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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und ersten Arkadenpfeiler des Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0101
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sollte, den jetzt vorhandenen Gleichgewichtszustand,
der den Turmpfeiler entlastet, dafür aber die benach-
barten Pfeiler und besonders den ersten Schiffspfeiler

Abb. 16. Konsolartige Uebermauerung der Fundamente.

überlastet, beizubehalten. Ich halte das leztere aber für
äusserst bedenklich. Der Gleichgewichtszustand, wie
er wohl als vorhanden angenommen werden darf,
ist ein durchaus ungesunder. Es wird immer die
Gefahr vorhanden sein, dass derselbe durch irgend
eine, vielleicht an und für sich geringfügige Ein-
wirkung eine Verschiebung erfährt, wodurch die in
Betracht kommenden Kräfte wieder in den Turm-
pfeiler geführt werden könnten, was mit Naturnot-
wendigkeit zur Katastrophe führen müsste. Um
allen Eventualitäten vorzubeugen ist aus diesem
Grunde eine solide Einrüstung der auf den beiden
in Betracht kommenden Pfeilern aufruhenden Bögen
vorgenommen worden. Dieselbe würde gegebenen-
falls bei vorkommenden Bewegungen im Stande
sein, eine genügende Entlastung des Turm- und
Schiffspfeilers zu übernehmen.

Um einen für die Dauer befriedigenden ge-
sicherten Zustand zu erreichen, ist neben der Er-
neuerung des Schiffspfeilers eine derartige Ver-
stärkung des Turmpfeilers resp. dessen Fundamentes
erforderlich, dass derselbe befähigt ist, selbständig
die ihm durch die Konstruktion des Bauwerks über-
wiesene Belastung zu tragen und dadurch den
Schiffspfeiler von allen aus dem Turm kommenden
Drucken zu entlasten. Darüber hinaus wird nach Tun-
lichkeit eine weitere Entbindung dieses Pfeilers von
den ihm im Laufe der Jahrhunderte gegenüber den
anderen Schiffspfeilern gegebenen Mehrbelastungen
anzustreben sein. Grundsatz ist sodann, die Verstärk-
ungsarbeiten am Turmpfeiler vor der Erneuer-
ung des Schiffspfeilers vorzunehmen, den letzteren
aber durch Hülfskonstruktionen während der Dauer

dieser Arbeiten derart zu befestigen, dass eine
Veränderung des jetzigen Gleichgewichtszustandes
nicht] zu befürchten ist. Der Hauptarbeit muss
sodann selbstverständlich eine weitgehende Ab-
stützung der sämtlichen mit den beiden Pfeilern
in Verbindung stehenden Bögen und Gewölben
vorangehen.

Für die Verstärkung des Turmpfeilers sind
durch das Münsterbauamt drei verschiedene Vor-
projekte aufgestellt worden, durch welche die im
Prinzip in Betracht kommenden Möglichkeiten klar-
gelegt werden sollen.

I. Beibehaltung- des alten Fundamentkernes, Umsehliessen
desselben durch eine Eisenbetonkonstruktion und in
Verbindung damit Verbreiterung der Fundaments-
sohle.

Ein Vorteil dieser Bauweise wäre vor allem
ein verhältnissmässig einfaches und besonders auch
sicheres Arbeiten. Hinsichtlich einer wirklich zweck-
entsprechenden Druckverteilung dürften kaum Zweifel
bestehen. Unsicher ist nur ob auch für alle Dauer
der Zustand ein befriedigender bleiben würde.

Das Mauerwerk des Fundamentkernes ist in
schlechtem Zustand. Infolge der vielen Risse haben
sich jedenfalls auch im Innern desselben Hohlräume
gebildet, der Verband ist an vielen Stellen gelöst,
von einer absoluten Verbindung des alten Mauer-
werks mit der umscbliessenden Ummantelung kann
also nicht die Rede sein.

Die geringste weitere Zusammenpressung des
inneren Mauerwerks wird möglichenfalls eine Abgabe

Abb. 17.

Erdschicht zwischen romanischem und gotischem Fundament.

der Last auf die Ummantelung zur Folge haben,
sodass schliesslich nur die letztere die tragende
Konstruktion sein wird, während der Kern entlastet

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