DIE KIRCHEN
16. März 1864
ast scheint es, dass Deine Freunde mich der Unehr-
erbietigkeit zeihen: wenn man in Rom ist, hat
man zu bewundern, und nicht zu bemerken, dass
die Bettler schmutzig sind, und dass an den
Strassenecken Kohlstrünke herumliegen. Meine
lieben Freunde, wie es Euch gefällt — ich werde
Euch übrigens noch öfter verletzen. Ihr mögt
immerzu sagen, dass ich in einer schlechten Jahres-
zeit hierhergegangen bin, dass ich Augenblickseindrücke
verzeichne, dass ich als profaner, blosser Neugieriger und
Geschichtsliebhaber spreche und dass ich weder mit dem
Meissel noch mit dem Pinsel und der Reissfeder umzu-
gehen verstehe. Alles das ist wahr, aber lasst doch jedes
Instrument den ihm eigenen Ton von sich geben und
fordert nicht die altbewährte, anerkannte, auf tausend
Orgeln gespielte Melodie zum höchsten Ruhme der Tradition.
So werde ich zum Beispiel niemals zugeben, dass die
Kirchen Roms christlich sind, und ich ärgere mich darüber,
denn das wird mir schaden. Wenn es einen Ort auf der
Welt gibt, an dem es nahe läge, Ergriffenheit, Zerknirschung,
Ehrfurcht und das grosse und schmerzvolle Gefühl der
Unendlichkeit und des Jenseits zu empfinden, so ist es
16. März 1864
ast scheint es, dass Deine Freunde mich der Unehr-
erbietigkeit zeihen: wenn man in Rom ist, hat
man zu bewundern, und nicht zu bemerken, dass
die Bettler schmutzig sind, und dass an den
Strassenecken Kohlstrünke herumliegen. Meine
lieben Freunde, wie es Euch gefällt — ich werde
Euch übrigens noch öfter verletzen. Ihr mögt
immerzu sagen, dass ich in einer schlechten Jahres-
zeit hierhergegangen bin, dass ich Augenblickseindrücke
verzeichne, dass ich als profaner, blosser Neugieriger und
Geschichtsliebhaber spreche und dass ich weder mit dem
Meissel noch mit dem Pinsel und der Reissfeder umzu-
gehen verstehe. Alles das ist wahr, aber lasst doch jedes
Instrument den ihm eigenen Ton von sich geben und
fordert nicht die altbewährte, anerkannte, auf tausend
Orgeln gespielte Melodie zum höchsten Ruhme der Tradition.
So werde ich zum Beispiel niemals zugeben, dass die
Kirchen Roms christlich sind, und ich ärgere mich darüber,
denn das wird mir schaden. Wenn es einen Ort auf der
Welt gibt, an dem es nahe läge, Ergriffenheit, Zerknirschung,
Ehrfurcht und das grosse und schmerzvolle Gefühl der
Unendlichkeit und des Jenseits zu empfinden, so ist es