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Das Juliusdenkmal
und voll von Sorgen. Sein Antlitz ist voll Leben und Geist und
dazu angethan, zugleich Liebe und Schrecken zu erwecken."
Im Folgenden stelle ich eine Anzahl der bemerkenswertheren
Meinungsäusserungen über die Statue zusammen.
Vasari: kein modernes Werk wird je an Schönheit dieses er-
reichen können, und von den antiken kann man das Gleiche sagen.
Das Antlitz ist das eines wahren, heiligen und Schrecken ein-
flössenden Fürsten: man hat, indem man es betrachtet, das Gefühl,
als wolle man sich den Schleier erbitten, um es zu verhüllen, ein
solcher Glanz und Leuchten geht von ihm aus. Abgesehen von
der bewundernswerth vollendeten Ausführung der Haare, die so
schwer vom Bildhauer zu gestalten sind, der Gewänder, der Arm-
muskeln, der Knochen und Nerven an den Händen und der Kniee,
ist die von Gott dem Antlitz verliehene Göttlichkeit so herrlich
wiedergegeben, „dass mehr denn je heute Moses der Freund Gottes
genannt werden kann, da Gott durch die Hände Michelangelos vor
allen Anderen seinen Leib für die Auferstehung hat wieder zu-
sammenfügen lassen. Und ich rathe den Juden auch fortan, wie
sie es jetzt thun, in Schaaren, wie die Staare, Männer und Frauen
jeden Sabbat die Statue aufzusuchen und anzubeten; denn, was sie
anbeten, ist nicht ein menschliches, sondern ein göttliches Werk."
Aldovrandi (Statue 1556, S. 291) meint, wie Vasari: der Moses
könne jedem antiken Werke an die Seite gestellt werden.
Dies Urtheil wurde in sein Gegentheil verkehrt in den Zeiten
des erneuten Kultus der Antike. Milizia in seiner „Arte di vedere
secondo i principi di Sulzer e di Mengs" steigerte sich bis zu Äusse-
rungen, die von Einsichtigen, wie dem Canonico Moreni, mit Em-
pörung als freche Schmähungen zurückgewiesen wurden (vgl. auch
Francesco Cancelliere: Lettera al canonico Dom. Moreni sopra la
statua di M. Florenz 1823). Er schreibt: Moses sitzt da wie Einer,
der zu Nichts Lust hat. Der Kopf, schneidet man ihm den Riesen-
bart, der noch den Räubers übertrifft, ab, ist ein Satyrkopf mit
Schweinshaaren. So wie er ist, ist er ein fürchterlicher Bluthund,
gekleidet wie ein Bäcker, schlecht hingesetzt, müssig. Charakterisirt
man so einen Gesetzgeber, der mit Gottvater auf Du und Du
steht!"
Von Ramdohr (III, 331) fasst seine, wie man sieht, beeinflusste
Kritik, folgendermaassen: „mit allen seinen Fehlern eins der besten
Werke, das die neuere Kunst hervorgebracht hat. Eine grosse
Kenntniss der Anatomie, Präzision der Zeichnung und schöne Be-
handlung des Marmors sind die Hauptverdienste dieser Figur. Aber
eben weil sie diese Verdienste hat, die den jungen Künstler und
Liebhaber leicht zu sehr anziehen könnten, muss ich die Fehler
um so genauer anzeigen. So ruhig die Stellung ist so hat sie
Das Juliusdenkmal
und voll von Sorgen. Sein Antlitz ist voll Leben und Geist und
dazu angethan, zugleich Liebe und Schrecken zu erwecken."
Im Folgenden stelle ich eine Anzahl der bemerkenswertheren
Meinungsäusserungen über die Statue zusammen.
Vasari: kein modernes Werk wird je an Schönheit dieses er-
reichen können, und von den antiken kann man das Gleiche sagen.
Das Antlitz ist das eines wahren, heiligen und Schrecken ein-
flössenden Fürsten: man hat, indem man es betrachtet, das Gefühl,
als wolle man sich den Schleier erbitten, um es zu verhüllen, ein
solcher Glanz und Leuchten geht von ihm aus. Abgesehen von
der bewundernswerth vollendeten Ausführung der Haare, die so
schwer vom Bildhauer zu gestalten sind, der Gewänder, der Arm-
muskeln, der Knochen und Nerven an den Händen und der Kniee,
ist die von Gott dem Antlitz verliehene Göttlichkeit so herrlich
wiedergegeben, „dass mehr denn je heute Moses der Freund Gottes
genannt werden kann, da Gott durch die Hände Michelangelos vor
allen Anderen seinen Leib für die Auferstehung hat wieder zu-
sammenfügen lassen. Und ich rathe den Juden auch fortan, wie
sie es jetzt thun, in Schaaren, wie die Staare, Männer und Frauen
jeden Sabbat die Statue aufzusuchen und anzubeten; denn, was sie
anbeten, ist nicht ein menschliches, sondern ein göttliches Werk."
Aldovrandi (Statue 1556, S. 291) meint, wie Vasari: der Moses
könne jedem antiken Werke an die Seite gestellt werden.
Dies Urtheil wurde in sein Gegentheil verkehrt in den Zeiten
des erneuten Kultus der Antike. Milizia in seiner „Arte di vedere
secondo i principi di Sulzer e di Mengs" steigerte sich bis zu Äusse-
rungen, die von Einsichtigen, wie dem Canonico Moreni, mit Em-
pörung als freche Schmähungen zurückgewiesen wurden (vgl. auch
Francesco Cancelliere: Lettera al canonico Dom. Moreni sopra la
statua di M. Florenz 1823). Er schreibt: Moses sitzt da wie Einer,
der zu Nichts Lust hat. Der Kopf, schneidet man ihm den Riesen-
bart, der noch den Räubers übertrifft, ab, ist ein Satyrkopf mit
Schweinshaaren. So wie er ist, ist er ein fürchterlicher Bluthund,
gekleidet wie ein Bäcker, schlecht hingesetzt, müssig. Charakterisirt
man so einen Gesetzgeber, der mit Gottvater auf Du und Du
steht!"
Von Ramdohr (III, 331) fasst seine, wie man sieht, beeinflusste
Kritik, folgendermaassen: „mit allen seinen Fehlern eins der besten
Werke, das die neuere Kunst hervorgebracht hat. Eine grosse
Kenntniss der Anatomie, Präzision der Zeichnung und schöne Be-
handlung des Marmors sind die Hauptverdienste dieser Figur. Aber
eben weil sie diese Verdienste hat, die den jungen Künstler und
Liebhaber leicht zu sehr anziehen könnten, muss ich die Fehler
um so genauer anzeigen. So ruhig die Stellung ist so hat sie