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Selbstbildnis, dem einzigen der Frühzeit (1 *),
das aber auch im Holzschnitt »Gefangen-
nahme Christi« (1509) schon am Rande auf-
tauchte (2). Die Ausmalungen der Schlösser
an Wänden und Holztäfelungen sind fast
alle verlorengegangen. Dagegen bringen die
WittenbergerAnfangsj ahre sogleichMeister-
werke Cranachscher Holzschnittkunst, in
Einzelblättern und Buchillustrationen wie
dem Wittenberger Heiligtumsbuch, dem
Führer durch die Reliquiensammlungen der
Schloßkirche. Bis hin zur Möglichkeit, den
Gästen festlicher Tage Erinnerungsblätter,
eine ersteBildberichterstattung,mitzugeben,
bewährt sich die mit der Druckerpresse ent-
standene neue und billige Kunstgattung des
Holzschnittes6, den er vom Bildnis und bibli-
schen Bild bis zum satirischen Kampf bild der
Reformation meisterlich beherrscht hat.

Selbstverständlich ist der Strom Cranach-
scher Kunst breiter, als daß ihn das Flußbett
kurfürstlicher Aufträge hätte fassen kömien.

Aufträge vonauswärts führen zuReisennach
Leipzig, Freiberg, Halle, Thüringen, ja im Auftrag Friedrichs des Weisen nach den Nieder-
landen, wo Kaiser Maximilian Hof hielt und Cranach sogleich als Künstler alle Türen geöffnet
sind. Das »Anstellungsverhältnis« Cranachs als Hofmaler entwickelte sich sehr bald zu persön-
licher Freundschaft mit der kurfürstlichen Familie, später besonders mit Johann Friedrich, wohl
nicht zuletzt deswegen, weil Cranach nicht nur der hochgeehrte Künstler, sondern zugleich
der charaktervolle und starke Vertreter des sich seiner Macht bewußten Bürgertums war, das
gelernt hatte, auf der politischen und menschlichen Ebene mit den Männern der fürstlichen
Obrigkeit zu verkehren, nicht nur auf den offiziellen Reichstagen. Auch diese Gabe der Len-
kung und Leitung, des Regierenkönnens war Cranach in die Wiege gelegt, und er hat sich
dieser Verpflichtung zeit seines Lebens nicht entzogen in den verschiedenen Perioden seiner
Ratsherren-, Stadtkämmerer- und Bürgermeistertätigkeit.

Vielleicht liegt in diesem Bewußtsein letzter Mitverantwortlichkeit für die Mitmenschen auch
ein menschlicher Grund für seinen künstlerischen Weg und seine Bereitschaft, neben den
Möglichkeiten ausgeprägt persönlicher, eigenwilliger Gestaltung auch in einer Formsprache
zu schaffen, die im lutherischen Sinne den Leuten aufs Maul gesehen hat und das innere An-
liegen vielen eindrücklich und verständlich machen will und kann. Dieses innere Anliegen
hieß damals für Cranach — und dies war die zweite Entscheidung in seinem Leben nach der
ersten, als Hofmaler zu Friedrich dem Weisen zu gehen—, Stellung zu beziehen im Kampf der

* Die Kursivziffern in Klammern weisen auf die Abbildungen hin
 
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