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die Wegzeichen, auf die der Täufer den Menschen weist. Unter diesem Herrn ist gut kämpfen,
da der Sieg schon errungen ist.18

Zusammen mit dieser ersten Bilderreihe will auch das Abendmahlsbild (36) gesehen sein. Gaben
die 4 Bilder die Antwort auf die Frage, was es um den Menschen sei, wie er sich verstehen
müsse und welchen Weg er zum Leben und zur Freiheit eines Christenmenschen gehen müsse,
so gibt das Predellabild die Antwort im Blick auf die Gegenwärtigkeit der Kirche und des
Altargeschehens: In der Mahlgemeinschaft mit Christus realisiert sich immer wieder die neue
Gemeinschaft, so wie damals das letzte Mahl zum bleibenden Zeichen dessen, zur Urzelle dieser
durch die Jahrtausende reichenden Gemeinschaft wurde.

Obwohl auf dieser Predella Cranachs Zeichen einst zu erkennen gewesen sein soll19, wird man
diese Abendmahlsdarstellung keineswegs zu den großen Werken des Meisters rechnen können.
Es zerfällt in zwei Gruppen, die kaum Beziehung zueinander haben: links der Augenblick der
Verratsansage an Judas (48) mit beteuernden Gesten des Petrus und eines anderen hinter Jesus
stehenden Jüngers — Johannes an Jesu Brust nach mittelalterlicher Darstellungsweise schla-
fend —, und auf der anderen Bildhälfte um die beherrschende Gestalt des weinbringenden
Mundschenken herum eng gruppiert die anderen Jünger, bei denen nur zwei Paare eventuell
im Gespräch auf die Worte Jesu Bezug nehmen. Immerhin sind einzelne Charakterköpfe
darunter, die z.B. auf anderen Bildern wiederkehren, so der des weißbärtigen Petrus, den
Cranach wie auch den des Johannes immer beibehält.

Auch der Mundschenk läßt seine Verwandtschaft mit dem von Wittenberg und eventuell dem
Dessauer erkennen, es wird also der jüngere Cranach sein sollen, den man traditionell schon
immer darin wiedererkennen wollte. Er wäre hier also noch nicht 24 Jahre alt gewesen.
Welche Möglichkeit Cranach später mit einem anderen Abendmahlsbild ausschöpfen konnte,
zeigt das Mittelbild des Wittenberger Altars. Hier in Schneeberg hat man den Eindruck, daß
es ein später aufgegebener Versuch ist, dem man aber realistische Lebendigkeit keineswegs
absprechen kann, wenn sie sich auch zu sehr auf das Geschehen um den Mundschenken
erstreckt, das fast die ganze rechte Bildhälfte beherrscht.

Zweiter Öffnungszustand

Wenn die mittleren Altarflügel geöffnet werden, so ergibt sich eine neue Bilderwand mit dem
großen Mittelbild der Kreuzigung (3g). Der linke Flügel mit der Gethsemanegeschichte (38)
und der rechte Flügel mit der Auferstehung Christi (4 0) ergänzen das Heilsgeschehen am Kreuz
mit dem Beginn der Passion und der Überwindung des Todes.20

Unter diesen drei entscheidenden Ereignissen des Christuslebens (gelitten, gekreuzigt, auf-
erstanden), die für den Glaubenden zu Ereignissen »für uns« werden, sind die fürstlichen
Stifter dargestellt: Johann Friedrich und Johann Ernst, sein i8jähriger Halbbruder, beide
kniend mit gefalteten Händen. Johann Friedrich entspricht ganz den anderen Bildnissen von
Cranachs Hand, die etwa in diese Zeit fallen: 1535 ehemals Bückeburg, Fürst Lippesche
Sammlung21; 1535 Hamburg, Kunsthalle22.

Die Kreuzigung nimmt die spätmittelalterliche Tradition der Massenszenen wieder auf, die

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