiten
auf die unteren Turmgeschosse mit den reichen
Seitenportalen konzentriert werden, so dass im Jahre
i3i6 bereits die grosse Totenglocke in den neuen
über dem ersten- Geschoss frei aufgestellten Glocken-

Abb. 37. Einzelheit vom Stabwerk der Westfront.

Abb. 38.

Einzelheit vom grossen Wimperge des Hauptportals.

Stuhl vermutlich des Nordturms aufgehängt werden
konnte. Aber noch weit war der Bau von seiner
Vollendung entfernt, als Erwin im Januar i3i8,
wahrscheinlich in hohem Alter starb. Bereits einige
Jahre vorher war seine Gattin, Frau Husa, ihm
vorangegangen. Wie ein Ton schmerzlicher Ent-
sagung und Ergebung in den Willen Gottes klingt
es aus der Inschrift seines letzten Werkes, der
kleinen Kapelle der Gottesmutter : Fiat mihi secun-
dum verbum tuum, ein Hauch der Wehmut in dem
Gedanken baldiger Trennung von dem stolzen
Werke seines Geistes, eine stille Ahnung wohl auch
des Unvermögens der nach ihm Kommenden. Der
Umstand, dass Erwin in dem Grabstein der Dna Husa
als Magister, in seines eigenen als Gubernator
fabrice bezeichnet ist, hat, wie bereits gesagt, zu
der Annahme geführt, dass ihm in den letzten
Jahren seines Lebens die Leitung der gesamten
Bauverwaltung übertragen worden sei, eine Möglich-
keit, die an anderen Orten, so beim Dombau in
Köln Analogien findet.

Wir haben gesehen, wie, abgesehen von solchen
 
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