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Am 26. Oktober 1965 hielt Tomäs Maldonado
auf dem Stahlkongreß in Luxemburg den
folgenden Vortrag, den wir im vollen Wortlaut
veröffentlichen.

Tomäs Maldonado

Die Aufgabe des Produktgestalters
in der Stahlindustrie


Das, was im angelsächsischen Sprachbereich
mit dem Ausdruck 'industrial design' bezeichnet
wird — ein Ausdruck, der heute als Angli-
zismus in fast sämtliche Sprachen über-
nommen wurde —, ist keine Tätigkeit, deren
Ziele bereits als selbstverständlich, d. h. als
ausreichend bekannt oder anerkannt
angesehen werden können. Jedem theoreti-
schen Streifzug in das Gebiet der Produkt-
gestaltung muß daher notwendig eine Bestim-
mung dessen vorausgehen, was diese Tätigkeit
ist oder sein will.
Diese Methode bietet, obwohl ihr eine gewisse
naive Strenge anhaftet, einige unbestreitbare
Vorteile. Der erste Vorteil besteht darin,
weitgehend die Gefahr von Mißverständnissen
auszuschalten. Der andere Vorteil, vielleicht
der größte, ist darin zu sehen, daß die Not-
wendigkeit einer Definition nun die Re-definition
oder — noch genauer gesagt — eine Revision
voraussetzt.

Im Falle der Produktgestaltung ist ein der-
artiges Vorgehen besonders an der Zeit.
Nichts ist nämlich gegenwärtig auf dem Gebiet
der Produktgestaltung dringender, als die ihr
seit 1930 als Grundlage dienenden Voraus-
setzungen zu prüfen. Hierzu gehört zum
Beispiel auch das Thema, das hier verhandelt
wird: ‘Die Aufgabe des Produktgestalters
in der Stahlindustrie'. Es kann nur dann mit
Erfolg untersucht werden, wenn man sich
gegenüber diesen Voraussetzungen kritisch
verhält. In einer sich ständig wandelnden Welt
muß auch die Produktgestaltung sich ständig
wandeln; nicht nur, um sich ihr anzupassen,
sondern auch — und vor allem —, um als
Faktor der Veränderung und Erneuerung
wirken zu können.

Diese Theorie von der Produktgestaltung als
eines sich ständig wandelnden und nicht
genau abgegrenzten Berufs zählt nicht viele
Anhänger. Man wirft ihr insbesondere ihren
Idealismus und ihre mangelnde Wirklichkeits-
nähe vor. Die Industrie — sagt man — kann
sich in vielen Aspekten geändert haben, nicht
aber im Wesen ihres Denkens und Handelns,
das seit 35 Jahren ihr wirtschaftliches Verhalten
prägt. Es wäre daher illusorisch, anzunehmen
— so argumentiert man weiter —, daß die
Grundlagen der Produktgestaltung, die ihrer

On October 26, 1965 Tomäs Maldonado gave
a lecture on occasion of the Steel Congress
in Luxembourg. IVe publish the unabridged
Version.

The Röle of the Industrial Designer
in the Steel Industry

What the English-speaking countries call
'industrial design' — an Anglicism which has
found its way into nearly every language —
is not a profession the aims of which we can
take for granted, i.e. sufficiently known or
recognized. For this reason, any theoretica!
disquisition on the subject must be preceded
by a definition of what industrial design is
and what it sets out to do.

Though somewhat unsophisticated in its
rigour, this method öfters a number of in-
contestable advantages. The first of these is
that it considerably lessens the risk of
misapprehensions. Another advantage, perhaps
the most important, is implicit, in that any
need for definition presupposes an oppor-
tunity for re-definition, or more precisely
for revision.
This is especially so in the case of industrial
design. In fact nothing is more important for
industrial design at the moment than that
the premisses on which it has been based
since 1930 should be subjected to discussion.
The subject, for example, on which I have
been invited to speak, ‘The Röle of the
Designer in the Steel Industry', cannot be
usefully discussed without to some extent
dissenting from these premisses. In a world of
perpetual change, industrial design must
also be perpetually changing, not only in Order
to keep pace with that world, but also, and
primarily, to function as a factor of change
and a factor of innovation.

This view of industrial design as a profession
in perpetual change, a dynamic, developing
profession, has not many supporters. It is
criticized above all as being starry-eyed and
insufficiently down to earth. Industry may have
changed in many ways, it is argued, but not
as regards the patterns of thought and action
which have conditioned its economic behav-
iour for the last thirty-five years. For this
reason it would be absurd, the argument goes
on, to suppose that the basic premisses of
industrial design, springing from and work-

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