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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 2): Das 6. und frühe 7. Jahrhundert — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.71526#0142
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trastiert (Taf. 87a). Die Darstellung der Ornamentfor-
men zwischen den Hochblättern ist eigenartig: Die Stelle der
Caules nehmen zwei übereinander angeordnete Drei-
ecksmuster (?) ein, die an Einzelformen der Apsiskapi-
telle von Arsin (Taf. 88a) erinnern, und neben den
Hochblättern überlagern sich drei Blätter, die so schematisch
wiedergegeben sind, daß der Eindruck entsteht, sie gin-
gen direkt in den Schnurbanddekor der „Girlande“ über.
Die geschichteten Blätter erinnern stark an das kleinfor-
matige Kapitell der Nordkirche von Deir Setä (Taf. 63a)
und das einzonige Kapitell der Kirche von Arsin
(Taf. 88d).
Die traditionelle Form der Girlande ist ganz aufgege-
ben: Als dickes Schnurband liegt sie den Hochblättern
auf und hebt sich kaum von dem S-förmig geschwunge-
nen Schlingband über ihr ab. Nach der Freilegung der
besser erhaltenen Seiten des Kapitells wird sich die Aus-
bildung der obersten Kapitellzone und der Caules klarer
abzeichnen.
Fassadengesimse. Die noch aufrecht stehenden Partien
der Nordwand und zwei Gesimsblöcke im Versturz vor
der Nordwand zeigen, daß sich das reich profilierte
Podium, das Horizontalgesims in Höhe der Fenstersohl-
bank und das fortlaufende, die Fensteröffnungen rah-
mende Gesims der Ostfassade (Taf. 85c) auf den anderen
Außenwänden fortsetzten. Damit steht fest, daß die Kir-
che zu den wenigen Bauten der Antiochene gehört, die
die beiden Hauptelemente der Fassadengliederung über-
nahm, die mit dem Zentrum von QaFat Simcän in das
Bergmassiv kamen.
Die fortlaufenden Fenstergesimse wurden in die Qua-
derflächen eingetieft und treten nur mit den geschwun-
genen Zwischenstücken aus ihnen hervor. Sie zeigen die-
selbe Profilfolge wie das Horizontalgesims: Auf die obere
Leiste folgen nach schräger Abkantung ein flaches cyma
recta und drei Faszien (Taf. 85c).
Osttür der Südfassade. Eine Tür mit umlaufendem
Rahmengesims und einem Gebälk, dessen schweres
Wulstprofil von den Profilen des Rahmens durch ein
kleines Rundprofil mit Blattranke getrennt wird
(Taf. 86a). Es blieb nur eine Hälfte des Türsturzes erhal-
ten und sie war - wie das Reliquiar des Martyrions - erst
kurze Zeit vor meinem Aufenthalt im Jahr 1989 freige-
legt worden. Das Gesims des auflagernden Rahmen-
blocks wurde mit dem Türgebälk in einem Stück gear-
beitet. Im Zentrum des auflagernden Rahmenblocks sitzt
ein Kreuzmedaillon, das bis ins Detail dem Frontmedaillon
auf einem der Säulenkapitelle entspricht (Taf. 86e). Wir
trafen es in vergleichbarer Form auf der SO-Tür der
Hauptkirche von Deir Setä an, und die Blattkelche in
den Keuzfeldern in einem der Ornamentfriese dieser Tür
(Taf. 13e). Leider fand sich kein Fragment der Seiten-
gewände, sodaß offen ist, ob das Blattgesteck auf dem
Außenprofil des Türrahmens sich nach unten hin fort-
setzte oder wie bei dem vergleichbaren Befund der

Nordtür von Kefr Kilä (Taf. 74b) auf die Profilfolge des
auflagernden Rahmenblocks beschränkt war.
Trotz des Befundes der Kapitelle mit „Kalathoszone“
überraschen die reich bewegten und plastisch bearbeite-
ten Formen der Blattranke in einer Kirche, in der glatt
ausgearbeitete Blattformen auf den Säulenkapitellen do-
minieren. Der Typus der Ranke auf dem Wulstprofil wie
auch die Blattkelche der Rankenzwickel sind den Ranken
der beiden Südtüren in Deir Setä nahe, doch wurden die
Rankenelemente nicht mit hochgewölbten Innenzacken,
sondern mit leicht gebuchteten Blattflächen gearbeitet.
Das zentrale Kreuzmedaillon im Rhombenkranz, den
wiederum ein Kranz aus Blättchen mit Negativrille um-
gibt, ist Medaillonformen der Kirchen von Deir Setä und
Turin vergleichbar (Taf. 16c).
Die kleine Blattranke entspricht im Typus der Ranke
der Apsisarchivolte in der Basilika von Qalblöze535, ist
jedoch weitergebildet und hat mit den an die Ranken-
stengel angesetzten Rankenelementen in den Ranken der
Klosterkirche von Deir Setä ihre engste Parallele
(Taf. 18a. b).
Gesamtbild der Baudekoration. Die hohe Aussagekraft der
Baudekoration dieser Kirche zeichnet sich klar ab, wenn
wir sie den Kirchen des 5. Jhs. in Behyo und Kalöta (492
n. Chr.) mit ihrem vergleichbaren Dekorationssystem ge-
genüberstellen536. Im Zentrum des Gesamtbildes steht
weiterhin das korinthische Kapitell mit glattem Akan-
thus. Doch mit den Neuerungen der Fassadendekoration
von QaFat Simcän, den im frühen 6. Jahrhundert neu
entwickelten Varianten des korinthischen Kapitells, der
neuen Blattform mit Rankenelementen sowie der Auf-
nahme bewußt plastisch wiedergegebener Rankenformen
in den Türdekor entstand ein ganz eigenes Gesamtbild,
das sich dennoch direkt mit dem der großen Kirchen des
6. Jahrhunderts in Deir Setä, Mecez und Banqüsä verglei-
chen läßt.
Bewußt wurde an der Hauptform lokaler Kapitellpla-
stik antiochenischer Kirchen des 5. Jhs. festgehalten.
Doch die Variationsbreite in den Gesamtformen und der
Ornamentik der Kapitelle führt entschieden über die
Bauten des 5. Jhs. hinaus und und strebt durch die Aus-
wahl einzelner Neuerungen des 6. Jhs. und ihre Kombi-
nation mit traditionellen Formen des glatten Akanthus
die Vielfalt und Variation des Kapitellbildes der Kirchen
an, die die Tradition der Zentrums von QaFat Simcän
und der Kirche von Aleppo in voller Breite weiterführ-
ten.
Die Säulenkapitelle mit ihren einmal betont volu-
minösen und ein andermal „normalen“ Blattformen, den
auf einem Kapitell zeichnerisch-abstrahierend und auf
535 Strube, Baudekoration Taf. 39 f.
536 a. 0.187 ff. 258 ff.

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