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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Leipziger Tageblatt und Anzeiger — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17427#0008

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4450

seineUntcrfli'chuiiglelkit. Manwirddabeiunwillkürlichanden Dnsspruch
Btsmarü's über die politische Einsicht des Landpastors erinnert. Liest
man diese Epistel, so findet man, daß es der evangelischen Kirche an
Stoff nicht sehlt, an Stelle des jetzt in etwas kalt gestellten nltra-
montanen Hetzcaplan nach Bedürfniß Ersatz zn bieten." Wis der
hier erwähnte „Ersatz" schon an der Arbeit ist, lassen die aus den
verschisdenen Landestheilen eintreffeuden Zustimmungsadressen zum
Antrag Hammerstein klar erkennen, nnd je mehr die Bewegung
wächst, desto deutlicher siebt man, wie unglücklich der Zeitpunct sür
dieselbe gewählt wurde. Nnter nicht unbedenklicheu Opfern versucht
die preußische Regierung mit der kathalischen Kirche einen dauernden
Frieden zn schließen, sast ist es ihr gelungen, über die Köpfe der
radicalen Hetzer hinweg, einen moäus vivsnäi zu ermöglichen, da hebt
in der evangelischen Kirche eine Bewegung an, welche nur geeignet
ist, dem Staate neue Schwierigkeiten zu bereiten und srisches Waffer
aus die Müble seiner Gegner zn liefern. Jm ultramontanen Lager
ist man auf das Eisrigsts beniüht, eine sriedfertige Stimmung in
der katholischen Bevölkeruug nicht Platz grrifen zu lassen, man sühlt,
wie' dadurch die Waffen, mit denen man noch weitere Siege zu
erkämpfen hosfr, abgestumpst werden, und darum ergreift man auch
den geringsten Anlaß, um die kricgerische Stimmung wach zu balten.
Wie sollte man nun cine so köstliche Gelegenheit. wie den Antrag
Hammerstein, ungenützt vorübergchen lasscn? Ein neuer Cultur-
kampf auf protestantischem Gebiete kanu ja nur weitere Vor-
theile bringen — und so werden unsere protestantischen
Rechtgläubigen wahrscheinlich zum zweiten Male die Geschäfte der
Gesellschast Jesu besorgen. Herr Stöcker und seiu „Reichöbote"
sind der Milwirkung des Centrums gewiß, denn der Abg. Windt-
horst erklärte in der Sitzung des Abgeordnetenhauscs vom 26. Juni
d. I. seine Bereitwilligkeit mit folgenden Worten: „Jm Uebrigen
bedauere ich, daß uicht die erforderliche Zeit geblieben ist, den An-
trag Hammerstein zu erörtern; ich würde dann in der Lage gewesen
sein, zu sageu, aus welchen Gründen, in welchem Maße und unter
welchen Rel'erven wir demselben beitreten." Aus vorstehendcr
Erklärung schöpst der „Reichsbote" die Gewißheit, daß das
Centrum sür den Antrag Hammersteiu mit der in ihm
enthaltencn Dotationssorderung stimmen werde. Wir
sind begierig, gerade an dieser Forderung das Maß und die
Reserve des Abg. Windthorst in genauerem Umfange kennen
zu lernen und glauben, daß dasselbe je uach der Giüße der zu be-
willigenden Gegcnleistung einen äußerst veränderlichen Charakter
besitzen wird. Jn Betreff solcher Gegenleistung eriunert die „Post"
an das Gerücht, daß die Herren Windthorst und Genossen dem-
nächst mit einem Antrag aus Wiederzulassung der Orden,
einschließlich des Jesuitenordens, hervortreten würden und
möglichcrweise werde dabei auf die Unterstützung der Freunde des Antrags
Hammersteiu gercchnet, wenn dasur dasCcntrum sich dereu Bestrebungen
g-genüber unlerstützungswillig zeigte. Die „Germania" nennt dies
einen Ritt in das alte romantiiche Land, bemerkt aber dazu:
„Jmmerhin kann man der „Post" wieder zur Realpolitik zurück-
helfsn und einen solchen Antrag einbringen, wenn eine Jnitiative in
Lieser Richiung vielleicht anderswo in unserem Staatswesen geschcut
wird!" Hiernach läßt sich also ungesähr abl'chätzen, was die ultra-
montane Unteriiützung des Antrags Hammerstein koflet, einer feinen
Jronie würde jedoch das geschichtlichc Factum nichi entbehren, wenn
Lie Jesuiten an der Hand protestantischer Gkistlichen nach Deutsch-
laud zurückkehrten. _

AllSMg

Ü»S dem Protokolle «ber dic Plenarsttzung des RatycS
vom 24. Juli 1886.*)

Die Stadtverordneten habcn zugestimmt:

1) dcr Anstellung eines Jngenieurs sür die Stadtwasserkunst,

2) dem Neubau eines Forsthauses sür das Burgauer Revier,

L) der Erhebung von süns Simpleu für den II. städtischen Ein-
kommensteuertermin,

4) dem Baue der IX. Bezirksschule,

5) der Ausstellung von Gasösen iu der Gewerbeschule uud der
HSHereu Schule sür Mädchen.

Zu 1 ist Vsrordnung zu erlassen und wegen der Anstellung des
Äeamten die Sache der Deputation vorzulegen, zu 2 weiterer Antrag
der Deputatiou abzuwarten, zu 3 der Steuerverwaltung Mitthcilung
zu machen, sowie den Stadtverordneten wegen einer Bemerkung be>
züglich der Bonification aus der Grundsteuer eine Klarstellung zu
geben, zu 4 und S die Sache auszusühreu.

Dieielben haben serner der Vorlage betreffS der Uebertragbarkeit
der Ausgaben Pos. 16—52 ordentlich im Conto 31 „Gebäude in
der Stadt", sowie aunoch einzelnen Positioncn dicses Contos zu-
gestimmt, bei zwei Abstrichen jedoch beharrt. Man saßt hierbei sowie
bei einem Abstriche in eiuer Position des Specialbudgets„Nicolaischule"
Beruhigung. Das Bauamt ist anzuweisen.

Eine Anfrage der Stadtverordneten betreffs der Graniteinfassungen
«m die Baumanpflanzungen an dcr Zeitzer Straße verweist man an
deu Herrn Deccrnenlen.

Man verwilligt hieraus vorbehältlich der Zustimmung der Stadt-
verordneten 21,560 für den Bau eines Pferdestalles aus dcm
Rittergute Stötteritz, ferner 7000 für die Ausschmückung der
Capelle auf dem neuen Johannissciedhofe, vergiebt sodann einige
akadcmische Stipendicn, beschäftigt sich wciter niit einer Vorlage be-
treffs des Abtriebes eines Tdeiles des Dölitzer Holzes behuss der
Nutzbarmachung des dortigeu Lehmlagers zu Ziegeleizwccken und der
späteren Wiederaufforstung des betreffenden Areals, setzt jedoch die
Entschließung hicrübec uoch aus, und beschließt weiter, eine Vorlage
über den Bau der südlicheu Vorfluthschleuße zunächst noch den Herren
Medicinalrath Or. Sicgel und Prof. Or. Hofmann vorzulegen.

Nach Erledigung einer Stellenbesetzung macht man sich noch über
die Anlegung von Baarbeständen der Sparcasse schlüssig und vergiebt
eudlich uoch die Lieferung der Stein- unü Braunkohlen für die
höhrren Schulcn. _

Vom 28. Juli 1886.**)

Nach Kenntnißnahme von einer Eiuladung des MilitairvereinS
„JSger und Schützen" zu der am 8. und 9. August stattfindenden Zu<
sammenkunft ehemaliger Jäger und Schützen der deutschen Armee
kommt ein Schreiben des Herrn Professor Rudolf Hirzel zum Vor-
trag, mittelst dessen derselbe sür das Museum ein Oelgemälde von
Angelica Kausmann als Geschenk anbietet. Man uimmt dasselbe mit
Dank an.

Bezüglich des Verkaufs deS nach Abbruch des GrundstückeS des
Herrn Goldarbeiter Kapser im Thomasgäßchen verbleibenden Arcals
an Herrn Kayser tritt mau auf Grund vorheriger Berhandlung mit
letzterem dcm Gutachten der betreffenden Deputationen bei und ist
hierüber mit den Stadtverordneten zu communiciren.

Man vergiebt daraus die Schieserdeckerarbeiten sür den Neubau
deS Conservatoriums und den Abputz der Stockhaussront, lehnt weitcr
:in Gesuch des Herrn Ziegeleibesitzer Sperling in Taucha um Ueber-
lassung von der Stadt gehörigem Areale in Grasdorf bchufs der
Ausschachtung zu Ziegeleizwecken ab und genehmigt eine Anzahl
Stiftungsreckinungcn. welche nach achttägigem Ausliegen den Stadt-
verordneten mitzutheilen sind.

Von den Stadtverordneten war eine verminderte Dotirung dcs
Reservefonds der Sparcasse angeregt worden und hat die Deputation
mit dieser Frage sich beschäftigt. Dem Antrage der Deputation ent-
spreckiend bejchließt man, den Fonds, dessen Bestand am 1. Januar l. I.
auf 2,108,858.69 sich belief, als solcheu mit Ende laufenden
Jähres zu schlicßen und dessen Vermehrung in Zukunft nur durch
cme jährliche Zins aus Zins Verzinsung von 3 Proc. zu bewirken.
Hierbei wird ein Zusatzantrag angcnommen, wonach, salls bei der
beschlossenen Minderung des Fonds derselbe untcr 10 Proc. von
3 Millionen Mark und von 5 Proc. von dem über diese Summe
hinausgehenden Betrage der Sparcasseneinlagen sinken sollte, dem
Fonds so viel und so lange Mittel zugeführt wcrden solleu, bis der
erwähute Mindestbctrag ersüllt ist.

*) Eingegangen bei der Nedaction am 29. Juli.
**) Eivgegangen bei der Redaction am 31. Jnli,

Neues Theater.

Leipzig, 5. Augusi. Das Auftreten zweier Mste. des
Fräul. Amanda Lindner vom herzoglich Meiningenschen
Hostheater und des Herrn Possanskh vom Thaliätheater
in New-L)ork gab uns Gelegenheit, nach langer Zeit wieder
einmal eiuer Aussührung der Schiller'schcn „Räuber" bei-
zuwohnen. Wenige Zuschauer mögen gewußt baben, daß
gerave an den 4. August sür die Geschichte des Stückes eine
bemerkenswerths Erinnerung stch knüpft. An diesem Tage
erhielt der damalige württenibergische Regimentsmediciis
Schiller zu Stuttgart vom Manheimer Jntendanten. Frei-
herrn von Dalberg, Lie Ausforderung, das eingereichte Schau-
spiel umzuarbeiten. Der zweiundzwanzigjährige Dichter unter-
zog sich widerwillig unv nickt ohne innern Kampf dieser
Arbsit, und im October (178l) war die Umarbeitung soweit
gediehen, daß sis dem Drucke übergeben werdcn konnte. Dicse
Bsarbeitung bildete dann die berühw.te crste Ausgabe der
„Räuber" (Leipzig und Franksurt 1781). Lie jetzt höchst selten
noch gssunden wirL und von Bücherliebhabern so geschätzt ist.

Erst die zweite Ausgabe (Leipzig und Frankfurt 1782) zeigte
die bekannte Vignette mit dem aussteigenden Lo'wen und der
Devise „lu tz'rauuos".

Nacki mehr als einem Jahrhundert, innerhalb welchem
unser ästhetischer Geschmack die mannigfaltigsten WandluiiKe»''
durchgemacht hat, wirkt diese Jugcndarbeit unseres DichterS
immer noch mit dcr ganzen elementaren Gewahl der nr-
sprünglichen Natur aus uns ein und nur PhilijMseelen
können über einige allerdings höchst geschmacklose Excsntrici-
tätcn darin den wunverbar genialen Zug derselben verkeiinen.
Jch vcrzeihe den Wortsührern unserer neüesten literarischen
R-sormpartei, dem sog. „Jüngsten Deutschland", alle prahle-
rische Großmannssucht und Selbstreclame, aber ich werde an
die Bsrechtigung ihrer litcrarischen „Nevolution" erst dann
glanben, wenn aus ihrer Mitte ein Werk hervorgegangcn
sein wird, das auch nur entfernt an die gigantische Kräft der
Schillcr'schen „Räuber" crinnert. Zch fnr'chte aber, daß wir
noch lange auf ein solches werden warten niüffeii, La diesem
„Jüngstcn Deutschland" die ersten Bedingungen hierzu
fehlen: die beflügelnde Kraft einer leidenschaftlichen Freiheits-
liebe. Die Sturm- und Drangperiode vor hundert Jahrcn war
von dem sehnsuchtsvollen Naturevangelium Rouffean's durch-
zogen: dieses sührte in seiner weiteren Consequenz zum Umsturz
der morsch gewordenen Wirklichkeit im Staate wie in der
Knnst. Unsere heutigen literarischen Nevolutionaire stützen
sirch auch auf die Autorität eines Franzosen, Emile Zola's.
Aber waS kann die mikroskopische Photograpbie der Wirklich-
keit, wie sie der NaturaliSmus anstrebt,'Großes crreichcn?

Die gestrige Aufführung der „Näubcr" darf ais eine be-
sriedigends bezeichnet werden. Wir haben allerdings schon
eiuen bessercn Karl Moor gesehen als den des Herrn Possansky:
aber der junge Künstler, der cin gewinneudes Aeußere unv
eine gute Haltung bat, scheint noch eiilwickelungsfähig, be-
souders nach der Seite einer mehr geistigen Durchdringung
seiner Rolle, zu sein. Auch Frl. Lindner, die den kühneii
Sprung vom Ballet in die Tragödie gethan hat, zeigt noch
vielfach die unzweifelhaften Zeichen der noch nicht gan'z über-
wuudenen Anfängerschast. Aber sie gehört eincr so vortreff-
licben Bühne an, aus deren erziehenden Schnle schon fo manche
treffliche Künstler hervorgegangcn sind, daß wir über die
weitere Fortenlwickelung der jungen Dame nicht im Geringsten
besorgt sind.

Die Leistungen unserer hermischen Mitglieder sind von
frnher her bekannt. Die Herren Vische'r (Graf Moor),
Borcherdt (Franz Moor), Door (Noller), Hosmann
(Kosinsky) rc. sind schon vielfach nach Verdienst gewürdigt
worden.

Doch wollen wir nicht unterlassen, auf einige Jncorrcct-
hcitcn im Zusammenspiel ausmerksam zu macheii. So z. B-
in der 2. Scene des 1. Ackes, wo Karl wahrend des Lesens
dcs Briefes Zsichen der Wuth und Verzweiflung von sich
giebt; hier hat Grimm zu sagen: „Was hat er? Was that
er? Er ist bleich wie vie Leiche". Der betreffende Schau-
spielcr, den wir absichtlich nicht nennen, hatte aber offenbar
große Eile, da er diese Worte ausrief, bevor noch Karl ver-
zweiflungsvoll davonstürzt. Aehnliche Verstöße unv Ueber«
eilungen hatten wir gestern leider vielsach zu bemerken.

__ Moritz Brasch.

Musik.

* Die Nr. 14 der von E. Schloemp redigirten „Leipziger
Musik-und Kunst-Zeitung", welche als 1. Fcstnummcr bci
den diesjährigen Bühnenfestspielen in Bayreulh vertheilt worden ist,
ist sehr reichhaltigen und inlercssantea Jnhalts. Sie wird durch ein
sinniges Festgedicht „Die Bayreuther Festspiele im Sommer 1886",
das mit einem sehr gelungcnen Portrait des Meisters
R. Wagner gezicrt ist, eingeleitet, dem sich mit innigen
Worten ein Festgruß an alle Festspielbesucher anreiht. Hieran
schließt sich die 4. Fortsetzung der so beifällig ausgenoinmenen
R. Wagner's Heldengestalten von Hans von Woljvgen, welche
die Charakteristik dcs „Tristan" behaudelt und mit eineni
äußerst zutreffenden Costum-Portrait Heinr. Vogl als Tristan
geschmückt ist. Es folgt sodann der Schluß des Berichts über die
23. Tonkünstlerversammlung von I. Lochner. An diejelben reihen
sich zwei sehr interessante Artikcl „Mit R. Wagner in Stresa und
auf dem Rigi" von Max Trausil und „Aus dem Emser Kurleben".
Der sernere Jnhalt bestehr in einer Originalcorrespondenz „Aus
der Festspielstadt" und „Aus den Theateru". Notizen und Berichte.
Die neueste heute erschienene Nr. 15 desselben Blattes enthält
bereits ein sehr gutes Portrait und einen Nachruf Liszl's; Berichte
aus Bahreuth. Berliner Kunstausstellung. Leipziger Theater rc.
Die „Leipziger Mnsik- und Kunstzeitung" kvnuen wir alleu kuust-
sinnigen uud musikalischen Freunden empsehlcn.

—x. Eutritzsch, 5. August. Kommenden Sountag, den 8. August,
begeht der bereits gegen zwer Jahrzehnte in unsercm Octe bestehende
„Männergesangverein" seine Fahnenweihe in sestlicher
Weise. An der Feier wird nicht allein die gesammte Bewohner-
schast unseres Ortes Antheil nehmen, auch aus Leipzig und aus
deu benachbarten Ortschaslen werden zahlreiche Gäste erwartet.

si Teplitz, 4. August. Gründungssest der Liedertafel.
Täglich langen neue Anmeldungen fremder Gesangvereine zur Be-
theiligung an dem in den Tagen vom 28.—30. d. M. stattfindenden
Sängerfeste beim Festausschusse ein. Derzeit hat die Zahl der An.
gemeldcten 1000 nahezu erreicht, doch ist diese noch keincswegs zum
Äbschlusse gebracht. Der Fcemdcnzufluß wird iu diesen Tagen ein
überaus großer sein. Wie wir vernehmen, wcrden mehrseitig, unter
Anderm auch vou Zittau in Sachsen, Exirazüge uach Teplitz arrangirt.
Seitens des Fcst - Ausschusscs werden bereits die nöthigen
Vorbereitungen zur gastlichen Unterbringung der erwarteten Festgäste
getroffen. NachLem zu dem Termine, an welchem das Fest statt-
ffndet, die Cursaison bereits zu Ende geht, wird eine erhebliche An-
zahl vo» Quartieren srei werden, welchs von den hicsigen Haus-
besitzern dem Festausschusse bcreitwilligst zur Versügung gestellt
werden. Für die Abhaltung des Festconcerles ist bekanntlich unser
geräumiges Stadttheater bestimmt worden; daselbst wird auch sür
die ungewöhnlich zahlreiche Säugerschaar hiiilänglich Raum sein, so
daß das Concert vhne Zweifel einen impojantcu Ecfolg habcn wird.

L. Brüssek, 4. August. Peter Venoit, der gefeierte
vlämische Meister, hat ein neues Wcrk in Arbeit, welches den Titel
,,ckuiebtmstous"(Jubeltmituns)sührenwirdund dessen Text aus der
Fedcr Emman. Hiel's stammt. Wie der Titel andcutet, handelt
es sich um ein Festspiel, und in der That soll das Werk bei der
Uebergabe der Büste ausgesührt werden, welche die vlämische Partei
dem Bürgermeister Bnls überreichen wird. Für die Begleitung
der Gesangspartien hat der Componist cine Besetzung geschriebcn,
die eine sonderbare Wirkung hervorrufen dürste; sie besteht aus
2 Flöten, 2 Oboen, 1 Harse, einem Harmonium, einer thebanischen
Trompste, einem doppelten Glockenspiel. einer Militartrommel und
einer großen Glocke. Das Orchester wird hinter der Scene placirt
und die Ouverture bei geschlossenem Vorhang ausgeführt werden;
die bciden gemischten Chöre sollen nach dem Klange des Patrioten-
marschcs die Bühne betreten. Es sind 2 Soli vorbanden, das eine
für Alt mit Frauenquartett und Harfe, das andere sür Baryton mit
Harmouium. Die erste Ausführung joll in den letzten Tagen des
Augnst im vlämijchen Stadttheater stattfinden.

Am 21. Juli begann inMilwaukee, Wisc., das 24. SLnger-
fest des nordamerikanischen Sängerbundes, zu welchem großartige
Vorbereitungen getroffcn waren. Dem am Mittwoch Abend im
AusstellüngSgebSude abgehaltenen Empsangsconcerte wohnten circa
12,000 Personen bci, darunter Musikdirector Mohr ous Berlin und
andere ansländische Gäste, sowie der Gouverneur von Wisconsin nnd
andere hervorragcnde Persönlichkeiten aus allen Theilen des Üandes.
An dem Empfangsconccrte betheiligten sich als Solisten die berühmten
Sängerinnen Marianne Brandt und Lilli Lehmann, sowie die
Sänger Josoph Staudigl und Joscph v. Witt. Den Glanzpunct des
Sängerfestes bildete dic Aufführung der Brambach'schen PrciScantate
„Columbus". Bei den Concerten wirkten circa 2500 Mitgliedcr
verschiedener Gesangvereine nnd solgende Solisten mit: Die Damen
Marianne Brandt, Lilli Lehmann und Carrie Goldsticker, sowie die
Herren Rafael Jojesiy, Josevh Staudigl, Joseph v. Witt, A. Paulet,
Max Heinrich und Joseph Benedict. Unter den bei der Sängersest-
behörde eingetroffenen zahlreichcn telegraphischen Grüßen und Glück-
wünschen zum Feste befanden sich folgende: Aus Köln: „Dem Fest-
ansschnß und allen Sängern bietet deutschen Gruß, sowie herzlichen
Glückwunsch zum Bundesfest der Kölner Männergesangverein". Äus
Wien: „Dank und Preis Euch, daß Jhr dem deutschen Liede im
fernsn Westen cine so herrliche Heimstätte bereitet. Hoch die Sänger-
brüder und Festgäste. Wiener Männergesangverein."

Berichtignng. Jn dem gestrigen Arlikel „Liszt's Beerdigung"
muß es nn der betr. Stelle richtig heißen: „alle Geschäste in den
S s-sMM' durch die dcr Zug ging" rc.; die gesperrt gedruckten
W>W töaren aus Bersehen ausgelassen worden.

Das Zubiliiuni in Heidelberg.

^ Wir vcrzeichnen nachstehend die weiter vorliegendcn
Festberichte übcr die Znbelfeier in Heivelberg:

* Heidelberg, 4. August. (Ausfülirliche Meldung.) Jn den
beiden Sälen der Museums-Gesellschaft sand Nachmittags
das große, von der Regierung veranstaltete Festmahl statt. Jn
der Mitte der Quertasel an der Slirnseite des großen Saales
saß Se. kaiserl. und königl. Hoheit der Kronprinz, rechts von
demselben nahmen der Prinz Karl von Baden, Prof. Kuuo
Fischer und der StaatSminister von Goßler, links der Prinz Lud-
wig und Prof, Mommsen Platz. Gegenüber Sr. kaiserl. und königl.
Hoheit dem Kronprinzen saß der Großherzog, welchem zur
Rechten dcr Cultusminister Nokk und die Profefforen Bunscn, Gneist
und v. Helmholtz, znr Linken dcr Prorector Prof. Bekker, dcr
Staatsminister Turban und Pros. Eduard Zeller Platz nahmen.
350 Personen waren anwesend, darunter neben den Delegirten und
Ehrengästen die Spitzen der badischen Civil- nnd Militairbehörden,
dic obersten Hofchargen, sowie der Präsident des Reichstages,
v. Wedell-Piesdorf. Nach dem sechsten Gange brachte der Groß-
herzog auf Se. Majestät den Kaiser den bereits gemeldeten Toast
aus, der mit großer Bcgeisterung aufgenommen wurde. Bald
daraus erhob sich Se. kaiserl. und künigl. Hoheit der Kron-
prinz zu dem von der Versammlnng begeistert aufgcnommenen
Hoch aus den Großherzog. Nach einem von dem Präsi-
denten der Erstcn Kammer, Grafen Berlichingen, auf Jhre
königl. Hoheit die Frau Großherzogin ausgebrachtcn Trinkspruch
toastete der Großherzog, wie bereits gemeldet, auf die Universität.
Der von dem Prorector, Prof. Bekker, aus Se. k. und k. Hoheit
den Kroiiprinjen ausgebrachte Toast wurde von der Versammlung
mit stürmischer Begeisterung ausgenommen. Nach cinem von dem
Cultusminister Nokk auf die Güste ausgebrachtcn Toast sprach Pros.
v. Helmholtz mit warmcn Worten zu Ehren HeidelbergS. Um 6'/.
Uhr Abends wurde die Tafel aufgehoben.

* Heidelberg, 4. Juli. Se. k. u. k. Hoheit der Kron-
prinz brachte bei dem Fcstmahl imMuseum fvlgenden (bereits
telegraphisch erwähnten) Toast aus:

„Jch befinde mich in einer gewiffen Befangenheit, wenn ich mich
hier an Sie wende. Wo die innigsten Bande zwci Freunde ver-
binden, ist es schwer, den Gesühlen Ausdrnck zu geben, welche dem
einen derselben gelten. Aber die Stätte, auf der ich stehe, er-
leichtcrt mir die Ausführung, weil aus der hiesigen Hochschule
seit langer Zeit die Stämme Deutschlands durch ihre Söhnc,
die hier ihre Bildung empfingen, ein geisiigcs Band schusen,
welches für die Zukunft bedeutungsvoll werden solltc. Dcr Geist,
welcher sich von hier verbreitete, war im eigentlichen Sinne ver-
körpert in der Person des Großherzogs. Deß bin ich seit vielcn
Jahren Zeuge, uud wenn ich also spreche, gedenke ich unserer Jugend-
qeipräche, die wir gesührt» wo wir von Zeiten sprachcn, deren
Verwirklichung wir nichr zu erleben glaubten. 2a kamen die
ernsten Zeiten, welche uns in das Feldlagcr führten; und was
wir in jenen Stunden untcr uns erörterten, das verkündigte
Großherzog Friedrich am 18. Januar 1871. Mein Haus bleibt
dcn deutschen Fürsten zu immerwährendem Danke verpflichtet, weil
dicselben einst durch einen Mund, der nnn leider für immer ge-
schlossen ist, diesem Hause die Kaiserwürde antrugen; aber mit tiefer
Rührung gedenke ich in diesem Äugcnblicke des erlauchten Fürsten,
der das Wort zum ersten lebendigen Ausdruck bracht, heute, wo das
an Haupt und Gliedern reformirte Reich wieder hcrgestellt ist und
Deutichland wieder seinen Kaiser hat. Ein jeder von Jhnen fühlt,
daß diese Worte einem Fürsten gelten, der bahnbrechend diese großen
Entscheiduiigen herbcisühren hals, und daß der Name des Groß-
herzogs nntremibar sest verbunden ist mit den großen Gcschicken
nuseres Vaterlandes. Se. königl. Hoheit der Großherzog lebc hoch!"

* Heidelberg, 4. August. Der vom Prorector Bekker
aus Se. k. und k. Hoheit den Kronpriuzen ausgebrachte Toast hat
solgenden Wortlaut:

„Aus den gütigen Gruß, der nnS soeben geworden, muß ich mit
tief empfundenem Dank antworten. Dieser Dank richtet sich zunächst
an unseren Leetor waAviüesutissiwus, der uns mit sester Hand
gcleitet und gesührt hat, dcr mit scinem ganzen Denken und Thnn
dies Fest zu seinem eigenen gemacht hat. Aber der Dank gebührt
auch unseren Gästen. Doch wic ich vou diesen sprechc, sällt mein
Auge aus eine hehre Fürstcugestalt, die den Blick fesseli und nicht
wieder losläßt. Wir haben in Deutschland gehabt Zeiten ganz
auders als diese, trübe» dumps und schwer, und die Schuld
daran habcn gctragen Völker und Fürsten. Aber unter den Fürsteu
hat sich ein Geichlecht erhoben, weil cs zuerst begrisfen, daß die Jn-
teresjen von Fürsten und Reich nicht auseinander lanfen, und daß
der Fürst seine Macht stabilirt und auf einem Roeiisr <ls brours,
der sich selber als erster Diener scines Staates bckennt. Unter uns
weilt cin Fürstensohn, der in jungen Jahren sein Heer gcsührt hat
von Sieg zu Sieg und der bei Weißenburg und Wörth Heidelbcrg
die sichere Zuvcrsicht gegebcn, die cs im letzten Kricge genoffen.
Abcr diescr Feldherr ist zugleich der vollendete Staatsmaun äowi
wiiitinequs, gleich wirksam, gleich erfolgreich der sinnigc Förderer
voa Wijsenschaft und Kunst. Meine Herren, es lebe Deutschlands
Stolz und Hoffnung!"

*Heidelbcrg, 4. August. Die sänrmtlichcn studentischen
Corporationen unter Thcilnahme vielcr alter Herren brachten heute
Abend um 9 Uhr dem Großherzog als Leetor wsAviüosutissiwus
ginen großartigen Fackelzug mit allem studentischcn
Pomp. Uebcr 2000 Fackeln und sechS Musikcorps besanden
sich in dem Zuge. Auf dem Balcon und an deu Fenstern
des Rathhauses waren der Großberzog, die Großherzogin,
der Kronprinz und die anderen Fürstlichkeiten, serncr der
Prorector und die Notabilitäten versammelt. Beim Vorbeiziehen
wurden den allerhöchsien Herrschasten enthusiastische Huldigungen
dargebracht. Der Großhcrzog dankte dem Ausschuß in den wärmsten
Worten. Se. k. und k. Hoheit der Kronprinz ist um 10 Uhr
10 Minuten abgereist; der Großherzog, die Großherzogin, die
Prinzen und zahlreiche Notabilüäten gaben demselbe» bis zum
Bahnhos daS Geleit. Äls der Zug sich in Bewegung setzte, brachte
Lcr Oberbürgermeister ein drcisaches Hoch aus den Kconprinzen aus.

* Heidelberg, 5. Juli. Bei den heute ersolgten Ehren-
promotionen sind zu Ehrendocloren ernannt wordeu: in der
theologischen Facultät: Se. käiügl. Hoheit der Großhcrzog, von
Stüßcr, Präsident des evangelischen Kirchcnrathes, Professor Coruill-
Marburg, Hosprediger Helbing-Karlsruhe, Dekan Zittel-Karlsruhe,
Kirchenrath Sehringer-Karlsruhe, Buis, Psarrer in Glacus. Jn
der juristischen Facultät: der Erbgroßl,erzog, Freiherr Bedcns in
Sicbenbürgen, Rudolf v. Bennigsen, Geb. Justizrath Dorn-Lcipzig,
Landesgerichtsdirector Kiefer-Konstanz, Obersinanzrath Koch-Berlin,
Professor R. Schöll-München, Senatspräsident v. Stößer-Karlsruhe,
Prosessor Stubbs-Oxford, Henry Taine von der Acadsmie franxaise,
Proseffor Willems-Löwen, Proseffor der Geschichte Winkelmann-
Heidelberg, Or. Zeumer - Berlin. Jn der medicinischen Facultät:
Graham-Bell-Washington, Profeffor Chevreul - Paris, Prosessor
v. Baher-München, Staatsministcr Jolly-Karlsruhe, de Marignat-
Gens, Varon Nordcnskjöld - Stockholm, der Präsident der geo-
graphischcn Gesellichaft Profcffor von Nichthofen - Berlin, Pro-
seffor der Chemie Roscoe - Manchester, Werner Siemens-Berlin,
Professor Sir William Thomson - Glasgow, Professor Toeplez-
Dcesden. In der philosophiichen Facultät: Brioschi, Präsident
der Loaäswia äei I-inasi in Mailand, Prosessor Cayley-Cambridge,
Prosesjor Caperro-Neapel, Prosesior Cope-Philadelphia, de Can-
dolle-Genf, Oberbaurath Durm, Restaurator dcr Universitüt, in Karls-
ruhe, Oberstüeulenant im Generalstabe Max Jähns-Berlin, Geh.
Neg.-NathProsi RobertKoch-Berlin,Pros.Marih-Iiewhaven(Amerika),
Pros. Simon-Newcombe-Amerika, Prof. Powell-Amerika, Proseffor
Sweet-London, der päpstliche Bibliotkekar Enrico Stevenson-Rom,
Pros. I. W. Strutt-England, Lorü Rayleigh-England, vr. Tocpke-
Heidelberg, Pryf. Pflüger-Bonn, Prof. Pegorini-Rom.

Socialistellproceß.

*Freibcrg, 4. August. Der Andrang zum Auditorium ist
heute ein ganz immenser. Am Berichterstattertisch nimmt der Ab-
geordnete Liebknecht Platz. Die Augeklagtcn und Verlheidiger sind
dagegen nicht erschienen. Pünctlich um 4 Uhr Nachmittags crscheint
der Gerichtshof und es verknndet der Präsident, Landgerichtsdirector
Vollert, solgendes Urtheil: Jn der Anklage wider von Vollmar,
Bebel und Genossen wegen Theilnahme an einer qeheimen Verbin-
dung hat der Gerichtshos für Recht erkannt, daß sämmtliche Ange-
klagte sür schuldig zu erachten sind und deshalb Vollmar, Bebel,
Auer, Frohme, Ulrich nnd Viereck mit je 9 Monaten, Dietz, Müller
und Heinzel mit je 6 Monateu Gefängniß zu bcstrasen sind. (Große
Bewegung im Auditorium.)

Die Kründe sind im Wesentlichen folgende:

Dcr Gerichtshof hat nach den Ergcbnisjen der Beweisaufnahme
sür erwiejcn angenommen, 'oaß innerhalb der socialdemokratischen
Partei in Deutschland eine Berbindung existirt, die eine Central-
leitung, ein eigenes Partei-Organ, den in Zürich ericheinenden
„Socialdemokrat", besitzt, die Bcamle unterhält, eincn Archiv-FoiidS,

einen Schrifteiifonds, einen AgitationsfondS, einen DiätenfondS rc.
besitzt. Die Angcklagten haben auch zugegeben, daß eine
gewiffs Verbindung vorhanden war, nur soll dies ein geistiges Band
gewesen sein. Sie gaben zu, daß der „Socialdemokrat" ihr osficielles
Partei-Organ war, dies sei aber ei» Privat-Unteriiehmen gewesen,
sür dessen Jnhalt sie nicht verantwortlich seien: sie gaben serncr zu,
daß Bertrauensmänner existirt haben, nur sollen diese von Niemandcm
gewählt, sondern von selbst cntstanden scin.

Die Vertranensmänner, so sagten die Angeklagten, übten blos
bei deu Wahlen und bei Geldsammlungen eine gewiffe Thätigkeit
aus. Die Angeklagten behanptelen: Nach dem sogenannten
Socialisten-Gesetz war es erforderlich, daß sich Vertrauensmänner-
Comilss bildeten, um sür die in Folge des über Berlin vcrhängten
kleinen Belagerungszustandes existenzlos gewordenen Personen Geld«
sammlungcn zu veranstalten, da diese der Hilfe dringend benöthigr
waren.

Die Nngeklagten haben zugegeben, daß eine stramme Disciplin
innerhalb ihrer Partei geherrscht habe, sie behaupteten: eine solche
Disciplin sei in jeder Partei vorhandeu. Die Ausschließung der
Abgeordncten Most, Hasselmann und Rittinghausen aus der
soclaldemokralischen Reichstags-Fraction mußte erfolgen, da diese
Abgeordneten, ganz besonders die beiden erstcren, gegen die Partei
agitirten. Ein solches Vsrfahren werde auch von den andereu
Parteien geübt. Eine Ausschließung dicser Abgeordneten aus der
Partei sei nicht ersolgt, diese sei aber durch die Ausschließung aus
der Rcichstags-Fraction bereits bewirkt worden. Wenn auch ein-
zelnen Parteigenossen mit dem Ausschluß aus der Partei gedroht
wurde, so sei das nnr ein sogenannter moralischer Drücker gewesen,
eine wirkliche Ausschließung auS der Partei sei niemals erfolgt und
konnte auch nicht ersolgen. Der Gerichtslios hat bei Lem grundjätz-
lichen Leugnen der Angeklagten, sowie in Ermangelung eines directen
Beweises nicht die Ueberzeugung erlangen könneu, daß die bis zum
Erlaß des sogenannten Socialisten-Gesetzes bestandene Organisation
der socialdemokratischen Partei Deutschlands auch nach Jnkrasttreten
desselben noch sortbestanden hat: der Gerichtshos giebt zu, daß als-
dann nur noch ein geistiger Zusammenhang vorhanden war. Allein
der Gerichtshof ist doch der Meinung, daß nach dem Erlaß
des Socialrsteu-Gesetzes eine neue Organi-
sation geschaffen worden ist, zu dem Zwecke, den „Social-
demokrat" und andere verbotene Druckschriften zu verbreiten. Die ganze
Art und Weise, wie der „Socialdcmokrat" in Deutschland verbreitet
wurde, das Zusammenarbeiten so vieler BertrauenSmänner, die
Sendung des „Socialdemokrat" an Deckadressen u. s. w. sührt mit
Nothwendigkeit zu der Annahme, daß eine Berbiudnng bestauden
hat. Es ist undenkbar, daß diese systematische Art der Berbreitung
des „Socialdcmokrat" eine rein zusällige war. ES ist möglich, daß
eine Anzahl Personen des bloßen Gelderwerbes halber, oder auS
Gesälligkeit sich au dem Vertrieb des „Socialdemokrat" bctheiligt
haben, vhne der Partei näher zu stehen; dieser Umstaud schließt
aber das Vorhandensein einer Verbindnng nicht aus.

Es kann keinem Zweisel unterliegen, daß diese Verbindung ge-
schaffen war, um das Gesetz gegen die gemeingesährlicheu Bestrebungen
dec Socialdemokratie vom 21. October 1878 lahmzulegen. Der
Gerichtshos erblickt das Vorhandensein eiuer Verbindung in dem
Zusommenwirken der Angeklagten auf längere Dauer behufs Ber-
breitung des allwöchentlich erschcinenden „Socialdemokrat" und an-
derSr verbotener Druckschristen. Zn einer Verbindung ist nicht eine
directe Willenserklärung der einzelnen Mitglieder, sich dem Gesammt-
willen unterzuordnen, erforderlich, eine solche Willenserklärung kann
auch dnrch concludente Handlungeu bethätigt werdeu. Daß eine
solche Verbindung vorhanden war, ergeben die Verhandlungen aus
den Congressen zu Wyden nnd Kopenhagen. Die Zeit des
Zusanimciüritts, sowie die Orte der Eongresse wurden geheim ge-
halten. An dem Congresse in Wyden nahmen geständlich Theil die
Ängeklagten von Bollmar, Bebel, Auer, Frohme, lllrich und Viereck.

Es wurde aus diesem Congreffe über die Organffation der
Partei, sowie über den Stand des „Socialdemokrat" Bericht er-
stattet, der „Socialdemokrat" als osstcielles Organ der Partei er-
klärt, Beschlüffe bezüglich des Verhaltens der Partei bei den Wahlcn
gcsaßt rc. Am Schlusie forderte der Vorsitzende Bebel die Congreß.
Iheilnehmer aus: sür die Grundsätze der Socialdcmokratic nach wie
vor in ihrer Heimath thätig zu sein. Der Congreß wnrde alsdann
mit cinem Hoch aus die Socialdemokratie geschloffen und hierauf die
Marseillaise gesungen. Aus dem Congreß zu Kopenhagen, an dem
geständlich alle Angeklagten Theil genommen haben, wurde zunächst
constatirt, daß die Delegirten bis auf 60 angewachsen sind, daß alle
Orte Deutjcklands, in denen die Partei Anhänger hat. vertreten
seien. Jm Weiteren wurde coustatirt, daß die Partei in Dcutlchland
immer mehr Anhänger und der „Socialdemokrat" immer größere
Verbreitung gewinne.

Es wurde serner von einem Vertreter des „Socialdemo-
krat", d-r, vbwohl er kein Mandat bcsaß, auf dem Congreß Sitz
und Stimme hatte, über den materiellen Stand des „Social-
demokrat" Bericht crstattet, die Geschüftsbücher des Blattes vor-
gelcgt, auch wurde dcr Beschluß gesaßt, daß außcr den Partei-
vertretern nur Diejenigen an den Äbstimmungen sich betheiligen
können, die ein bestininües Mandat von Parteigenossen haben. Es
wurde feriier Vorsicht bei Verbreitung des „Socialdemokrat" an-
gerathen rc. Jm „Socialdemokrat" selbst wird von der Partei-
leitung zum Abonnement auf den „Socialdemokrat" ausgefordert,
Jn einer andercn Nummer des „Socialdemokrat" werden die Partei-
genosscn nufgesordert, znr Fördcrunq des „Socialdemokrat" Dar-
lebenscheine käuflich zu crwerben. Viereck sprach im Reichstage:
„Wenn mau uns im Julande die Presse verbietet und nns nöthigt.
ein Blatt im Auslande zu schaffen rc." Es ist kein Zweisel, daß
Viereck unter dem „uns" die socialdemokratische Partei Deutsch-
lands verstand. Es ist von anderen Angeklagten auch mehrsach
betont oorden, daß es nicht gelungen sei und Nicht gelingen werde,
die Orgauisation der socialdeniokratischen Partei zu zerstören.

Es ist dircct betont worden: So lange man die Social-
demvkraten als Bllrger zweiter Classe behandelt, werden dieselbea
genöthigt sein, im Geheimen zu wirken. Es wird serner von einer
Partei)eitung und einer Control.Commijsion gesprochen,
ja es wird auch sogar einer „Administralion" erwähnt; Herr Bebel
wußte ansänglich die Bedeutung dcs WorteS „Administration" nicht
zn erklären. Da er in Chemnitz nicht darnach gcfragt wurde, io
war er augenscheinlich uicht daraus vorbereitet. Viercck wollte dcn
Ansdruck als süddentschen Provinzialismus erklären. Augenschcinlich
bedeutet das Wort „Administration" diejenige Central-Leüung, die
mit den Partei-Genosien Deutschlands behufs VerbreitüNg Lcs ,.Social-
demokrat" in Vcrbindung stand. Steht hiernach fest, daß cine
Verbindung im Sinne des §. 129 des Stras - Gesetzbuches
vorhanden war, so kanii bci dem grundsätzlichen Leugnen dcr An-
geklagten und in Ermangelung weiterer Beweise nicht angenommen
werden, daß die Angeklagten Stifter oder Vorsteher jener
Verbiridung waren. Dagegen ist es außer Zweisel, daß die
Angeklagten Mitgliedcr jener Verbindung warcn. Dasür
sprickt ihre Betheiligung an den Congreffen, ihre Anlheilnahme sür
dic Bcrbreitung des „Socialdemokrat" u. s. w. Der Gerichshof hat
jedoch eine Verbindung im Sinne des §. 128 des Strafgesetzbuches
nicht sür vorliegcnd erachtct. Daß Dasein oder Zweck geheim ge-
haltcn wcrden sollte, ist nicht erwiesen, hüchstens köniitc man sagen,
daß der innere Ausbau der Verfassung vvr der Staalsregierung ge-
heim bleiben sollte.

Allein auch hierfür ist kein Beweis erbracht. Geheim sollte ledig-
lich die Art und Weise der Verbreüung dcs „Socialdemokrat" nnd
andcrer verbotener Druckschriften bleiben. Dagegen hat dcr Gerichts-
hos einc Verbindung im Sünie des tz. 129 des Straf-Gesetzbuches
sür vorliegend crachtct. Bei Abmeffung der Strafe ist die große
Gemeiiigesährlichkeü der verbreiteten Zeitung „Socialdemokrat" cr-
wogen worden. Gegen die Angeklagien von Vollmar, Bebel, Auer,
Frohme, fllrich nnd Viereck mußte aus cine höhere Strafe als gegen
die Äugeklagten Dietz, Müller uud Heinzcl erkannt mcrdcn, da die
Betheiligung der ersteren an der Vcrbindnng von lüngerer Dauer
war als die der drei lctzlen. Nach den qesetzlichen Bestimmungcn
haben die Angeklagten die Kosten des Bersahrens zu tragen.

Tanach endet diese Gerichtsverhandlung gegen 5V« Ubr Abends.

42. Zahresfest

dcS HanptvercinS der cvaiigcl. Gustav-Adolf-Itistung dcr
Provinz Sachsc» iu Naniiibiirg a. S. am 3. und 4. August.

II.

* Näumburg, 4. August. Den heutigen Hauptfesttag dcr
Gustav-Adols-Feier kündete früh 6Vz Uhr Choralmusik vöm Thurme
der St. WeuzelS-Kirche an, um 8V, Ühr versammelte sich der Hauvt-
vorstand, die Deputirten der Zweigvereinc, die sonstigen Festgästc im
Rathhause, um von bier in langem feierlichen Zuge zur WenzelS-
kirche zu gehen. Der Festgottesdienst, der sich einer aüßerordentlichen
Theilnahme erfceute, begann mit dem 2. Psalm von Mendelssohn, vor-
getragen von dem unter der Direction des Herrn Wtnsikdirector Ärndt
stehenden Kirchengesangverein, der auch nach der Liturgie noch den
100. Psalm in erhebender Weise zum Vortrag brachte. Die in sel-
tencr Art geistvolle Fcstvrcdigt des Herrn Prosessor Scholz-Berlin
hatte Apostelgesch. 16. V. 13 fl. zum Text und handelte von dem
Zeugniß, das der Gustav-Adolf-Verein ablegt, von der Aufnakme,
die 'cr findet, von den Aufgaben, die er in der werkthätige» Hilse
treibt.

Die össcntliche beschließende Versammlung wurde 11 Uhr im
großen Börsensaale mit Gebet und Ansprache des Herrn Prosessor
 
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