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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 1) — Berlin: Grote, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.71997#0215

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Deutungen und Auffassungen des Werkes

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doch etwas Gezwungenes, welches um so mehr beleidigt, weil sich
kein Grund dazu angeben lässt. Moses hält das Gewand mit einer
Anstrengung, als wenn er Zentnerlasten zu halten hätte, und die
Lage des Arms ist zu gestreckt. Er scheint beschäftigt und ist
doch müssig. Dies gegen den Gedanken im Ganzen. Der Kopf
hat nichts Edles, Nichts, das auf den Gedanken eines Gesetzgebers
und Führers seines Volkes zurückführen könnte. Die vielen kleinen
Parthieen, die durch die gar zu starke Andeutung der Muskeln ent-
stehen, kontrastiren mit der grossen Masse des Bartes, zum Nach-
theil des Charakters von Grösse, der in dem Kopfe liegen müsste.
Dieser Bart ist viel zu lang und gleicht in der Ausführung mehr
einem wollartigen Stoffe als wirklichen Haaren. Die Bekleidung
ist gleichfalls nicht passend. Die thrazischen Beinkleider gehören
nicht hierher (Cicognara meint, Moses habe in dieser Weise das
unbekannte Kostüm der Juden charakterisiren wollen). Auch hat
das Gewand viel zu gekünstelte Falten. Man sieht ihm an, dass
der Künstler es mit Vorbedacht so gelegt hat. Vielleicht ist es
dem Barte zuzuschreiben, dass einige Beobachter eine so auf-
fallende Ähnlichkeit mit einem Bocke in diesem Kopfe gefunden
haben."
Mit diesen Beobachtern meint Ramdohr äusser Milizia wohl
Männer, wie Azara und Falconnet. Dass es Andere auch in jener Zeit
gab, welche ihrer Bewunderung Ausdruck verliehen, ist zu bemerken.
Justi zitirt Coyer (Voyage d'Italie I, 268): Le Moise de Michel-Ange
a un caractere de tete qui decele le Legislateur, un air au-dessus
de l'inspiration, je ne sais quoi de divin, une majeste jusque dans
la barbe, qui flotte au gre du vent. Puisqu'il a plu aux hommes
de revetir la Divinite de la forme humaine, c'est ainsi qu'il faudrait
figurer le Pere eternel. Und Dupaty (Lettres sur l'ltalie p. 270):
Ce front auguste semble n'etre qu'un voile transparent, qui couvre
ä peine un esprit immense.
Blättert man die Bände der „Raccolta delle Accademie tenute per
le belle arti in Campidoglio" durch, so findet man das ganze XVIII
Jahrhundert hindurch dichterische Verherrlichung der Statue: Sonette
von Giovanbatista Zappi (1706), Filippo Antonia Aritosi (1725),
Giuseppe Forias de Lancastro (1773), Francesco Lorenzini (1786),
Antonio Balboni (1792) und Giuseppe Mattioli (1795). Ein Sonett
Vittorio Alfieris findet man in Dessen „Satire e poesie minori",
Florenz 1858.
Ich gebe hier nur Zappis Sonett wieder:
Chi e costui, ehe in si gran pietra scolto,
Siede Gigante, e le piü illustri, e conte
Opre dell'Arte avanza, e ha vive e pronte
Le labbra si, ehe le parole ascolto!
 
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