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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 1) — Berlin: Grote, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.71997#0032

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14

Jugendwerke

erhalten: jener Desiderio'schen Komposition, die ursprünglich eine
Donatello'sche war — sie für den Ausgangspunkt zu halten, sind
wir durchaus berechtigt, da diese Komposition eine in vielen
Wiederholungen verbreitete und allgemein geschätzte war. Michel-
angelo hat sie sicher gekannt. Wie gezwungen wäre es nun an-
zunehmen, trotzdem die Madonna an der Treppe dasselbe Schema
bringt, sei sie völlig unabhängig von jenem älteren Werke entstanden
— sei das Schema nochmals frei von Michelangelo erfunden worden!
(Frey beachtet nicht die Wichtigkeit dieses Schemas, sondern hält
sich nur an Einzelheiten: Gewandung, Gebärden usw.) Nein,
sicher hat er es gekannt und benutzt, aber er hat es nun in
neuer Weise belebt und umgestaltet. Das Bürgerliche, Beschränkte
muss weichen: erhabene, geheimnissvolle Grösse tritt an seine Stelle.
Die für die Rahmenausfüllung berechnete gebeugte Haltung der
Mutter, das spielerische Motiv des Kindes verschwindet — die
Leere auszufüllen, die in Folge der geraden, durch antike An-
schauungen mit bedingten Haltung der Jungfrau entsteht, bringt
er die Treppe (auch dies ein Donatello'sches Motiv) und die
Kinder an.
Dieser so natürliche Vorgang, für den uns das Jugendschaffen
der Genies zahllose Analogien bietet, bedeutet doch nicht dies, dass
er jenes ältere Relief nachgebildet, sondern nur dass er seinen
Ausgangspunkt von ihm genommen hat. Freys Ausführungen
verfehlen ihren Zweck. Ob nun die Heseltine'sche Zeichnung von
Michelangelo ist oder nicht, das ändert an dem Verhältniss der
„Madonna an der Treppe" zu jenem älteren Relief nichts. Übrigens
halte ich auch nach der Kenntniss von Freys Darlegungen an der
Autorschaft Michelangelos fest. —
Die seltsame Meinung Holroyds, die „Madonna an der Treppe"
sei nicht von dem Meister, sondern in Nachahmung von dessen
späteren Werken entstanden, steht vereinzelt da.
VIII
Die Apollostatuette
Sie ist ein Geschenk W. Bodes an das Kaiser Friedrich-Museum.
Er erwarb sie von einem florentinischen Kunsthändler in Rom, der
sie beim Ausverkauf der Schätze aus den Magazinen der Villa
Borghese 1895 oder 1896 erbeutet, und erkannte in ihr eine Arbeit
Michelangelos. Ohne seine Meinung zu kennen, fällte ich kurz nach
ihrem Eintreffen in Berlin das gleiche Urtheil, das seine Bestätigung
durch den Bildhauer Adolf Hildebrand erhielt. Sie ist mit der
 
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