Die Zählkunst.
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absolut wilden Kunst, und mit dem System der Zahlwörter be-
schäftigt, welches der ganzen Menschheit bekannt ist, bei den
niedrigsten Stämmen nur mangelhaft ausgebildet erscheint und
innerhalb der Grenzen der Wildheit einen Grad der Entwicklung
erlangt, welchen die höchste Civilisation nur in Einzelheiten ver-
bessert hat. Diese beiden Rechenmethoden mit Geberden und
Wörtern erzählen uns die Geschichte der frühesten Arithmetik in
einer Weise, dass man sie schwerlich verdrehen oder missver-
stehen kann. Wir sehen den Wilden, der in Wörtern nur bis 2
oder 4 zählen kann, in stummer Zeichensprache fortfahren. Er
hat Wörter für Hände und Finger, Füsse und Zehen, und es fällt
ihm ein, dass die Wörter auch dazu dienen können, die Bedeutung
derselben zu bezeichnen, und so werden sie seine Numeralien.
Dies ist nicht einmal geschehen, sondern bei verschiedenen Rassen
in getrennten Gegenden; denn solche Ausdrücke wie „Hand“ für
5, „Hand-ein“ für 6, „Hände“ für 10, „zwei am Fuss“ für 12,
„Hände und Füsse“ oder „Mensch“ für 20, „zwei Menschen“ für
40 etc., zeigen eine Gleichförmigkeit, wie sie durch die Gemein-
samkeit des Princips, aber auch eine Mannichfaltigkeit, wie sie
durch die Selbständigkeit der Ausbildung bedingt wird. Dies sind
Thatsachen, welche in einer Entwicklungstheorie der Cultur Platz
und Erklärung finden, während jede Entartungstheorie vollständig
daran scheitert. Sie sprechen aufs Entschiedenste für Entwicklung
und zwar für selbständige Entwicklung bei wilden Stämmen, denen
einige Schriftsteller über Civilisation höchst übereilt jede Fähigkeit
der Selbstverbesserung abgesprochen haben. Der ursprüngliche
Sinn eines grossen Theiles des Zahlenschatzes der niedreren Rassen,
besonders derjenigen von 1 bis 4, welche nicht wohl als Hand-
numeralien benannt werden können, ist dunkel. Vielleicht ver-
danken sie ihren Namen der Vergleichung mit Gegenständen, in
einer Weise, wie wir es etwa an solchen Formen wie „zusammen“
für 2, „Wurf“ für 3, „Knoten“ für 4 sehen; aber jeder concrete
Sinn, den wir auch in ihnen vermuthen mögen, scheint gegenwärtig
durch Umwandlung und Verstümmelung unserer Erkenntniss ent-
schwunden zu sein.
Bedenken wir, wie gewöhnliche Wörter im Laufe der Zeit
alle Spuren ihrer ursprünglichen Bedeutung verändern und ver-
lieren, und dass dieses Zurticktreten der Bedeutung bei Numeralien
sogar wünschenswerth erscheint, damit dieselben ihre Aufgabe als
reine arithmetische Symbole vollkommen erfüllen können, so können
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absolut wilden Kunst, und mit dem System der Zahlwörter be-
schäftigt, welches der ganzen Menschheit bekannt ist, bei den
niedrigsten Stämmen nur mangelhaft ausgebildet erscheint und
innerhalb der Grenzen der Wildheit einen Grad der Entwicklung
erlangt, welchen die höchste Civilisation nur in Einzelheiten ver-
bessert hat. Diese beiden Rechenmethoden mit Geberden und
Wörtern erzählen uns die Geschichte der frühesten Arithmetik in
einer Weise, dass man sie schwerlich verdrehen oder missver-
stehen kann. Wir sehen den Wilden, der in Wörtern nur bis 2
oder 4 zählen kann, in stummer Zeichensprache fortfahren. Er
hat Wörter für Hände und Finger, Füsse und Zehen, und es fällt
ihm ein, dass die Wörter auch dazu dienen können, die Bedeutung
derselben zu bezeichnen, und so werden sie seine Numeralien.
Dies ist nicht einmal geschehen, sondern bei verschiedenen Rassen
in getrennten Gegenden; denn solche Ausdrücke wie „Hand“ für
5, „Hand-ein“ für 6, „Hände“ für 10, „zwei am Fuss“ für 12,
„Hände und Füsse“ oder „Mensch“ für 20, „zwei Menschen“ für
40 etc., zeigen eine Gleichförmigkeit, wie sie durch die Gemein-
samkeit des Princips, aber auch eine Mannichfaltigkeit, wie sie
durch die Selbständigkeit der Ausbildung bedingt wird. Dies sind
Thatsachen, welche in einer Entwicklungstheorie der Cultur Platz
und Erklärung finden, während jede Entartungstheorie vollständig
daran scheitert. Sie sprechen aufs Entschiedenste für Entwicklung
und zwar für selbständige Entwicklung bei wilden Stämmen, denen
einige Schriftsteller über Civilisation höchst übereilt jede Fähigkeit
der Selbstverbesserung abgesprochen haben. Der ursprüngliche
Sinn eines grossen Theiles des Zahlenschatzes der niedreren Rassen,
besonders derjenigen von 1 bis 4, welche nicht wohl als Hand-
numeralien benannt werden können, ist dunkel. Vielleicht ver-
danken sie ihren Namen der Vergleichung mit Gegenständen, in
einer Weise, wie wir es etwa an solchen Formen wie „zusammen“
für 2, „Wurf“ für 3, „Knoten“ für 4 sehen; aber jeder concrete
Sinn, den wir auch in ihnen vermuthen mögen, scheint gegenwärtig
durch Umwandlung und Verstümmelung unserer Erkenntniss ent-
schwunden zu sein.
Bedenken wir, wie gewöhnliche Wörter im Laufe der Zeit
alle Spuren ihrer ursprünglichen Bedeutung verändern und ver-
lieren, und dass dieses Zurticktreten der Bedeutung bei Numeralien
sogar wünschenswerth erscheint, damit dieselben ihre Aufgabe als
reine arithmetische Symbole vollkommen erfüllen können, so können