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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Rheinisch Westfälische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17457#0007

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Aber das Verhängnisvolle ist eb-n, daß die Franzosen dieses
Schnldbuch nicht anerkennen, ihr Unrecht incht emgestehen
wollen. Vielleicht daß die Schilderung Giffards dazu bei-
tragen wird, ihnen einmal die Binde von den Augen zu
nehmen. T-rade die Heidelberger Jubelfeier, wo die franzostschen
Abgesandten eine so ausgezeichnete Aufnahme gefunden haben und
wo in taktvollster W-ise alles vermieden ist, das franzosische National-
gefühl zu verletzen, wäre recht eigentlich dazu geschaffen, unseren
westlichen Nachbarn andere Gestnnungen bezüglich der Deutschen
einzuflößen. Ubrigens hebt der Figaro noch als besondere Hoflichkeit
der Franzosen hervor, daß von den sünf französtschen Abgesandten drei
deutsche Namen ttagen. Es stnd Jules Zeller, Präsident des Institut
Se rmnoo, Oppert und Lippmann. Ja, Zeller hat bcmerkenswerte
Ärbeiten über Deutschland geliefert und Oppert hat seine Studien
an der Heidelberger Universität gemacht. Wie schon unser Heidel-
berger Berichterstatter in seiner Beschreibung des Festaktus in der
Aula hervorgehoben hat, erregte die Rede Zellers, der gleich seinen
Genoffen Hermite, Maxime Ducamp, Lippmann und
Oppert einen Uniformfrack mit grüner Stickerei trug, große
Spannung unter dem erlauchten Auditorium. Zeller sprach rm
Namen sämtlicher Deputierten der Akademien und Universitaten
des Auslandes, die er in geistreicher Weise kurz erwähnte, dabei
nicht ohnc Stolz hervorhebend, daß das Institut Se I'rauoe in
gewiffem Sinne auch die Mutter der Heidelberger Universität sei,
was der Prorektor dcr Universität Heidelberg, Prof. vi. Jmm.
Bekker in s-iner Erwiderung nur teilweise zugab, aber dahin er-
gänzte, daß die Gelehrten aller Welt nicht getrennt von einander
zu denken seien, denn ste bildeten zusammen einen Stand,
der zusammen einst eine Freundschafr der Völker herbeiführen
werde, dte jetzt leider noch der Verwirklichung fern sei.

Paris, 2. Aug. Auf den Brief an den ehemaligen Korps-
befehlshaber General Henri d'Orleans, Herzog von Aumale,
welchen die konservativeu Blätter gcstern dem Kriegsminister,
General Boulanger, zuschrieben, antwortete der Temps wie folgt:

,Einer unserer Mitarbeiter wurde heute vormittag von Lem KriegS-
minister empfangen und erhielt von ihm die besiimmte Verficherung, daß
er «bensowenig diesen als den kürzlich im Journal de BruxelleS er-
schienenen Brief geschrieben hat. Er besann fich darüber von dem
Augenbltck- an, da er auf die Vcröffentlichung ausmerksam gemacht
wurde, und gelangt immer mehr zu der Uberzeugung, daß da» Dokument
apokryph ist. Er hat in Wahrheit über 200 Briese an den Herzog
von Aumale .eschrieben, als er unter seinen Befehlen stand, ist aber
ficher, daß der, welcher heut« von den reaktivnären Blättern veröffentlicht
wurde, nicht aus seiner F-der stammt. Was den ehrenwerten Minister
ganz besonder« überrascht, ist der Ausdruck: „Gesegnet wäre der
Tag, der mich unter Jhre Befehle zurückriese." Niemals hat
General Boulanger in diesem Stile geschrieben. WaS dte Anrede
„Monseigneur* betrifft, so gibt der General zu, daß er fich ihrer, wie
alle seine Waffengefährten vom 7. Armee-Korps, beoient hat. Jn der
That war diese Formel nicht nur üblich im ganzen Armee-Korps, sondern
gewissermaßen obligatorisch. Wer eine Ausnahme gemacht hätte, wäre
übel angekommen."

Die France, eines der Organs des „ehrenwerten" Ministers
fchreibt:

„Wir find in der Lage, zu versichern, daß dieser Bries gefälscht ist
und niemals von dem General Boulanger geschrieben wurde. Man hat
unsere Kollegen niederträchtig getäuscht und wir fvrdern sie dringend
auf, eine Berichtigung erscheinen zu lassen, welche sie der Wahrheit
schulbig sind. Wenn eine gerichtliche Untersuchung gegen den Schriften-
fälscher von dem Kriegsminister eingeleitet würde, so wäre zu befürchten,
daß sie auch diejenigen Blättcr träse, welche die Opfer einer unwürdigen
Mvstifikativn waren. Wir wiederholen es nachdrücklich: der Vvn den
reaktionären Blättern veröffentlichte Brief ist salsch; niemals wurde er
von dem General Bvulanger an den Herzog von Äumale geschrieben."

Zu einem Berichterstatter des Voltaire, welcher ihn interviewte,
sagte der Kriegsminister:

„Währenv meines zweistündigen Spazierrtttes habe ich nur an diesen
Bries cedacht, aber ich kann mich durrbaus nicht erinaern, ihn
geschrieben zu haben. Was mich in dieser llberzcugung bestärkt, vas ist
der Stil desselben. „Lsnt ssralt le jour" ist nicht von mir, nie habe ich
das schreiben können, nie wär« es mir eingefallen, mich solcher AuSdrück«
zu bedienen .... — Jst etwaS Wahres daran, daß Sie Jhre Be-
sörderung zum GeneralSrang dem Herzog von Aumale verdanken? —
„Svviel ist daran wahr, daß der Herzog von Aumale — e» war, glaube
ich, im Jahre 1877 — mich im Augenblicke der Generalinspektion zur
Besörderung empfahl. Wie dieS üblich ist, wurde dieser Vorschlag all-
jährlich «rneut, bis der General Farre ihm 1880 endlich Fvlge gab.
stbrigens muß ich Jhnen sagen, daß ein solcher Brief gar nichts zu be-
deuten hat: es kommt alle Tage vor, daß Offiziere in ebenso warmen
Ausvrücken denen danken, welchen sie ihre Besörderung zu verdanken
haben. Jch selbst habe deren ganz andere sür Krcuze der Ehrenlegion
oder sür Besörderungen erhalten." — Erinnern Sie fich aber nicht,
General, daß Sie im Augenblicke, da Sie zum Genera! vorrückten, an
den Herzvg von Aumale schrieben? — „Nein, ich glaube es nicht."

Dieselben Blätter, welche gestern morgen dcn in Frage stehenden
Brief veröffentlichten, erhielten im Laufe des Abends folgende
Mitteilung, die sie heute abdrucken:

„Prris, 1. Aug. 1886.

Herr Direktor! Der Herr General Boulanger läßt von neuem den
Brief dementieren, der heute in Jhren Spalten erschien. Da Sie Jhren
Lesern gegenüber eines Gewährsmannes süc Jhre Veröffentlichung be-
dürsen, so erkläre ich, daß ich es war, der Jhnen gestern den Bries vom
8. Mai 1880 überreichte. Heute abend überreichc ich Jhnen zwei andere
Briefe, die daraus vorbereiten und ihn vervollständigen, und um deren
Veröffentlichung ich Sie ebenfalls bitte. Jch halte die Originale und
die Photographreen aller drei Briese zu Ährer Verfügung. Genehmigea
Sie u. s. w. H. Limbourg.*

Die zwei Briefe, von denen Hsrr Limbourg, der Rechtsanwalt
des Herzogs von Aumale, spricht, lauten, wie folgt:

1. »Belley, 13. Februar 1879.

Mvnseigneurl Sie verlaffen vas Kommandv des 7. Armee-Korps.

Gestatten Sie mir, im Namen der Osfizier« meines Regiments sowie in
meinem eigenen zu sagen, wie tief es uns schmerzt, etnen Führer
zu verlieren, in den wir ein so großes Vertrauen setzten. Seien Sie
überzeugt, Monseigneu«, daß wir niemals die hohen Lehren, das erhabcne
Beispiel vergeffen werden, welches Sie uns gaben und geruhen Sie, »ie
neue Verficherung der ehrsurchtsvvllen Gesinnung und unerschütterlichen
Hingebung entgegenzunehmen, mit denen ich bleibe

Jhr gehorsamer Untergebener
Oberst Boulanger."

2. „Belley, 3. Januar 1380.

Monseigneur l Jch habe keine andere Stütze, als die der Generäle,

unler deren Betehlen ich diente. Jch wende mich daher an Sie mit der
Bitte, mich der Klassierungs-Kvmmission empfehlen zu wollen,
in der Ste aus vielen Gründen gewiß eine vorwiegente Stellung ein-
nehmen werden. Jch will Sie nicht an meine Dienste erinnern. Sie
wiffen, wer ich bin Jch erlaube mir nur, Jhnen zu sagen, Laß ich
der 13. der Obersten bin, welche nach der Generalinspektion von 1878
sür den Grad eines Brigadegenerals in Vorschlag gebracht wurden, und

daß ich, wenn die heute existierenden Vakanzen ausgesüllt würden, ctwa
der 8. wäre. Unter solchen Umständen hege ich qroße Hoffnunzen, und >
indem ich auf Jhr mir wohlbekannte», gütigeS Änteresse zähle, bitte ich
Sie, Monseigveur, mit dem nneuten Ausdruck meiner Dankbarkeit dii
Versicherung meiner ehrerbietigsten und hingebendsten Gefühle genehmigen
zu wvllen. Oberst Boulanger." ^ ^

Was die oben von dem Berichterstatter des Temps angefuhrte
Bemerkung des Kriegsministers anbetrifft, daß die Offiziere zu
der Anrede „Monseigneur" (wodurch man anerkennt, daß die
betreffende Persönlichkeit von prinzlichem G-blüt istfs geradezu ge-
zwungen gewesen wären, wenn man stch nicht Unannehmlichkeiten
von seiten des Herzogs von Aumale hätte aussetzen wollen: dieser
Bemerkung gegenüber erinnert der Figaro boshafter Weise daran,
daß der Herzog vielmehr befohlen hatte, daß die Offiziere ihn
nicht so anreden sollten. Der Figaro will also andeuten, als
wenn der Oberst Boulanger mit dieser Bezeichnung sich beim
Herzog besonders lieb Kind habe machen wollen. Jedenfalls qeht
aus den Aktenstücken hervor, daß Boulanger, der der hauptsäch-
lichste Urheber ver Ausweisung des Herzogs von Aumale aus
Frankreich gewesen, noch vor wenigen Jahren in widerlichster Weise
um die Gnade des damaligen Korpsbefehlshabers gebettelt hat.
Das ist auch oie Ansicht selbst republikanischer Blätter. So
schreibt der opportunistische Paris: General Boulanger liefert uns
augenblicklich ein Schauspiel, das für das französische Ge-
wifjen nur wenig erfreulich ist. Es berührt in der That
scbmerzlich, einen Kriegsminister, einen Soldaten, sich in falschen
Ausflüchten aller Art, in jämmsrlichen Haarspalteleien, ja sogar
in unwürdigen Entstellungen der Wahrheit erschöpfen zu sehen, um
glauben zu machen, daß er nicht vor sechs Jahren Briefe mit den
herzlichsten Verstcherungen der Ergebenhett an einen damals
rnächtigen Prinzen geschrieben und unterzeichnet hat. Disse Briefe

existieren und sind leider authentisch. Wir können nicht

umhin, welch hervorragende Eigenschaften dieser geichäftige Soldat
auck haben mag, uns zu fragsn, ob das Jntereffe der Republik
und Frankreichs es erheischt, an der Spitze unserer nationalen
Streitkräfte einen solchen Mann zu laffen, dem man derartige
Vorwürfe ins Gesicht fchleudern kann und deffen Gedächtnis in
gewiffen Fällen ein so kurzes ist!. . .

Serbien.

re. Nisch, 3. Aug. (Telegramm.) Die Skupschtina nahm ein-
stimmig den Antraq de« FinanzministerS an betreffenv die Wabl einer
Kommisfion von 15 Mitgliedern zur Prüfung der bisherigen Finanz-
gebahrung der Regierung und zur Erwägung von Maßregeln behufs
Herstellung eines stetigen Gletchgewichts des Budgets.

Amerika.

'Washington, 31. Juli. Der Senat aenehmigte heute den
Mvrrisvnschen Antrag über die Verwendung der llberschüsse
deS Schatzamtes mit den Abänderungen des Ftnanzausschusse«. Nach
einem weitern Unterantrag werden die nächsten sechs Monate nach
Genehmigung derselben „Trade - Dollars" wenn fie nicht abgegriffen,
durchlöchert vder gestempelt sind, zu ihrem Nennwert bei Zahlungen
an die Regierung angenommen, welche fle jedoch nicht wieder
auSgeben dars. Leute, welche „Trade - Dollars" hefitzen, können
dieselben während des angegebenen Zeitraums beim Schatzmeister over
Hülssschatzmeister gegen einen gleichen Betrag von Standard Silber-
dollarS oder Scheidemünze, je nach Belteben der Regierung vder les
BesitzerS der „Trade-Dollars", umwechjeln. Das Repräsentantenbaus ist
indeffen diesen Anderungen nicht beigetreten, sondern hat den Senat
ersucht, die Angelegenheit in einem gemeinschastlichen Ausschuß zu beraten.
— Das Repräsentantenhaus hat das Gesetz genehmigt, welches ven
Landerwerb durch Ausländer verbietet.

China

Über die Beziehungen zwischen Frankreich und China
erfährt das Bureau Reuter folgendes: Das Verhalten Frankreichs
in der Frage betreffs des Protektorats über die Römisch-
Katholischen aller Nationalitäten wie über die eingeborenen
Katholikcn, wird in chinestschen amtlichen Kreisen übel aufgenommen
und man fürchtet, daß falls sich dasselbe nicht ändert, böses Blut
unter der chinestschen Bsvölkeruug entstehen werde, wodurch die
Sicherheit der französtschen Misstonäre gefährdet werden dürfte
Li-Hung-Tschang ianoriert gänzlich die französtschen Ansprüche und
ist vorbereitet, dcr etwaigen Ausübung eines solchen Protektorats
feitens Frankreichs Widerstand entgegenzusetzen.

500jährige Zubelfeier der Ruperto-Carola-Universität.

* Heidelberg, 3. Aug. Besonderes Jntereffe erregen unter
den cwademischen Gästen, die zur 500jährigen Jubelfeier

der Univerfität hier erschienen sind, der preußtsche Kultus-
minister v. Goßler, die Prosefsoren Helmholtz, Mommsen, Treitschke,
Eduard Zeller, Jhering und Gneist, sowie die französischen Aka-
dem'ker du Camp, Oppert, Zeller, Hermite und Lippmann. Heute
abend hat das Schloßfest bei kühlem, aber klarem Wetter statt-
gefunden und ist Sußerst glänzend verlaufen. Taujende von zum
Teil farbigen Lampions markierten die Architektur des Schloffes,
welches außerdem noch mit elektrischem und anderem Lichte erleuchtet
wurde. Tegen 7000 Personen waren im Schloßhof, auf dem
Balkon und in dem Garten anwesend. Der Staat hatte die Be-
wirtung der Gäste übernommen. Üm 8Uhr erschienen der Groß«
herzog und die Großherzogin, der Kronprinz, sowie die
Prinzen Ludwig und Karl. Jn dem sogenannten Land-
hause, welchcs mit Gobelins prachtvoll geschmückt war, hatten
sich die Ehrengäste, die Delegierten, fowie die Profeff ren
der Heidelberger Universttät fakultätsweise versammslt. Die Dekane
stellten die Herren ihrer Gruppen den höchsten Herrschaften vor.
Der Großherzog und der Kronprinz unterhielten sich in der leut-
seligsten Weise mit den Anwesenden; die französischen Dele-
gierten wurden von allen Herrschaften in eine längere Unterhaltung
gszogen. Die Präsiden sämtlicher studentischer Verbindungen
wurden dem Kronprinzsn vorgestellt, der für jeden einige freund-
liche Worte hatte. Die Großherzogin ließ stch die Gemahlinnen
sämtlicher Profefforen vorstellen, Unterdeffen bevölkerten bunte
Scharen von Festgästen, Studenten, Profefforen und ihre Familien
wie die anderen Bürger Heidelbergs mit ihren Töchtern und
Frauen den wunderbar beleuchteten Schloßplatz, die Terraffe und die
zugänglichen Jnnenräume der hcrrlichen Schloßruine in malerischer
Bewegtheit. Das gesamte Mauerwerk der Jnnenseite des Schlosfes
war mit gelben, grünen und roten Lampengarnituren illuminiert,
auf der Freitt-.pps vor dem Otto - Heinrichsbau brannten auf ge-
schmückten Säulenständern Lampmkränze in bunten Farben, während
Schwibbogen von weißen Glockenlichtern verschiedene Ein- und

im Fort wieder cinträfe Er kam schließlich zu dem Resultate, daß
eine derartige irdische Begcgnung doch am Ende dem Wiedersehen
im Himmel vorzuziehen sei, das bei dem Heidentum des Findlings
doch immerhin zweifelhaft blieb. — (Forts. folgt.)

Klei«e Mitteilungen.

* Die Wetterproanose für Auguft, wte si« in der g-strigen
NachmittaqsauSgade verösfentlicht ist, knüpst an die frühere Äuliprvgnvse
an, invem hervorgehvden wird, daß der wirkliche Wetterverlauf im allgemeinen
der Prognose entsprochen hat. Daß nicht immer und nicht in jedem
Orte die Prognose auf den Tag eintrat, wird niemand dem Herrn Ver-
fosser anrechnen wvllen, der die Verschiedenartigkeit des Terrains und des
Klima» auch nur in NordwcstdeutsLland ierücksichtigt. Än Westfalen
und am Niederrhein hatte die erste Hälste des Äuli vorwiegend svnnig
warme Tage, kühl waren infolge von Gewittern der 8, 9. und 10. Juli,
dann ter 14., 15 und 16. Än der zweiten Hälfte des Juli gab es
heiße Tage, die Hitze stieg am 19. svgar auf 26'/," 8. Weiter solgte die
gemelvete kühle und naffe Periode, nur von dem sonnigen Svnntag,
25. Äuli unterbrvchen. Hoffen wir zum besten unserer vielen „Sommer-
frischler", daß Herr vr. Thammwald sich wenigstens in seiner ungünstigen
Augustprvanvse einigermaßen geirrt haben möge.

Bei manchen Reisenden testeht leider die Angewobnheit, leere
oder ausgeleerte und damit augenblicklich unbrauchbar gewordene Flaschenrc.
während der Eisenbahnfahrt auS dem Coupefenster zu werfen,
vhne zu beachten, wohin man si« wirst. Wie gefährlich dies werden
kann, erfieht man aus der Thatsache, daß ein. aus dem am 29. Juni
d. I., nachmittags, von Franksurt a M. nach Homburg abgelassenen
Personenzug geworsene schwere Flasche mit der Etiquette des Bades
Vichy den aus dem Bahnkörper beschäftigten Streckenarbeiter Äungmann
am Kopfe schwer verletzt hat. Der StaatSanwalt zu Frankfurt a. M.
recherchiert jetzt nach dem Thäter, um ihn zur Verantwortung zu ziehen.
- Ubee die Ankuuft der «aiserin Eltsabeth vou Osterreich
in Gasteiu berichtet die Münchener Allgemeine Zeitung: Die Monarchin,
welche auf ärztlichen Rat heuer zum ersten Male die hiefige Kur gebrauchen
muß, war schon in den ersten Tagen des Äuli hierher gekommen, mußte
aber wegen einer nervösen Ändispofition zwei Tage später abreisen, und
hatte die Abficht, erst nach der für den 8. und 9. d. Mts. in AuSsicht
slehenden Entrevue und nach ersolgter Abreise Kaiser Wilhelm» ihre Kur
zu beginnen. Vor etwa 3 bis 4 Tagen wurde hier plötzlich bekannt,
Kaiserin Elisabeth habe ihren Entschluß geändert und werde bereits am
31. Äuli hier eintreffen. Die Stunde der Ankunft der Katserin wurde
ledoch streng geheim gehalten, namentlich deShalb, damit da« Publikum
durch seine etwas vordringliche Neugierde der hvben Frau nicht beschwerlich
werde, wie dies leider bei Gelegenheit ihrer Ankunft am 2. Juli der
Tahrt von Äschl nach BischofShosen machtc die Kaiserin
mit ihrer Suite in dem gewöhnlichen Eilzuge. Jn Bischvfshvsen bestieg

fie einen bereit gehaltenen Hofseparatzug und kam in Lend um 5 Uhr
abend» an. Als dieKaiserin denZug verließ, herrschte ein furchtbares
Unwetter. Trotz Donner, Blitz und WvlkenbruchartigenRegens bestieg
I. Majestät die bereitgehaltene Equipage und setzte ihre Fahrt nach
Gastein ohne Unterbrechung fort. Hier wußte niemand, daß die Kaiserin
komm«. Als die kaiserliche Equipage vor der Villa Meran Vvrfuhr,
wvllte Postmeister Rieser, welcher als Kutscher auf dem Bocke saß, an-
halten, I. Majestät gab ihm jedvch Befehl, direkt vors Badeschloß zu
fahren. Auf dem Straubingerplatze war gerade Kvnzert der Kurkapelle,
weshalb ein zahlreiches Publikum daselbst versammelt war. Als die
kaiserliche Equipage vor der Freitreppe de» Badeschlosses stillhielt, erkannte
rm ersten Moment niemand die Kaiserin. Diese vrrließ rasch denWagen,
stieg die Freitreppe hinan und begab fich direkt in die Appartements deS
Kaisers. Kaiser Wilhelm, welcher dte Absicht hatte, vvr 10 Uhr zur
Villa Meran zu fahren, um daselbst die Kaiserin zu erwarten, saß gerade
in seinem bequemen Hausrocke bsim Schreibtisch und arbeitete, al» ihm
der Kammerdiener meldete, Jhre Majestät die Kaiserin von Österreich sei
im Vorsaale. Noch bevor ver Kaiser imstande war, seinen Hausrock
gegen einen Salonrock umzutauschen, war die Kaiserin bereits im Arbeits-
kabinett und begrüßte den Kaiser aufs herzlichste. Eine halbe Stunde
blieb die Kaiserin im Badeschlosse; Kaiser Wilhelm geleitete seinen Gast
zum Abschied bis ins Vestibül und machte Miene, der Kaiserin auch
weiter die Treppe herab das Geleite zu geben. Dieselbe lehnte bies jrdoch
mit aller Entschiedenhett ab mii den Worten, daß sie es nie zugeben
werde, daß sich der Kaiser, der doch Patient sei, der rauhen Abendluft
aussehen svlle, worauf Kaiser Wilhelm der Mvnarchin galant die Hand
küßte und in seine Appartements zurückkehrte. Unter Hochrufen de»
Publikums bestieg hterauf Jhre Majestät ihre Equipage wieder und suhr
in die Villa Meran.

Zigeuneruuwesen. AuSZürich berichtet die Neue ZüricherZeitung:
Jn unserer nächsten Nähe, in dem dunklen Schatten des Sihlwaldes
hat fich dieser Tage cin Stück wirkltchen Zigeunerlebens abgespielt, wi«
e» beweglicher und lebhaster ein Lenau nicht hätte schildern können.
Ganze Karawanen mit 10 und mehr Wagen kamen mit biesem wandernden,
Mnverbrannten Volke aezogea, um fich nächtlicher Weile zu einem
Stelldichein zusammenzufinden und eine Hochzeit zu seiern, wie ste
eben bei diesen verwilderten Menschenkindern geseiert wird — unter
sreiem Himmel, nachtS, im dunklen Walde. Da haben ste fich mit ihren
Wagen, mit Kind und Kegel eingefunden, ein tolles Gelage zu veranstalten.
Kein Civilstandsbeamter, kein Pfarrer waltet seines Amtes Nach der
alten Zigeunertradition wird Braut uud Bräutigam vereinigt unv die
Mitglieder der Bande sind die Trauzeugen. Das Feuer wirft seinen
roten Schein durch das Tannendunkel, die Männer hocken um das Feuer,
die Weiber lungern im Movs-, die Flasche kieist, die TabakSpscife qualmt,
sieche Liedlein werden gesung n, gellendes Lachen hallt im Walde wieder,
die Schar erhebt sich, der Dudelsackpfeifer spielt eins auf, die Dirne dreht
im Tanze den schlanken Leib, Ler Bursche klatscht in die Hände und
wirbelt wit der Braut im Kreise h-rum. Feurige Gesellen aus dem

Ausgänge malerisch überbcücklen. Der herrliche, feenhafte Eindruck
wurde noch gests'gsrt durch dre bengalische Beleuchtung einzelner
Partieen, namentlich als der Großherzog und der Kronprinz kurz
nach 10 Uhr den Festplatz verließen. Die Außenseite des Schlosses
war vo-i elektrischen Bogenlampen in malerisch dämmerhafte
Helligkeit versetzi. Die Bewirtung fand an steben Buffets statt,
von denen einige in verschwiegenen, sonst kaum betretenen Jnnen-
räumen angebracht waren. Wesentlich erhöht ward das unver-
gleichlichc Schauspiel durch liebliche Erscheinungen der Heidel-
bergerinnen in festlichen Toiletten. Erst spät in der Nacht fand
das Fest sein Ende.

Bonn, 2. Aug. Die hiesige Universität entsendet zu der
heute beginnenden 500jährigen Stiftungsfeier der Heidelberger
Hochschule als Abgeordnete den zeitigen Reklor Geh. Medizinalrat
Profeffor vr. Binz und den Dekan der Juristenfakultät Geheimen
Justizrat Professor vr. Ritter v. Schulte. Dieselben überbringen
der Jubilarin die Glückwünsche der rheinischen Schwesteranstalt in
Form einer von dem Philologen Geh. Regierungsrat Profesior
vr. Usener verfaßten Festschrift, welcher folgende Glückwunsch-
adreffe voraufgeschickl ist:

„Euere Magnifizenzl Hochzuverehrender Senatl Gegründet in einer
Zeit, die zu ben lraurigsten des MittelalterS in Kirche und Staat gebört,
steht die Ruperto - Cmvla aufrecht als herrliche» Denkmal der Einsicht,
welche d-n Stifter, Psalzgraf Ruprecht l., von der Bevcutung der
Wiss-nschaft als mächtiger Stütze der Gesellschaft beseelte. Keine
Univerfität empsand in gleichem Maße des Landes Leiden. Zwang die
SeuLe Lehrer und Studierende, einmal im 15. und sechsmal im

16. Jahrhundert, H-idelberg ;u verlassen und sich an anderen Orten zu
sammeln, das 17. brachte namenloses W-.h. Ein deutscher Feldherr

übergab die herrliche Bibliothek zur Wegsührung nach Rom, wo noch
heute deren kostbarste Schätze ltegen. Der Raudkrieg Luowiqs XIV.
nötigte fie, Jahre lang auswärts ein Asyl zu suchen- Am Ende des
vorigen Jahrhundert« schien sie dem Untergange geweiht zu sein. Da
trat der erste Landesherr aus dem neuen Hause würdig etn in das Erbe
des pfälzischen; Karl Friedrich glänzt mil Recht als zweiter Stifter im
Namen der Ruperto - Carola. Gleichen Geistes setzten sein Werk sort
Srhn und Enkel. Hervorragend durch Alter, durch Schüler, die
Deutschlands Stolz sind — Philipp Melanchthvn zu nennen genügt —,
durck Lehrer, die aus verschiedenen Gebieten der Wissenschast zu der
größten zählen — der Jurist Hugo Donellus sei erwähnt —, vor

500 Jahren an einem Tage eröffaet, der im Jahre 1813 drr Tag d-n

Wiedergeburt Deuischlands wurde, unterstützt durch eine glänzende Bei-
steuer des Landes, rüstet die Ruperto - Carola sich, mit einer Feier die
Geschicbte 500jährigen Wtrk-ns abzuschließen in einem Augenblicke und
unter Umktänten, wie es weder thr noch einer andercn bisher vergönnt
war: eine Zeit tiesen Friedens, das geeinigte Deutschland an erster
Stelle im Rate der Völker, unter Führung des Heldengreises Kaiser
Wilhelm, die Universttät unter Leitung des durchlauchtigsten Eidams
des Kaisers als Rektvr Magnificentisstmus, die Festesseier an dcrselben
Stätte, wo die Eröffnung stattsand. Die Frtedrich-Wilhelms-Universttät
Bonn, selbst gegründet in gleichem Geiste in der Zeit der Wiedergeburt
des deutschen Volkes und auch in sränkischem Lanve, teilt sreudig die
Sttmmung, in der Tausende und Tausende aus allen deutschen Gauen
ihrer Xlm» maisi Festesgrüße bringen und kleidet den ihrigen in den
innigen SegcnSwunsch: Möze der Rupertv-Carvla vergönnt sein, den
Freubentaa eines Äahrtausends unter gleichen glücklichen Verhältniffen
zu feiern als echte Pslegerin der Wissenschaft zu des Vaterland» Stolz
und Wohll Rektor und Senat der Friedrich-Wilhelms-Universität.*

Welchen Eindruck Heidellerg augenblicklich auf den
Fremden macht, schiloert 0r. Hans Thunichtgut in der Neuen Zürtcher
Zeitung sehr ergötzlich: Heidelberg wie bist vu schön I selbst jetzt, wo man
in den Straßen vor Museniöhnen und Äenschen kaum treten kann, wo
die Pserde der Trambahn sogar Koulcurmützen über den Ohren tragen
und wo ich in d-r ersten Nacht meiner Ankunft in einem Zwangsbett
Strafe ichlasen mußte, bas dem seligen Zwerg Pwkeo zu klein gewesen
wäre. Wenn in Heidelberg die kleinen Kinder gefragt werden, was ste
einst werden wollen, sv antworten die Knaben: „Kvrpsstudent" und die
Mädchen seufzen verschämt: „Prvfeffors-Gattin". Jn dem letzten Jahr-
zehnt hat stch noch ein neuer BerufSzweig herausqebildet, derjenige der
Pensions-Mama. Heidelberg ist die groß« Brütanstalt sür kleine
Engländerinnen geworden, die zu jungen Ladies aufgepäppelt werden.
Es stnd durchschnittlich recht artige Kinder, blonde Madonnenangesichter mit
frommen Augen, die sich gegen Himmel richten, um nicht die großen
Füße zu betrachten, mit welchen die angelsächsische Weiblichkeit nach dem
unersorschlichen Ratschluffe der Natur das irdische Jammerthal zu durch-
wandeln hat. Wenn ste in sanftem Gänsemarsch durch die schönen
- Anlagen Vvn Hetdelberg ziehen, auf der Rückseite ihres holden Jchs eine
große rvt-blaue Schleise, die sich auf den Kleidern der älteren heraus-
fordernd wie das St. GevrgSkreuz in der britischen Königsflagge ausnimmt,
dann vervollständigen sie höchst ersreulich das Bild der neuen deutsch-
englischen Freunoschaft. Denn aus der anderen Straßenseite bewegen sich
in gleichem Gänsemarsch flotte veut'che Studenten, welche jeden Augenblick
mit patriotischem Gesühl bereit sind, die deutsch-englische Annäherungs-
polilik energisch und liebevoll weiter zu pflegen. Augenblicklich ist Alt-
heidelberz, das seine, einem großen Ameisenhaufen vergleichbar. An allen
Ecken und Enden regt es sich von tausend betriebsamen Händen, die der Stadt
den letzten Schmuck verleihen. Jn den Straßen find helle Birken und dunkle
Tannenbäumchen aufgestellt, bis zur äußersten Spitze der DScher schlingen
stch bunte Guirlanden und Fahnen empor, während Tüncher und Maler
mit mächtigen Pinseln ganzen HLuserreihen sröhliche Gestchter anstreichen.
Dem alten Stadtlöwen auf dem Markte wurde gestern der Schwanz
neu vergoldet, eine festliche Handlung, zu der sich halb Heidelberg in
freudiger Bewunderung eingefunden hatte. Noch niemals hatte der
pfälzische Löwe einen solch imponierensen Schwetf. Angenehmer ist es
dem steinernen HerkuleS ergangen, der bei der Heiliggetst-Ktrche auf dem
großen Brunnen stehr. Vier lebensgroße nackte Damen aus Majvlika
wurden ihm als quellenspenbende Jungsrauen auf die Wasserröhren feines
Laufbrunnens gesetzt. Al» Tugendgürtel ihrer kalten Hrrrlichkeit gegen
schlechte Witze ber Studenten erhielt jede eine dicke Bauchbinde au»
Stechpalmen und Kalmus. Die Spötter unter den Studenten meinen
inzwischen: die vier Jungsrauen sollten die vier Fakultäten versinnbild-
ltchen mit ihrem Sprüchlein: „Anstaunen aber nicht angreisen". Von
unterhaltender Mannigfaltigkeit sind dte Erzeugnisse der JubiläumS-
Jndustrte. Festmedaillen, -Photographieen, -Stöcke, -Fahnen u. s. w.
übergehe ich als selbstverständliche Dinge. Mit dreisachem Erz gepanzert
muß vor allen Dingen der Leib des Trinkers setn, denn aus ihn stürmen
sünf verschiedene Svrten JubiläumS-Champagner ein. Neckar-, Mosel-
unv Rheinweinsekte tragen die Jubiläumsmütze. Übler freilich ergeht es
dem Raucher. Wer ke. nt nicht als nikotinhaltiger Mann den Ehrgeiz
der Pfalz, mit der Havannah konkurrieren zu wvllen. Mannheimer
Fabrikanten haben den großcn Wurf gewagt: Jubiläums-Cigarren aus
einhiimischem Kraut zu erzeugen. über Nacht ist diese Gesahr lebendig
geworden und sie wirft ein.n tiesen Schatten in die allqemeine Festtreude.
Glücklicherweise trägt jede Cigarre ein rvtgoldenes Bändchen um den
Hals, so daß ste der schwache Fremdling, rechtzeitig gewarnt, einem
kampsgewohnteren LandeSkinde zu schenken vermag. Und nun zu euch
ihr ^ubiläums-Schnupftücher, die ihr Erzeugnisse der höchsten Begeisterung
und Poesie seid. Jn ver Mitte prangt die Rup:rto-Carola, daneven bie
Bilder der Hvhen qeistlichen und fürstlichen Gründer, sowie der herrlicheN

Ungerlanbe waren sie freilich nicht, die gekvmmen waren, im Sihlwald
eine Zizeunerhvchzeit abzuhalten, svndern zusammengewürfeltes G.ffindel
aus den Schlupswinkeln der Vogesen, aus dem Elsaß und selbst aus Württem-
berg. Was berechtiqt, thnen den Namen „Zigeuner" zu geben, istntcht die Ab-
kunft vvn jenem schwarzen Nomadenvolk, sondern die Gemeinsamkeit der
Ledensgewohnheiten: sie durchziehen mit ihren Wagen und Karren das
Land, bettelnd, stehlend, raubend, an keinen sesten Wohnsitz gebunden,
an kein Gesetz und kein Gebvt sich kehrend. Uberall werden sie als
eine Landplage empsunden, aber nicht üderall wendet man energische Maß-
regeln gege» ste an. Unsere Kantvnspoltzei hat wöchentlich, ja fast
täglich mit diescm Volke zu thun und geht ihm energisch auf den Leib

Die LebenSweise deS Papstes. Römische Blätter berichten
über vie sommeriiche LebenSweise des Papstes: »Trvtz seiner 76 Jahre
befindet sich Leo XIII. ganz wohl; er verdankt die» zumeist sciner
geregeltrn Lebensweise. Der Pipst steht nämlich im So nmer um6Uhr
auf, hört die Messe in setner Privatkapelle und nimmt dann um 7 Uhr
sein Frühstück, bestehend aus einer Taffs Chokolade mit Milch und zwei
w ichgesottenen Eiera, zu sich. Hicrauf empfängt er den Kardinal-
Staatssekrelär Jacvbini, der ihm die von den päpstlichen Nuntiaturen
eingelaufenen Berichte und Nvten unterbreitet. Nach dem StaatSsekretär
erscheint der Privatsekretär unv legt cie aus allen Teilen der Welt von
Fürsten, Privatpersonen und Misstonshäusern etngelangten Schreiben
vor. Alle diese Schriststücke wandern dann in das Archiv. Außer diesen
Schriftstücken langen täglich nvch etliche hundert Telegramme aus allen
Weltgegenden ein, in welchen Kranke und Sterbende den päpstlichen
Segen erflehen. Sehr intereffant ist es, zu vernehmen, daß dte chiffrierten
Depeschen ves Vatikans an die Nuntien unb die Kirchensürsten nicht aus
einzelnen Chiffcegruppen, sondern au« einer ununterbrvchen fortlausenden
R-ihe von Chiffrm, als: 1373956787843 rc. bestehen. Punkt 12 Uhr
folgt das Mittagseffen, woraus der Papst der Ruhe pflegt. Um 6 Uhr
abends begibt sick> derselbe in den Garten in eins Laube, um dort den
Kaffee zu stch zu nehmen und mtt seiner Umzcbung zu plaudern. Um
8 Ühr kehrt der Papst der Malaria wegen in seine Gemächer zurück,
betet nvch eine halbe Stunde und begibt fich punkt 9 Uhr zur Ruhe"

Das größte FernglaS der Welt. Der Deutsche Courier in
Baltimore schreibt: „Obgleich die Bundesregierung und die einzelnen
Staaten verhältntsmäßiz wenig sür die Wisienschaft thun, jedensalls viel
weniger als europäische Nationen, welche Sternwarten mit berühmten
Prvfessoren zu Dutzenden ausstatten, so sind doch gerade aus diesem
Kontinente einige gioße astronomische Entdeckungen gemacht worden, wie
z. B. dte MarSmonde d.irch den ehemaligen Schmied Assaph Hall, und
etne ganze Reihe von Planeten und Kometen. Diese Entdeckungen
wurven jedoch nur möglich durch dte hohe Vvllendung, aus welchs der
Bostoner Alvan Clark dte Herstellung von Ferngläsern gebracht hat.
Auch Clark ist ein selk-mLck« m»n, er hat das Linsenschleifen von sich
selbst gelernt und erhält jetzt Aufträge aus der ganzen Welt. Seinen
Ruhm begründete er durch daS große Teleskop der Sternwarte in Dvrpat.

Schlvßruine mit vem Riesenfaffe und was sonst Heidelberg Merkwürdiges
besttzt. Und in alles das darf man für nur 50 Pfg. die schmutzigste
Nase hineinstecken.

Rheinisch-WeMlisches.

r: Koblenz, 4 Aug. Wie wir im »Evang. Gemeindeblatt sük
Rheinland unv Westfalen" lesen, hat fich jüngst ein Rheinischer
Verein zur Fürsorge für die aus der Dürener Provtnzial-
Anstalt entlassenen Blinden gebildet, dem wir bestes Gedrihen und
vielsache Nachsolge in anderen Landesteilen wünschen. Da auch die
auSgebildeten Blinden ohne nachgehende Fürsorge nach langer Erjahrung
leicht dem Müssiggang unb dem Bettlertum verfallen, weil ibrem Suchen
nach Existenz besondere Schwierigkeiten entgegentreten, so hat stch die
Blindenanstalt ihrer stets nach d-r Entlaffung sreundlich angenommen.
Diese Fürsvrge erfordert aber, wenn sie nachhaltig setn soll, erhebliche
Mittel. Sind doch schvn mehr al» 250 Blinde aus genannter Anstalt
hervorgegangen, eine Anzahl, die fich jährlich um 25 mehrt. Eine Reihe
angesehener Männer Nnd an die Epitze des V:rein» getretcn, dessen
Mitgliedschasi einen jährlichen Beitrag von 1 erfordert. Der Sitz
des Vereins ist Düren. Direktor Mecker dort alS Schriftfuhrer nimmt
Anmeldungen entgegen'

4. Aug- Während, wie bereits mitgeteilt, verschiedene
Handelskammern sich bereit erklärt haben, di- Eingabe der hiesigen
Handelskammer um Zurückverlegung des italienischen Konsulats
von Dortmund nach Köln resp. um Errtchtung eines besonderen
Generalkonsulate« sür die Rheinlande zu unterstützen, ist die Aachener
Kammer dazu durchaus nicht geneigt. Dieselhe hat das betr. Ersuchen
der Kölner Kammer mit dem Bemerken zurückgewiesen, daß man um
Errichtung des b-tr. Konsulates in Aachen einkommen wollt. Die
Neußer Handelskammer hat edenfalls atlehnend geanlwortet — Auf
eine Eingabe um Anlage einer Fernsprechverbindung zwischen den
Städten Köln-Düren-Äachen hat das Reichspostamt geantwortet, daß
dtese Linie schon jetzt hergestellt würde, wenn für die Zeit von 5 Jahren
von den interessierten Firmen eine jährliche Einnahme von 5400 .^d.
gesichert werde. — Dte hiefige königl. Regierung hat an den
Herrn Schulinspektor vr. Brandenburg eine Verfügunz gerichtet. in
welcher sie demselben mitteilt, daß sie, nachdem für die katholischen
Volksschulen Kölns an Sonn- und Feiertagen ein nach Ort undZeit
bestimmter SchulgotteSdienst eingerichtet worden, nichts dagegen zu
erinnern hat, daß die einzelnen Schulen diesem Gottesvienste beiwohnen
und daß die Bestimmungen ihrer Jnstruktion betreffend den Wochentags-
Gottesdienst auch auf jenen Gottesdienst Anwendung finden. Bezüglich
der näheren Anordnung möge stch der Schulinspektor mit dem Dechanten
benehmen.

"Eiberfeld, 31. Juli. Die zweite Hauptversammlung de» bergischen
Vereins sür Herbartisch« Pädagvgik fand heute im Saale der
Restauration zum „Deutschen Kaise," hierselbst statt. Dieselbe war, wi:
die Westdeutkche Zeitung bericktet, von e'wa 120 Mitgiiedern und Gästen
(auch Damen) bejucht. Aus dcr Ferne gekommen war Herr Architekt
vr. Dörpf-ld (Athen), Herr Töchterschullehrer Foltz (Eisenach) und Herr
Pastor l)r. v. Rhoden (Helsingfors). Eine besondere Freude wurde dem
Vereine vadurch zuteil, daß der allverehrte Veteran Herr Rektor Dörpfeld
aus Gerresheim sich eingefunden hatte und mit gewinnenver Brredsam-
keit recht häufiz in den Gang der Verhandlungen eingriff. Den Vorsitz
führte Herr Rektor Horn au» Orsoy. Nachdem von Herrn Foltz (Barmen)
ein kurzes Referat erstattet war, trat man in die Diskussion ein, welche
sich hauptsächlich an solgende Fragen knüpfte: waS heißt Denken? wie
entstehen Urteile und Begriffe? wie ist die Entstehung der äfthetischen
und ethischen Urteil« zu erklären? Was ergibt fich für die pädagogische
Praxis? Die Versammlung, mit der eine reichhaltige AuSstellung der
Herbart-Litteratur verbunden war, wurde kurz nach 8 Uhr geschloffen.

'DÜffeldorf, 4. Aug. Der Hauptetat der Provtnzialständischen
Verwaltung der Rheinprovinz prv 1884/85 schließt bei 7 810 723
Einnahmen ünd 7 606 000 AuSgaben mit einem tlberschuß von
204 723 .>?. Die Umlagen beliefen sich auf 3 18) 000

"Hamm, 4. Aug- Am nächsten Sonuabend, nachmittags 1 Uhr,
findct im Gasthof „Zum Grafen v. d. Mark" hierselbst die diesjahrige
Generalversammlung der Arbeiterkolonie Wilhelmsdorf statt.
An derselben wird dcr Herr Oberpräsiden- von Hagemeister teilnehmen.
Die Tagesordnung rnthält außer dem Kassm- und Verwaltungsberichte
die Beratung über die Frazen, wie dem Äißbrauch der Verpflegungs-
Stationen seitens der Vaganten entgegengetreten werden kann, wie die
Verpflegungskosten am gerechtesten und sicheisten aufzubringen und wie
die Verpflegungsstationen außerhalb ber Branntweinkneipcn zweckmäßig
einzurichkn seien. Außerdem soll ein Provinzialausschuß zur Regulierung
des VerpflegungsstationSwesens grwählt werden.

Lokale Nachrichten.

ULei»l««L>.

vk Esse«, 4. Aug. Gestern hielt Herr Kreisschulinspektor Pfarrer
Lenßen mit den Lehrern der Volksschule hiesiger evang Gemeinde eine
Kreiskonserenz ab, mit wclcher ein Ausflug nach dem Monning bei
Duisburg vsebunden war. Ja dem lichten und freunolichen Srale
dieses Lokales wurde vormittags der amtliche Teil der Konferenz erledigt.
Herr Lehrer Ortmann hielt einen Vortrag über das Thema: „Der
Ünterricht und die eigene Erfahrung des Schülers", in welchem g-zeigt
wurde, welchen Schatz eigener Beobachtungen, Vorstellungen, Gcfüble
und Begehrungen das Kind in di« Schule mitbringt und wie es denselben
sortgesetzt vermehrt. Der Unterricht habe an dieses Material anzuknüpfen,
dasselbe zu verwerten und darnach auch die Methode der einzelnen Unter-
richtssächer zu gestalten. Nach einer anregenden Debatte wurde der
Jahresbericht über dis KreiSbibliothek der evang. Lehrer abgestattet, aus
dem -ervorging, daß die Benutzung derselben in Zunahme begriffen ist.
Bei dem stch anschließenden Mittazeffen brachte der Herr Kreisschulinspektor
einen Tvast aus Se. Maj. den Kaiser aus, indem er, anknüpfend an
die Bedeutung des Tages al« G-burtstag König Friedrich Wilh-lm III,
die tiese und rührende Pietät des Heldengreises gegen Vater und Bruder
und deren Wirken und Schaffen besonder» hervorhvb. Nachmittag» fanden
sich die Teilnehmer wieder zu einem gemeinschaftlichen Kaff-e zusammen,
zu dem auch eine stattliche Anzahl von Damen erschienen war Der
Herr Kreisschulinspektor bvt den Anwesenden in eincm Vortrage ein
anziehendeS Leb-nstild des Apostels PauluS dar, worauf die Gesellschaft
durch die schattigen Wege des Duisburger Waldes über den Kaiserberg
und durch die Duisburger Anlagen stch nach Duisburg begab, um dort
mit einem gemütlichen und heiteren B-isammensein den schönen, auch
vom Wetter begünstigten Tag zu beschließen.

Jn der verfloffenen Woche kamen hierselbst außer 2 Tvtgeburten
48 Sterbefälle Vvr und zwar 28 männlichen und 20 weiblichen

> Geschlechts. Hi-rvon entfallen auf das Alter bis zu 1 Jahr 1g, von

> 2-5 I. 13. von 6-15 I. 3, von 16-20 I. 1, von 21-gg I. -

! von 31—40J. 3, von 41—60 I. 2, von 61-80 I. 4, über 80 I. 2.

- Es starben an Masern 6, Scharlach 1, Brechdurchfall 2, Lungenjchwind-
, sucht 3, akute Erkrankunge» v-.r Atmungsvrgane 5, alle übrigen Krank-
: heiten 28, durch Verunglückung 3.

Werden, 3. Aug. Jn der Nacht von Sonntag auf Mvntag wurde
i der Werdener Zeitung zufolge in der hiesigen Strasanstalt von einem
j höchst gesährlichen Verbrecher, dem Mörder Rensing, ein AuSbruch

> versucht, welcher jedoch noch rechtzeitig durch die Wachsamkeit etnes Ausseher»
' vereitelt wurde. — Am Sonntag sand in Kupferdreh die feierliche

Einweihung der neuen grrßen katholischen Kirche und ihrer neuen
' Klocken durch Herrn Dechant Boreno von Rellinabaus-n statt.

Seitdem hat er vcrschiedene Riesengläser hergestellr, an dem größten
arbeitet er aber jetzt; e« ist so groß, daß man die Herstellung einer solchen
Glaslinse noch vor 2 Jahren nicht sür möglich gehalten hätts. Der
kalifornische Millionär Lick hat 700 000 Doll. für Gründung und Aus-
stattung einer Sternwarte hinterlassen und gewünscht, daß das größte
und beste Telcskop, welche« nur hergestellt werden kann, dafür anqesckafft
werden svll. Den Kontrakt erhielt Alvan Clark vor fanf Jahren. Nur
eine französtsche Glassabrik war im S-ande, vie Glasscherben zu lief-rn,
ader erst nach zahlreichen mißglückken Versuchen gelanz es, zwei sehler-
freie Linsen zu liefern, von denen jede den hübschen Preis von 25 000
Doll. kostet. Nun aber kam da» Schleifen. Diefes ist so schwierig und
zeitraubend, denn es muß fast ausschließlich m t der Han», d. h. den
Daumen gescheben, daß ein Glas Jahre zur Nollcndung ersordert.
Beide Linsen sind jetzt nahezu f-rtig. Die Gläser werden in einem
Stahlrohr von nahezu einer Nard Durchmeffer un» 57 Fuß Länge einge-
s'tzt. Man glaubt, °aß dieses neue Teleskop den 24 000 Meilen ent-
fernten Mvnd aus eine augenscheinliche Entsernung von nur lOO Meilen
nahe rückt. Die Sternwarte ist aus Mount Hamilton in Santa Clara
Cvunty in California rrichtet und kann im nächsten Winter bezvgen
weroen. Das besagte County hat es sich 78000 Doll. kostcn lafsen,
um einen hübschen Fahrweg bis zur Spitze des Berge« anzulegen.

Lttteratur.

Sehr gut wird die stets wachsende Größe BerlinS verdeutlicht durch
ein soeben zur Ausgabe gelangte« Panorama von außergewöhnlichen
Dimensionen. Es han.elt sich hier nicht um einen trockenen Abklatsch
des Häusermeers, sondern um eine künstlerische, Licht und Schatten fein
abwiegende L-iftung des dekannten Ällustrators Paul Wagner. De»
Künstlers Standpunkt, von dem aus das Panorama aufgenvmmen
wurde, ist der Rathausthurm. Jn der Mitte des mächtigen Blattes,
das einer der größt-n in D-utschlaud j- ausgeführten Holzschnitte sein
dürste (er umfaßt eine Fläche von ca. 8 großen Foliossiten), erhebt stch
die breite Maffe des königlichen Schlosses, an dem links der Schloßplatz
und die in diesen mündenre Königstcaße sichtbar wird. Jn dem Vorder-
grund zieht stch da» ganze Bild durchschneibend die Heiliqe G-iststraße
hin. Üb-r dem Schloß hinaus f-ffeln die Linden, mit dem Denkmal
Friedrich» des Großen, dem Brandenburger Thor, Zeughaus, Königlichen
Palais »c den Blick. Nach rechts werden deutlich sichtbar Rational-
galerie, Museum, Post, Schloß Monbijou, SiegeSsäule, nach ltnks vor
allen die sranzöstsche und neue Kirche, das Schauspielhau», Nikolai- und
Petrikirche, das Nationaldenkmal aus dem Kreuzberg rc. Auch technisch
verdient die Leistung unumwunden Anerkennung. Wer sich für die
Kaiserstadt interessiert, sollte nicht säumen, daS Panorama, welches 2
kostet, zu erwerben. Es ist erschienen im Verlag von W. Spemann in
Stuttgart.
 
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