Meinungen
Opinions
Am 22. September 1965 hielt Reyner Ban harn
(London) den Einführungsvortrag zur dies-
jährigen ICSID-Generalversammlung in Wien.
Wir veröffentlichen eine unwesentlich gekürzte
Fassung dieser Rede.
Reyner Banham
Diener des Allgemeinwillens
Für und mit der Gemeinschaft
Es gibt keine Produktgestaltung, die nicht
Gestaltung für die Gemeinschaft, Gestaltung
mit der Gemeinschaft ist. Das Handwerk kann
individuell bestimmt sein, aber die Industrie
ist auf die Gemeinschaft ausgerichtet. Der
Produktgestalter setzt die Existenz einer
Fabrikgemeinschaft voraus, die seinen Entwurf
produziert; weiterhin eine Käufergemeinschaft,
die diesen Entwurf braucht; und eine
Gemeinschaft von Kommunalbetrieben, welche
die dazu notwendigen Energien liefert oder
die Straße baut, auf der schließlich der Entwurf
fahren soll.
Der Produktgestalter greift auch in das Leben
und die Arbeit anderer Gemeinschaften ein,
die ihm nicht einmal bekannt sein müssen;
der Entwurf eines neuen Stuhles kann der
Anlaß dafür sein, daß ein bestimmter Hartholz-
wald in Afrika gefällt wird und daß der
Energieverbrauch einer Schweißerei in Zagreb
oder Caracas zunimmt.
‘Gemeinschaft1, sentimental und sachlich
Es fällt mir zu, den Begriff ‘Gemeinschaft1
so allgemein zu fassen, daß er alle Nuancen
sprachlicher und politischer Art umfaßt. Lassen
Sie mich zunächst auf die emotive oder
sentimentale Bedeutung dieses Wortes ein-
gehen, die es zu einem nützlichen Namen für
einen Kongreß und die aus ‘Gemeinschaft1
ein Schlagwort oder einen Sammelruf für
Widermeinende aus allen Teilen der Welt
macht. Auf diese Bedeutung sprechen auch
gern weise Männer mit abgeklärtem Gebaren
an, ganz gleich, welcher politischen Meinung
sie anhängen. Die besondere Stärke der
emotiven Seite von ‘Gemeinschaft1 liegt darin,
daß es als Gegenstück zu 'Entfremdung'
verstanden wird; und Entfremdung gilt über
das ganze politische Spektrum hin als ein
übel Ding — sogar die USA, die offiziell den
vereinzelten, unabhängigen demokratischen
Wähler preisen, vergöttern ebenso die
formalen und informalen Organe der Gemein-
schaft sowie das verschwommene Gefühl
der Nichtentfremdung, die unter dem Namen
‘Beisammensein1 geht.
On September 22, 1965, Reyner Banham,
London, held the opening lecture at the 4th
General Assembly of ICSID in Vienna. We
publish here an abridged Version ofthis lecture.
Servants of the Public Will
For and with the Community
There is no industrial design that is not design
for the community, design with the community.
Handicraft may be personal and individual,
but industry is a communal activity. The
industrial designer assumes the existence of
the factory-community to produce his design,
apurchasing-community who need that design,
a service-community who will provide the
power to make it work, the road for it run on,
and so forth.
The industrial designer also involves the lives
and work of other communities that he does
not assume nor even know of — the design
of a new chair may increase the feliing of a
particular hard-wood tree in Africa, increase
the consumption of electricity by welding
plants in Zagreb or Caracas.
'Community1 — emotive and objective
It cleariy falls to me to try and suggest a
general sense of the word ‘community1 as it
applies to the deliberations of this Congress,
a sense which embraces all these differences
of linguistic and poiitical usage. First let me
deal with the emotive or sentimental sense
of the word, the sense that makes this a good
word to use in the name of a Congress, that
makes ‘community1 a Slogan or rallying cry
for dissidents and rebels all over the world.
It is a sense which also holds good for men
of mature wisdom and responsible outlook,
almost irrespective of their poiitical views. Its
strength lies in its being the accepted op-
posite or antonym of alienation, and aiienation
is accepted as being a bad thing by all poiitical
colours — even the USA, which officially
exalts the atomic, independent democratic
voter, also exalts formal and informal Organs
of community and the nebulous feeling of
not-being-alienated which goes under the
name of ’togetherness1.
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Opinions
Am 22. September 1965 hielt Reyner Ban harn
(London) den Einführungsvortrag zur dies-
jährigen ICSID-Generalversammlung in Wien.
Wir veröffentlichen eine unwesentlich gekürzte
Fassung dieser Rede.
Reyner Banham
Diener des Allgemeinwillens
Für und mit der Gemeinschaft
Es gibt keine Produktgestaltung, die nicht
Gestaltung für die Gemeinschaft, Gestaltung
mit der Gemeinschaft ist. Das Handwerk kann
individuell bestimmt sein, aber die Industrie
ist auf die Gemeinschaft ausgerichtet. Der
Produktgestalter setzt die Existenz einer
Fabrikgemeinschaft voraus, die seinen Entwurf
produziert; weiterhin eine Käufergemeinschaft,
die diesen Entwurf braucht; und eine
Gemeinschaft von Kommunalbetrieben, welche
die dazu notwendigen Energien liefert oder
die Straße baut, auf der schließlich der Entwurf
fahren soll.
Der Produktgestalter greift auch in das Leben
und die Arbeit anderer Gemeinschaften ein,
die ihm nicht einmal bekannt sein müssen;
der Entwurf eines neuen Stuhles kann der
Anlaß dafür sein, daß ein bestimmter Hartholz-
wald in Afrika gefällt wird und daß der
Energieverbrauch einer Schweißerei in Zagreb
oder Caracas zunimmt.
‘Gemeinschaft1, sentimental und sachlich
Es fällt mir zu, den Begriff ‘Gemeinschaft1
so allgemein zu fassen, daß er alle Nuancen
sprachlicher und politischer Art umfaßt. Lassen
Sie mich zunächst auf die emotive oder
sentimentale Bedeutung dieses Wortes ein-
gehen, die es zu einem nützlichen Namen für
einen Kongreß und die aus ‘Gemeinschaft1
ein Schlagwort oder einen Sammelruf für
Widermeinende aus allen Teilen der Welt
macht. Auf diese Bedeutung sprechen auch
gern weise Männer mit abgeklärtem Gebaren
an, ganz gleich, welcher politischen Meinung
sie anhängen. Die besondere Stärke der
emotiven Seite von ‘Gemeinschaft1 liegt darin,
daß es als Gegenstück zu 'Entfremdung'
verstanden wird; und Entfremdung gilt über
das ganze politische Spektrum hin als ein
übel Ding — sogar die USA, die offiziell den
vereinzelten, unabhängigen demokratischen
Wähler preisen, vergöttern ebenso die
formalen und informalen Organe der Gemein-
schaft sowie das verschwommene Gefühl
der Nichtentfremdung, die unter dem Namen
‘Beisammensein1 geht.
On September 22, 1965, Reyner Banham,
London, held the opening lecture at the 4th
General Assembly of ICSID in Vienna. We
publish here an abridged Version ofthis lecture.
Servants of the Public Will
For and with the Community
There is no industrial design that is not design
for the community, design with the community.
Handicraft may be personal and individual,
but industry is a communal activity. The
industrial designer assumes the existence of
the factory-community to produce his design,
apurchasing-community who need that design,
a service-community who will provide the
power to make it work, the road for it run on,
and so forth.
The industrial designer also involves the lives
and work of other communities that he does
not assume nor even know of — the design
of a new chair may increase the feliing of a
particular hard-wood tree in Africa, increase
the consumption of electricity by welding
plants in Zagreb or Caracas.
'Community1 — emotive and objective
It cleariy falls to me to try and suggest a
general sense of the word ‘community1 as it
applies to the deliberations of this Congress,
a sense which embraces all these differences
of linguistic and poiitical usage. First let me
deal with the emotive or sentimental sense
of the word, the sense that makes this a good
word to use in the name of a Congress, that
makes ‘community1 a Slogan or rallying cry
for dissidents and rebels all over the world.
It is a sense which also holds good for men
of mature wisdom and responsible outlook,
almost irrespective of their poiitical views. Its
strength lies in its being the accepted op-
posite or antonym of alienation, and aiienation
is accepted as being a bad thing by all poiitical
colours — even the USA, which officially
exalts the atomic, independent democratic
voter, also exalts formal and informal Organs
of community and the nebulous feeling of
not-being-alienated which goes under the
name of ’togetherness1.
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