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Das Juliusdenkmal
man annimmt, Michelangelo habe sich 1519 mit diesen Figuren zu
beschäftigen begonnen, daneben aber vermuthlich damals und in
der Folgezeit auch noch mit anderen. Einige abozzirte Blöcke
und eine schon weit vorgeschrittene Statue, die 1544 Cosimo von
dem Meister kaufte und an Bandinelli für die Arbeiten im Dom
gab, werden solche begonnene Arbeiten für das Juliusdenkmal ge-
wesen sein. Vielleicht hat Justi Recht, wenn er glaubt, aus einem
solchen Block habe Bandinelli die Porträtfigur Cosimos auf der
Piazza di S. Lorenzo geschaffen.
Dass die vier Prigioni im Boboli für das Juliusdenkmal be-
stimmt waren, ergiebt sich, wie oben (S. 145. 1 54) nachgewiesen, aus
Zeichnungen — die Zugehörigkeit des Siegers zu dem Denkmal wird
von Vasari behauptet, und alle dagegen gemachten Einwände scheinen
mir nicht stichhaltig. Lionardo, mit dem Vasari den Nachlass
regelte, war doch sicher gut darüber unterrichtet.
Alle fünf Figuren nun verrathen, dass Michelangelo 1519 Ver-
änderungen mit seinen ursprünglichen Entwürfen für die Gestalten
des Untergeschosses vorgenommen hat. Nicht allein, dass die
Sklaven kolossalischer in den Verhältnissen, titanenhafter geworden
sind und in stärkeren krampfhafteren Bewegungen gekrümmt - —
dies würde sich aus der gesammten Entwicklung seiner Kunst er-
klären —, sie sind auch, durchschnittlich gerechnet, um etwa 20 bis
25 cm höher, als die Sklaven im Louvre (2,15 m). Offenbar also
nahm der Meister keine Rücksicht mehr auf die ursprünglich ge-
planten Hermenköpfe, die auch wunderlich genug über diesen Ge-
stalten gewirkt haben würden, sondern dachte sich die Figuren
unmittelbar als Träger des Gesimses. Darauf weist bei zwei Statuen
die Bewegung hin, aus der man irriger Weise darauf hat schliessen
wollen, sie seien als Atlanten für die Fassade von S. Lorenzo be-
stimmt gewesen (Heath Wilson). Die ursprüngliche Idee der ge-
fesselten Künste scheint sich in die Vorstellung elementarer Ge-
walten verwandelt zu haben.
Den Grössenverhältnissen nach, wie auch nach Geist und Be-
handlung (man vergleiche nur den Unterworfenen mit dem Sklaven
links hinten in der Grotte), entspricht der Sieger den Prigioni. In
den ersten Entwürfen von 1508 und 1513 sollten die Viktorien die
gleiche Höhe haben, wie die Sklaven. Der Sieger ist ohne Sockel
2,43 m hoch, die letzteren sind zwischen 2,38 und 2,48 m hoch.
Der Sieger war also für eine Nische zwischen zwei Gefesselten be-
stimmt. Er bezeichnet eine noch entscheidendere Wandlung in des
Meisters Gedanken und Vorstellungen: an Stelle der weiblichen
Siegesgestalten tritt die männliche. Die Zeichnung des Sieges-
dämons in der Casa Buonarroti bezeichnet offenbar eine andere
Version dieser Idee.
Das Juliusdenkmal
man annimmt, Michelangelo habe sich 1519 mit diesen Figuren zu
beschäftigen begonnen, daneben aber vermuthlich damals und in
der Folgezeit auch noch mit anderen. Einige abozzirte Blöcke
und eine schon weit vorgeschrittene Statue, die 1544 Cosimo von
dem Meister kaufte und an Bandinelli für die Arbeiten im Dom
gab, werden solche begonnene Arbeiten für das Juliusdenkmal ge-
wesen sein. Vielleicht hat Justi Recht, wenn er glaubt, aus einem
solchen Block habe Bandinelli die Porträtfigur Cosimos auf der
Piazza di S. Lorenzo geschaffen.
Dass die vier Prigioni im Boboli für das Juliusdenkmal be-
stimmt waren, ergiebt sich, wie oben (S. 145. 1 54) nachgewiesen, aus
Zeichnungen — die Zugehörigkeit des Siegers zu dem Denkmal wird
von Vasari behauptet, und alle dagegen gemachten Einwände scheinen
mir nicht stichhaltig. Lionardo, mit dem Vasari den Nachlass
regelte, war doch sicher gut darüber unterrichtet.
Alle fünf Figuren nun verrathen, dass Michelangelo 1519 Ver-
änderungen mit seinen ursprünglichen Entwürfen für die Gestalten
des Untergeschosses vorgenommen hat. Nicht allein, dass die
Sklaven kolossalischer in den Verhältnissen, titanenhafter geworden
sind und in stärkeren krampfhafteren Bewegungen gekrümmt - —
dies würde sich aus der gesammten Entwicklung seiner Kunst er-
klären —, sie sind auch, durchschnittlich gerechnet, um etwa 20 bis
25 cm höher, als die Sklaven im Louvre (2,15 m). Offenbar also
nahm der Meister keine Rücksicht mehr auf die ursprünglich ge-
planten Hermenköpfe, die auch wunderlich genug über diesen Ge-
stalten gewirkt haben würden, sondern dachte sich die Figuren
unmittelbar als Träger des Gesimses. Darauf weist bei zwei Statuen
die Bewegung hin, aus der man irriger Weise darauf hat schliessen
wollen, sie seien als Atlanten für die Fassade von S. Lorenzo be-
stimmt gewesen (Heath Wilson). Die ursprüngliche Idee der ge-
fesselten Künste scheint sich in die Vorstellung elementarer Ge-
walten verwandelt zu haben.
Den Grössenverhältnissen nach, wie auch nach Geist und Be-
handlung (man vergleiche nur den Unterworfenen mit dem Sklaven
links hinten in der Grotte), entspricht der Sieger den Prigioni. In
den ersten Entwürfen von 1508 und 1513 sollten die Viktorien die
gleiche Höhe haben, wie die Sklaven. Der Sieger ist ohne Sockel
2,43 m hoch, die letzteren sind zwischen 2,38 und 2,48 m hoch.
Der Sieger war also für eine Nische zwischen zwei Gefesselten be-
stimmt. Er bezeichnet eine noch entscheidendere Wandlung in des
Meisters Gedanken und Vorstellungen: an Stelle der weiblichen
Siegesgestalten tritt die männliche. Die Zeichnung des Sieges-
dämons in der Casa Buonarroti bezeichnet offenbar eine andere
Version dieser Idee.