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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und ersten Arkadenpfeiler des Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0088
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eisernen Bändern auf zwischengelegten Holzklötzen
umfasst, welche seither in regelmässigen Zeit-
abschnitten kontrolliert und angezogen worden sind.
Seit dieser Armierung des Pfeilers konnte nur
ein geringes Wachsen der Risse festgestellt werden.

Eine genaue Aufnahme und Absenkelung des
Pfeilers ergab, dass derselbe von Sockeloberkante
bis etwas über Kapitälhöhe der Seitenschiffe von
der Lotrechten um etwa 25 m/m nach Süden, dem
Inneren des Mittelschiffs und von
Kapitälhöhe des Seitenschiffs bis
zur Kapitälhöhe des Mittelschiffs
um etwa 140 m/m nach Norden,
nach Aussen abweicht. Eine Ab-
bleiung ergab, dass die Kapitäl-
oberkante des ersten Schiffpfeilers
gegenüber den andern bedeutend
niedriger liegt, und zwar beträgt
die Differenz zwischen dem ersten
und vierten Pfeiler der Nordseite
72 m/m.

Die technische Ausführung
des Pfeilers scheint dieselbe zu
sein, wie die der andern Schiffs-
pfeiler, wenigstens liegt nach dem
Augenschein kein Grund vor, an-
zunehmen, dass etwa in einer
minder sorgfältigen Ausführung
die Ursache der Zerstörung zu
suchen sei. Die sämtlichen inneren
Pfeiler bestehen wie der ganze Bau
aus sorgfältig gefügtem Quader-
werk aus hartem Vogesensand-
stein, vermutlich aus den Brüchen
im Breuschtal herrührend, in ihrem
Kern möglichenfalls aus Bruch-
stein. Mit Ausnahme des ersten
Pfeilers der Nordseite sind die
übrigen inneren Pfeiler des Lang-
schilfs in durchaus normalem Zu-
stand ; nur der direkt gegenüber befindliche
1. Pfeiler der südlichen Mittelschiffwand zeigt in
seinen aussergewöhnlich enggepressten Fugen die
Folgen einer über das Normale hinausgehenden
Mehrbelastung, Zerstörung des Steinmaterials durch
Risse oder auch nur Absprengungen der Kanten
sind dagegen nicht festzustellen.

Als Fundament dient den Schiffspfeilern auf der
Nord- und Südseite je eine von Westen nach Osten
durchgehende, anscheinend aus älterer Zeit stam-
mende Längsmauer. Dieselbe ist in einer Stärke
von ca. 2,60 m, aussen in Sand- und Kalkstein-
Moellons geblendet, innen als Füllmauer in Mörtel-
beton ausgeführt. Durch Ausmuldung und Aus-
mauerung vermittelst grösserer Sandsteinquader ist
unter jedem der Schiffspfeiler für die Aufnahme der

Pfeilersockel ein besonderes Lager geschaffen. Die
Fundamentmauer geht ca. 5,5o m in die Tiefe und
ruht auf einer Schicht von sandigem Letten, welche
ursprünglich durch ein System von eingerammten
Pfählen die mit der Spitze in der ca. 2 l/.2 m tiefer
liegenden Kiesschicht steckten, verdichtet war. Die
Pfähle sind sämtlich verfault, so dass der Boden
nunmehr siebartig durchlöchert ist. Trotz dieses
mangelhaften Untergrundes und trotz der wenig
sorgfältigen Ausführung des äusse-
ren Verbandes deraltenFundament-
mauer ist letztere unversehrt er-
halten. Neben der vorzüglichen
Bindekraft des Mörtelbetons dürfte
dies wohl dem Umstand zuzu-
schreiben sein, dass die Funda-
mente als Längsmauer eine weit-
gehende Druckverteilung auf den
Untergrund und infolgedessen eine
relativ geringe Beanspruchung des-
selben ermöglichten.

Gegenüber den andern Schiffs-
pfeilern zeigt der in Frage stehende
erste Pfeiler der Nordseite mehr-
fache Mehrbelastungen und zwar
zunächst ebenso wie der gegen-
über befindliche erste Pfeiler der
Südwand eine Belastung infolge
der Ausmauerung des Triforiums
im ersten Feld und durch einen
daselbst angeordneten Turmstrebe,
pfeiler, welcher sich auf die Tri-
foriumausmauerung aufsetzt und
das erste Hochschiffsfenster zur
Hälfte ausfüllt (Abb. 6 u. 11). Die
Richtung der Risse im beschädigten
Pfeiler lässt auf eine besonders
starke Einwirkung durch diese
merkwürdige, konstruktiv sehr zu
beanstandende Strebepfeileranlage
schliessen. Als weitere Mehrbelastungen des ersten
Schiffspfeilers der Nordseite gegenüber den anderen
Pfeilern kommen noch in Betracht: Belastung durch
die Ausmauerung des Triforiums im zweiten Feld,
desgleichen durch das Gehäuse und das Werk der
grossen Orgel, das unter dem Dachraum des 2.
Seitenschiffsfeldes angebrachte Gebläse dieser Orgel,
den Brandgiebel über dem 1. Seitenschiffsgurtbogen
und den Stimmgang über dem äusseren Triforium,
sowie eine Mehrbelastung durch die Anlage einer
massiven Steinplattenbedachung über dem ersten
Gewölbefeld des Seitenschiffs als Ersatz der
Zimmerkonstruktion der anderen Dächer (Abb.
7-11).

Es ist von vornherein klar, dass in diesen Mehr-
belastungen besonders aber infolge des durch den
 
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