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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Rheinisch Westfälische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17457#0012

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Liertkljahrlich 4 ^lt. in d«a Sxprdilivnr»,
und 4 75 durch die Post bezogen.

lelegrinnm.Ddrefft: Zeitung Effen Ruhr-

Essener Zeitung, Esseu. — Westsälische Zeitllllg, Dortllllllld.

Kveisvlatt füe -err Stadt- rrrrd Kandkveis Gsferr rrrrd derr Stadtkeeis Doetrnund«

Nedaktio» Md ^Lpedition m Ksse» Amgstraße 11. in portmsud Htxestr. 31.

Mir di» 8mal gespaltm« Prtitzeü« od«
Ram» 25

Revamm » Zelle 1 ^

W »I«

Esse« und Dortmnnd, Frcitag

6. Auguft.

L88«

^' Basel: Haasenstein L Vogler. Berlin: Haasenstein « Vogler; Jnvalidendank; R. Mosse; Bernh. Arndt. vochnm: O»c. Hengstenderg Lonn: Gust. Tohen. »reme«: «. Schlotte. Lrefrld: Ikramer « vanm. DreSde«: Jndaltde»5««r.
SHHkttLeL Dnisbnrg: W. Falk Nachf. (Schatz L ten Hompel.) Düffeldorf: H. Kronenbergffch« Buchdruckeret. Elberfeld: W. Thtenes. Frankfurt a. M.: S- L. Daut« « «».; Haasenstein » Bogler; R. Ross/. Gelsenkirche«: F- Dienst. H«W»er

Vtt» Hammerschmtdt. Halle a. S.: I. Barck L Co. Hambnrg: Haasenstein L Vogler; R. Mosse; Ad. Steiner. Hattingeu: C. Hundt sel. Wwe. Herne: T. Th. Ikartenterg. AettMig: F. Flothmann. KSlo: Haasenstein L Vvgler; R. Rosse. LeitzqWt
M. L- Daude L C«.; Haasenstetn L Vogler; R. Mosse. Magdebürg: Rob. Kieß. Miude«: C. Marowrkh. Mülheim au der Ruhr: L. Goll. Münche«: R- Mosse. Münster: A. Roles. Odrrhause«: G. Kühler. Rotterda«: Rijgh » »a« Ditneö«.

Rvhrort: Andreae L Co. Soli«ge«: A. Pfeiffer. Steele: F. W. Lohmann. Wrrde«: C. D. Bideker. Wte«: Haasenstetn L Bogler. Mtte«: C. L. Krüger.

Rachmittags Ausgabe.

Die 500jährige Jubelfeier der Ruperto>Carola.

Der Fackelzug am zweiten Festtage.

L.6. Hetdelberg, 4. August.

Rach den Profesioren und Dozenten wollte auch die studentische
Jugend zu ihremRechte kommen und ihrem Reetor w»ßniaoenti«simuo
dem Großherzog, die Huldigung der eiveoaesckewiei nach studentischem
Brauche darbringen. Das geschah in der Form eines Fackelzugs,
wie ihn glänzender eine deutsche Hochschule wohl selten gesehen
hat. Dte ganze Studentenschaft, Verbindungs- und Nichtverbindungs-
studenten, beteiligte fich daran und die Zahl der Fackelträger ist
mit 3000 nicht zu hoch gegriffen. Einzeln zogen die Korporationen
mit wehenden Fahnen und unter klingendem Spiel, die Chargterten
voran, bei Einbruch der Dunkelheit über den Neckar und stellten
flch dort zum Zuge auf. Berittene eröffneten denselben, dann
kamen im Wagen der Ausschuß der Studentenschaft, nach ihnen
die Kmps Soxoborussta, Suevia, Vandalia, Guestfalta, Rhenania,
hierauf die Nichtverbindungsstudenten, der Wingolf und zum Schluß
die Burschenschasten Alemannia und Frankonia. Der Zug ging
über die altc Ncckarbrücke zum Rathause, dann durch die Haupt-
straße und kehrte über die Anlagen zum Ludwigsplatz zurück, wo
vor dem Universitätsgebäude die Fackeln unter dem Gesange des
Olsuäeawus igitur zusammcngeworfen wurden. Auf dem Altan
des Rathauses hatte der Großherzog mit der Großherzogin und
dem deutschen Kronprinzen Aufstelluna genommen. Als der Zug
hier ankam, marschierte er vor dem Rathause auf, v»uä. woä. Claus
als Vertreter der Studcntenschaft hielt etne kurze Ansprache und
brachte ein Hoch auf den Großherzog aus. Dann wurde Moutluw
geboten. Der Großherzogdanktemitweithinvernehmbarer Stimme
für die freundlichen Gesinnungen, welche die Studentenschaft ihm
entgegengebracht habe und fuhr dann fort: „Thun Sie mir jetzt
den Gefallen, meine Freunde, und bringen Sie mit mir ein zwettes
Hoch aus auf den verehrten Gast, welchcn wir bei uns zu sehen
die Ehre haben, den Vertreter unseres Kaisers. Rustn Sie mit
mir: „Es lebe der Kronprinz des deutschen Reiches."
Brausend erklang das Hoch, dann setzte sich der Zug, der
zum Vorbeimarsch »/« Stunden brauchte, wieder in Bewegung
und unter fortwährenden Hochrufen zogen die Fackelträger
an ihrem Rektor und scinem erlauchten Gaste vorbet. Der
Kronprnz wartete den Schluß des Zuges ab und fuhr dann,
vom großherzoglichen Paare und den Prinzsn begleitet, zum
Bahnhofe, um sich 10 Ühr 10 Min. nach Darmstadt zu begeben.
Er wird aber zum historischenFestzugwieder htererwartet. Als der
Eisenbahnzugsich in Bewegung setzte, brachteder Oberbürgermeister ein
dreifaches Hoch auf den Kronprinzen aus. Nach dem Fackelzuge
hatte der Heidelberger S. C- einen Kommers veranstaltet,
welcher in ernem durch eine Scheidewand abgegrenztcn Teile der
Festhalle stattfand. Hier kam das studentische Leben so recht zum
Durchbruch. Das „S. C.-Reiben" ergab, doß Korps von sämtlichen
deutschen Hochschulen Vertreter zum Feste der Ruperto - Carola
entsandt hatten. Daß auch recht bemooste Häupter da waren, bewics
das „Semesterreiben", wo das 89. Semester als ältestes auf's
Wohl der Füchse trank. Minister v. Goßler und Präsident
v. Wedell waren als alte Soxoborussen, Minister v. Lucius als
alter Vandale anwesend, avßerdcm noch verschiedene Profesioren,
Osfiziere und ein reicher Damenflor, für welchen ein besonderes
Podium errichtet war. Der Landesvater stieg gegen l Uhr. Dann
trat die Fidelitas in ihr Recht.

Die Ehrenpromotionen in der Heiliggeistkirche.

M. Heidelberg, 5. Aug.

Heute früh 9 Uhr fand in dcr Heüiggeistkirche die feierliche
Verlesung dcr Ehrenpromotionen statt. Um 9 Uhr betraten unter
Orgelklang der Großherzog und die Frau Großherzogin, beglcitet
von sämtlichen am Feste tcilnchmenden Notabilitäten, das Gottes-
haus und nahmen chre Sitze am Ende dcs Mittelschiffes vor der
Rednerkanzel ein. Eingeleitet wurde die Feierlichkeit durch den
Meisterhaften Vortrag des für gemischten Chor und Orchester von
Ph. Wolfrum komponierten und der llupkrto-6»rol» gewidmeten
großm Halleluja von Klopstock. Sodann ergriff Prorektor Prof.
Bekker das Wort, um den Dank der Untversttät für die über-
reichcn, ihr zu Teil gewordenen Geschenke darzubringen und der
Freude Ausdruck zu geben, daß der Uup6rto-6»rol» Gelegenhcit
gegeben sei, durch Verleihung der Ehrendoktorwürde an verdiente
Männer der Wisienschaft ohne Unterschied der Nationalität sich
erkenntlich zu zeigen. Sodann bestiegen der Reihe nach die Dekane
Ler verschiedenen Fakultäten den Katheder, um, nachdem sie
die allgenreinen GestchtLpunkte entwickelt hatten, nach welchen von
ihnen bei Ler Auswahl der Ehrendoktorcn verfahren worden sei,
die bereits telcgraphisch gcmeideten Ehrenpromotionen zu ver-
kündigen. Als der Name des Großherzogs verkündigt wurde, sagte
Dekan Bassermann die Ehrenpromotion begründend:

„Einem Fürsten sromm und mild, einem echten Theologen, dessen wctse
Regierung die Landeskirche gestärkt und ihr den Frieden gebracht hat, —
dem Schöpser der Kirchenversassung, — dem Fmsten, der durch das, was
er ist und was er gethan hat, aus d-r Höhe jenes Pfalzgrasen steht, dem
die Geschichte den Bemamen des Frvmm n gegeben hat."

Der Großherzvg hatte stch erhoben, als der Dekan Basier-
mann das Wort an ihn richtete und verneigte stch am Schlusie
von Bassermanns Wortsn vor den in der Kirchc Versammelten,
die stch msaesamt von thren Sitzen erhoben hatten. Mit einem

Satz aus HLndels „rsäsum" und unter Orgelklang schloß die
Feier. Der Großherzog und die Großherzogin hielten darauf noch
einen Cercle ab. Der Großhcrzog dankte dabei dem Dekan
Basiermann für die ihm durch die Promotion zum Doktor der
Theologie zu teil gewordene Ehre, er werde dieselbe für dre Jahre,
die ihm noch vergönnt seien, erst ganz zu verdienen bestrebt sein.
Die Frau Großherzogin sprach dem Dekan der juristischen Fakultät,
Prof. Schulze, ihre große Frcude über die Ernnmung des Erbgroß-
herzogs zum vr. jm. aus. Heute nachmittag sindet im Schloß
in Karlsruhe Empfang und Diner der Delegierten und
Ehrengäste statt, die stch mittelst Extrazuges dahin begeben, es
sind gegen 400 Einladungen ergangen. Am Abcnd soll hier in
Hetdelberg das Schloßfeft vom Dienstag noch einmal wiedcrholt
werden, wobei jedermann gegen Erlegung eines billigen Eintritts-
geldes Zulaß erhalten kann.

* »

«

Außer den im heutigen Morgendlatt erwähnten Ehrenpromottone»
flnd voch folgende Promotivnen geschehen: Hauchecorne, Direktor der
Bergakademte in Berlin, Capaffo, Superintendent der italienischen
Staatsarchive zu Dvktoren der Medizin, und Staatsminister Turban
zum Doktor der Philosophie. Unter den Ehrenpromotionen ist eine,
welche bei allen Nationalgesinnten in ganz Deutschland und überall, wo
Deutsche, die ihrem Vaterlande treu anhängen, wohnen, die freudigst«
Genugthuung gewähren wird: Herr Rudolf ». Benuigsen ist zum
Ehrendvktor der Rechte promovtert worden Das ihm ertetlte Diplom
hat, laut dem Hannoverschen Courier, solgenden Wortlaut:

„Dem hochherzrgen deutschen Patrioten, welcher in der
Zeit der tiefstenAbspannung denGlauben anDeutschlands
Zukunft bewahrt unb im deutschen Volke genährt und be-
festtgt hat, welcher einen entschetdenden Etnfluß auf das
Zustandekommen der Norddeutschen Bundesverfassung aus-
geübt, und ebenso bei der Wtederherstellung des deutschen
Retches im Rate der StaatSmänner wie im Parlamente
bedeutsam mitaewirkt hat und in seincm ganzen öffent-
iichen Leben Uberzeugungstreue mit staatSmännischem
Bltck und weiser Mäßigung verbunden hat.

» '»

»

Dritter Auszug aus der Liste der Festtetlnehmer: Blohmeyrr,. Ad.,
Prosefsor, Leipzig. Buhl, F. H., ReichSrat, Deidesheim. Bahmann, Em.,
Justizrae, Koburg. Cohn, Herm., Prof. m«ct., BreSlau. Ewald, C. A.,
Prvf. m«ä., Berlin. Engler, Oito, Pros., Wiesloch. Eisenlvhr, Aug.,
Ministerlaldirektor, Karlsruhe. Frech, Ministerialrat, Mannhcim, Ehren-
gast. Gundelfinger, Prof., Darmstadt, Ehrengast. Gneist Geheimerrat,
Berlin. Hagenmeyer, Professor, Münster. Hund, Oberrechnungsrat,
Karlsruhe. Hoff, Prof., Karlsruhe. Haug, Gymnasialdirektor, Mannheim.
Häußner, Pros-, Karlsruhe. Haeckel, Prvf., Jena, Ehrengast. v. Hartel,
Profeffvr, Wien, Ehrengast. Kekule, Geh. Reg.-Rat, Bonn, Ehrengast,
Klein, vr., HosgerichtSrat, Darmstadt. Kast, A., Pros., Freidurg. Kamm,
Oterlandesgerichtsrat, Karlsruhe. v. Löffelhvlz, R., Regierungsrat, Speyer.
Moses, Bernh., Prof., St. FranziSko. Mays, Alb. Landtagsadgeordneter,
Heidelberg. Mcy r, Fr., vr., Geh. Rat, Berlin. Mommsen, Profeffor
der Universität, Berlin. Manatschal, Ferd, Reg.-Rat, Chur (Schweiz).
Frhr. v. Marschall, Adolf, Geh. Legationsrat, Berln. Neumann, Friß,
Profeffor, Freiburg. Niehues, Bernhard, Prvfeffo», Münster. Ponfick, E.,
Profkffvr, Breslau. Pfiister, E., Univ.-Admintstrator, Freiburg. Preyer,
Wilhelm, Profeffor, vr., Jena. Reye, vr., Prof., Straßburg. Riddeck,
vr., Prof, Leipzig. Skymour, Thom, Prof-, New-Haven. Schwabe,
vr., Pros-, Tübingen. Serger, Fr., Oberlandesgerichtspräfident, Karls-
ruhe. Stida, Ludwiq, vr., Prof., Königsberg. Spener, Gustav, Kammer-
gerichtssenatsprästdent, Berlin. Serafini, Filippo, Professor der Rechts-
wiff<nschaf», Pisa. Teutich, Professor, H-rmannstadt. Tenner', Prof.,
KarlSrnhe. Wedekind, OberlandeSgerichtsrat, KarlSruhe. Zittelmann,
Prvs-, Bonn. v. Wurmb, RegterungSpräsident, Merseburg. v. Örtzen,
Fortunat, Atinisterialrat, Schwerin. Meyer, Lothar, Pros., Tübingen.
Ullmarm, Geheimrat, KarlSruhe. Boysen, F., Sanitätsrat, vr. meä.,
St ttin. Schaible, Karl, Prof., London. Lewald, Ferd, Ministerialrat,
Karlsruhe.

Deutsches Reich.

Amtliches.

Se. Maj. der König haben Allergnädigst geruht: dem Rechnungsrat,
expcdierenden Sekretär und Kaffen-Rendantcn Körber dei den Königlichen
Museen in Berlin und dem Gerichts-Kassen-Rendanten a. D-, Rechnungsrat
Roil zu Jnowrazlaw, den Rvten Adler-Orden vierter Klaffe; dem Kammer-
mufikus a. D. Thiele zu Berlin den Königlichcn Kronen-Orden vierter
Klasse; svwie dem btsherigen Gemeinde - Vorsteher Samuel Krüger zu
Ssratoga im Kreise Ost-Sternberg das Allgemetne Ehrenzeichen zu verleihen.

Se. Maj. der Kaiser haben Allergnädigst geruht: den Regierungs-
Assessvr Wermuth zum Kaiserlichen Regierungsrat und ständigen Hülss-
ardeiter im Reichsamt des Jnnern zu ernennen.

Se. Maj. der König haben Allergnädigst geruht: den Landwirt
Wilhelm Stepmann gmannt Beckmänn in Wattenscheid infolge der
von der dortigen Stadiverorbneun - Veisemmlung getroffenen Wahl zum
undesoldeten Bcigeordneten der Stadt Wattenschetd für eine Amtsdauer
vvn sechs Jahren zu bestätigen.

Der Finanzminister hat den Regierungen durch Versügung vom
24. v. Mts. zur Nachachtung und weiteren Veianlaffung mitgetetlt, daß
dte Oliigationen der Prioritäts - Anleihen der Thüringtschen, der
Oberschlesischen, eer Breslau-Schweidnitz-Freiburger, der Altona-Kieler
und der Berlin-Hamdurger Eisenbahn - Unternehmungen, nachdem
d-r Staat diese Anleihen mit dem Eigentumserwcrbe der gedachten
Bahnen als Selbstschuldner übernomme» hat, fortan zur Bestellung von
Amtskautionen nach Maßgabe des § S ves Gesetzes vom 25. März 1873
zuzulassm sind.

* Berltn, 5. Aug. Der am Dienstag von Jhner. an lei-
tender Stelle beurteilte Katkoffjche Artikel in der Moskauer
Zettung über die Beziehungen Rußlands zum Ausland,
der jetzt im Wortlaut vorliegt, wrrd hier noch immer viel besprochen

und gedeutet. Da in demselben mit keiner Srlbe Osterreich-Ungarn
erwäynt wird, das stch doch sonst der besonderen Aufmerksamkett
der Panslawisten zu erfreuen hat, und da die Katkoffsche Kund-
gebung fast genau in dem Augenblick erschienen ist, als Erzherzog
Karl Ludwig im Peterhofe eingetroffen war, so ist man hier sehr
geneigt, darin einen Versuch der Panslawiften zu erblicken, Osterreich
zu Rußland herüberzuztchen. Die beste Antwort darauf ist die bevor-
stehende Gasteiner Kaiser-Begegnung, die diesmal von besonderem Glanz
umgeben sein wtrd. Diese Antwort ist so deutltch, daß ste selbst
an der Moskwa verstanden werden wird. Jm übrigen kann
gegenüber allen gegenteilig stch bemerkbar machenden Stimmen ge-
sagt werden, daß von kundiger Seite eine Anderung in den
Beziehungen der drei Katsermächte entschieden brstritten
wird. Herr von Giers wird sicherlich rm Laufe der nächsten
Wochen den Fürsten Bismarck zu sprechen Gelegenheit
nehmen und, sollte dies nicht geschehen, so braucht man
hierfür doch nicht politische Gründe anzunehmen. Ein offiziöser
Petersburger Brief der Politischen Korrespondenz betont soeben
gletchfalls, daß das gegsnjeitige Verhältnis der drei Kaiserreiche
keinerlet Anderung erfahren habe. Der Offiziöse legt dem Besuch
des Erzherzogs Karl Ludwig in Peterhof eine hohe Be-
deutung bei; dieselbe liege aber nicht in einer angeblichen politischen
Mrssion des Erzherzogs, sondern darin, daß der Besuch in einem
Zeitpunkte erfolgte, wo ungünstige Gerüchte über die gegenseitigen
Beziehungen umltefen. Mit allen diesen b ruhigenden Meldungen
sttmmt auch eine hter erst telegraphisch bekannt werdende Nottz der
Münchener Neuesten Nachrichten von einem vollständtgen Etnver-
nehmen zwischen Btsmarck und Kalnoky überein. Darnach soll sichder
Reichskanzler Fürst Bismarck in München außerordentlich befriedigt
über die Verhandlungen mit Kalnoky geäußert haben, ebenso über
seine Verhandlungen mit dem russischen Botschaftsrat Baron von
Mohrenheim in Krjstngen, die wcitere mit Giers unnötig gemacht
HLtten. Rußland sei von einem Bündnis mit Frankretch weiter
entfernt als je. Eine Erneuerung des Dreikaiserbündntsses
habe an Wahrscheinlichkcit gewonnen. W.nn man dazu dte gestrige
Meldung des hiesigen Mitarbeiters der „Rhetnisch-Westfälischen
Zeitung" beachtet, wonach der russische Militärattache Fredericks
wegen seiner Rede bei der Enthüllung des Chanzy - Denkmals
in Nouart nach St. Petersburg berufen worden ist, und
weiterhin durch ein pariser Spczialtelegramm der heutigen Neuen
Preußischen Zeitung vernimmt, der französische Ministerpräsident
Herr v. Freycinet habe, weil das Petersburger Kabinett die
in Rußland versuchte Deutschenhetze Deroulede's übel
vermerkt habe, durch seine diplomatischen Agenten in Rußland
auf den dort weilenden Deroulede einzuwirken gesucht, damit
derselbe seine deutschfeindliche Propaganda unterlaffe: wenn
man das alles inbetracht zieht, so wird in der That dsr in letzter
Zeit sehr mit dunklen Wolken umzogene auswärtige Horizont
wieder tn merklich hellerem Lichte erscheinen.

Die Richtigkeit der Mitteilung, daß Frankreich bei den
Kaisermanövern in Elsaß-Lothringen unvertreten sein werde,
da der Milttärattache der hiestgen französischen Botschaft die An-
weisung erhalten hat, denselben fernzubleiben, wt:d, wte man der
Magdeburgischen Zeitung schreibt, hier stark bezweifelt. Man hat
es höchst wahrschetnlich mit einer grundlosen Vermutung zu thun,
wofür schon der Umstand zu sprechen scheint, daß von dem
Milttärattache die Rede ist, während die hiestge französische Bot-
schast deren zwei besitzt. Frankreich war auch bei dcn vorigen
Kaisermanövern in den Reichslanden durch einen Mtlitäratiache
vertreien und es ist nicht abzusehen, weshalb dte französische
Heercsverwaltung diesmal auf den Vorteil verzichten sollre, in
rechtmäßiger Weise von einem Sachverständigen über den Verlauf
der großen deutschen Manöver unterrichtet zu werden.

S. M. Panzerschiff „Friedrich Karl", Kommandant: Kapitän
zur See Stempel, ist am 3. August cr. in Tanger eingetroffen.
S. M. Schiffsjungen-Schulschiff „Nixe", Kommantant: Korvetten-
Kapitän von Arnim, ist am 4. August in St. Vincent (Cap Verdes)
cingetroffen und beabsichtigt am 11. August cr. wieder in See
zu gehen.

Der Dampfer „Electra " mit der abgelösten Besatzung S. M.
Kreuzer „Möve" und S. M. Kanonenboot „Hyäne" ist am

3. August c. iu Port Said eingetroffen und beabstchtigt an

4. August c. die Hetmreise fortzusetzen.

Prinz Wilhelm gcdachte sich morgen, am 6. d. M., von
Reichenhall nach Gastein zu begeben uud von dort am 10. d. M.
mtt seinem kaiserltchen Großvater die Rückreise nach Potsdam an-
zutrcten. Die Prinzessin Wilhelm wird mit ihren Söhnen noch
einige Tage in Retchenhall bleiben und alsdann von dort graden
Wegs nach Potsdam zurückreisen.

Der köntglich preußifche Gesandte beim Vatikan, 0r. von
Schlözer, hat, wte den Hamburgischen Nachrichten aus Lübeck
geschrieben wird, an seine Verwandten die Nachricht gelangen lasjen,
daß er spätestens zu anfang August Rom verlaffen und Mitte des
Monats tn Lübeck zum Bssuch eintreffsn werde. Es dürfte stch
danach die von der Rattonalzsitung vor kurzem ausgesprochene An-
nahme, Herr v. Schlözer würde ketnen Sommer - Urlaub neh nen,
um mit der Kurie dtrekt Verhandlungen wegen der weiteren Re-
viston der Maigssetze zu führen, berichtigen.

Wie verlautet, wird auch Erzbischof Dinder von Posen-
Gnesen am 10. August der in Fulda stattfindenden deutschen
Bischofs-Konferenz beiwohnen.

Der Minister Maybach ist Dienstaa vormittag nach Herings-
dorf abgereist, wv er bis zum Ablauf seines Urlaubes (Mitte
August) zu verweilen gedenkt.

Die beiden höheren VerwaltungZbeamten, welche dem Vor-
sttzenden der Ansiedelungs - Kommission, Oberpräsidenten Grafen

v. Zedlitz-Trützschler für die Geschäfte der Kommission beigegeben
sind, sind dem Posener Tageblatt zufolge dcr Regierungsrat
Steinicke (Hülfsarbeiter im landwirtschaftlichen Ministerium, biS
vor kurzem Spcztalkommiflar tn Liffä) und dcr bisherige Landrat
des Kreises Neustadt O.-S. vr. v. Wittenburg. Als Kom-
miffarien der verschiedenen Ministerien sind außer den bcreits ge-
nannten Ministerialräten Haase und vr. Kügler die Geh. Räte
v. Tepper-Laski, v. Wilmowski und Kuntze bestellt worden.

* Tchlanaenbad, 5. Aug. Der Kronprinz ist heute mittag
12 Uhr zum Besuch der Katserin hier eingetroffen und von den
Behörden, Schulen, Vereinen und den Badegästen unter enthusiasti-
schen Zurufen empfangen worden.

Osterreich-Ungarn.

* Bad Gastetn, 5. Aug. lTelegramm.) Gestern um 4 Uhr
fand in den Appartements des Katsers Wilhelm ein Galadiner
zu Ehren der Kaiserin Elisabeth zu 16 Gedecken statt. Als
die Kaiserin am Badeschloß vorfuhr, ging ihr Kaiser Wilhelm
entgegen und geleitete ste zum Empfangssalon. An dem Diner
nahmen außer den Majestätcn der Fürst und die Fürstin Bismarck,
Fürst Hohenlohe mit Gemahlin, die Gräfin Majlath, Baron
Nopcsa und acht Herren der kaiserlichen Suite teil. Bet der Tafel
saß die 'Kaiserm an der Spitze. Zu ihrer Rechten der Kaiser, zu
threr Ltnken Fürst Bismarck. Nach dem Dtner, welches eine
Stunde dauerte, folgte etn kurzer Cercle. Um 5 V, Uhr verließ
die Kaiserin von Osterreich das Badeschloß, von dem Kaiser bis
zur Terraffe geleitet. Bald darauf verließen auch die an.eren
Gäste das Badeschloß. Heute früh herrscht hier heftiger Regen,
weshalb der Kaiser seine Morgenpromenade unterlaffen mußte.
Vormittags nahm der Kaiser die Vorträge des Chefs des Militär-
kabtnetts, Generallieutenants von Albedyll, und des Wirklichen
Geheimen Legationsratts von Bülow entgegen. Gras Herbert
Bismarck ttifft hier am 7. August ein und bleibt während der
Entrevue-Tage hter. Fürst Hohenlohe ist heute früh abgereist.

Britisches Reich.

"Lorrdon, 5. Aug. Jn der heute bsi Lord Hartington
stattgehabten Versammlung der dissentierenden Ltberalen
sprach Lord Hartington seine Befriedigung über die bei den Par-
lamentswahlen gehabten Erfolge aus, empfahl indes, in dem neuen
Parlamente von jeder feindseligen Haltnng gegenüber den An-
hängern Gladstones abzusehen. Dte Wiederkonsolidierung der
liberalen Partei sei nur etne Frage der Zeit. Dre diffentierenden
Liberalen müßten deshalb ihre Sitze an der Seite der übrigen
Liberalen einnehmen und dadurch darlegen, daß die liberale Partei
mit Ausnahme eines einzigen Punktes nahezu in allen übrigen
Beziehungen einig sei. Chamberlain erklärte stch mit dsn An-
sichten Lord Hartingtons durchweg einverstanden, denen hierauf
auch von der Versammlung zugcstimmt wurde.

" Dublin, 5. Aug. (Telegramm.) Der ncus Vizekönig von
Jrland, Marquis v. Londonderry, und der Staatssekretär für
Jrland, Sir M. Hicks-Beach, stnd gestern hier angekommen und
haben heute ihre Posten übernommen.

'London, 5. Aug. Beide HLuser des Parlaments traten hcute
nachmtttag 2 Uhr zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Jm Oberhause
wurden die neu eingetrctenen Pairs vcrerdigt. DaS Unterhaus nahm
die Wahl deS Sprechers vor. Auf den Antrag Birckbecks, welchen
Gladstone unterstützte, wurde Peel, und zwar etnsiimmig, gewählt. Der-
selbe nahm die Wahl an und betonte dabei die Wlchtigkeit der Aufrecht-
erhaltung der Würde und Autorität des Präsidiums des Hauses; die beste
Bürgschaft sür die Redefreiheit und sür dte p:rsönliche Freiheit der
Parlamentsdeputierten set der Gehorsam gegen die Regeln unc die
Geschästsordnung des Hauses.

Fraukreich.

jch Parts, 4. Aug. Dte Agentur Havas veröffentlicht nach-
stehenden Brtef des Kriegsministers, General Boulanger:

„Paris, 3. Aug. 1836. An Herrn Limbvurg. Mein Herr! Jn
den Blättern sind vier mit meinem Namen unterzeichneie und an den
Herzog von Aumale gerichtete Biiefe erschienen. Da der erste offenkundig
salsch war, konnte ich die Echtheit de» Textes der anderen bts zur Wieder-
gade der Öriginale nicht erkennen. Jch habe geschwiegen. Heute erkläre
ich, daß die drei letzten Briefe, diejenigen, mit deren Veröffentlichung der
Herr Herzog von Aumale Sie betraute. echt sind. Jch will Jhnen die
Gnade erwetsen, kein Urteil zu fällen über die Handlungsweise Jhres
Gebieters, noch über die Arbeit, die Sie verrichtet haben. Auch gebe ich
mich nicht zu Erläuterungen über den Jnhalt dieser Briefe her. Sic
könnten dieselben doch nicht verstehen. Ste waren Präfekt der Republik,
um ste zu verraten; ich bin Mintster der Republik, um ihr zu dienen.
Ich diene ihr, Jhnen und den Jhrtgen zum Trvtz. Jch habe Jhren
Haß verdient und wünsche nichts dringlicher, als mich seiner auch ferner
würdig zu zeigen. Als der Herr Herzog von Aumale ohne Rücksicht aus
die militärtschen Vorschriften unter dem Vorwande der Jagden und zu
einem Zwecke, der heute deutlich erscheint, Offiziere um fich zu versammeln
suchte, von denen viele ihm unbekarmt waren, crhielt ich den Auftrag,
thm die Vorstellungen des damaligen KriegSministers zu übermitteln: ich
habe gehorcht. Als die Prinzenverschwörung mich zwang, zwischen meinem
chemaltgen Vorgesttzten uno Ler Republik zu wählen, dlieb ich der
Republik treu. Al« das Gesetz bcschlossen war, ließ ich es durchführen.
Unb wmn jemals die Aufwiegler, Jhre Freunde, den Einfall haben
sollten, vom Worte zur That überzugehen, so wird der Verfasser ser
Briefe an den Herzog von Aumale tn schlichter, abcr nachdrucklicher
Wetse stine Psticht gegen dte Freunde des Herzvgs von Aumale erfüllen.

gez.: Gcneral Boulanger."

Obiges Schreiben wurde gestern abend, wie der ofstziösen
Agentur, so auch Herrn Limbourg zwischen 10 und 11 Uhr zu-
gestellt, worauf dieser nachstehende Note auffetzte und selbst, weil
es für Havas schon zu spät war, den Blättern zustellen ließ:

„Der Empsänger dieseS Brteses wird seinem Versafstr, „dem Gmeral,
der in wenigen Tagen zwei Mal öffentlich lmgrrete, was «ach seinem
eigenen Wissm dtc Wahrbeit war", nicht die Gnade erweisen, ihn sür
einen Fehdepandschuh zu halten, der heute aufgehoben werden kann. Er

* Aus dem Schlachtfelde von Spicheren.

Erne Erinnerung aus tem Jahre 1870.

(Schluß.)

Endlich lag sie vor uns, die Anhöhe, welche mrt so viel
Heldenmut ersttegen, mit so zäher Ausdauw gegen die wütenden
Vorstöße der Franzosen festgehalten worden war! Fretlich, viele
Hunderte unserer wackerm So'daten waren ein Opfer des Todes
geworden, ehe ste noch den Fuß dcs Berges erretcht hatten. Hter
tagen ste, dte Braven alle, im glänzenden Sonnenschein, den ihr
gebrochenes Auge nicht mehr sehen konnte, noch in derselben
Stellung, in welcher die feindliche Kuge.l ihren Lebensfaden ab-
Leschnitten, über ihnen war die starrc Ruhe des Todcs aus-
Mbreitet; viele hatten sich im letzten Kampfe tief in dcn Boden
bineingewühlt, ihre schmerzverzogenen Züge zeigten, wie schwer ihnen
der Abschied gemacht worden war, über dem Antlitz anderer dagegen
süßer Frieden. Die treuen Männer, die schon während der
S>chlacht so vielen halb verschmachteten Kriegcrn und Verwundeten
Erquickung und Hülfe gebrachl hatten, waren emstg beschäftigt,
die Tvten fortzubringen, um sie zur letzten Ruhe zu betten.
Als wir ber brennender Sonnenhitze den Berg emporkletterten,
da wurde es uns erst klar, welch unvergleichltches Helden-
stück unserer Truppen die Wegnahme dieser geradezu un-

einnchmbaren Posttion gewesen war! Der lockere Sand-

boden, bei jedem Tritte nachgebend, machte uns das Empor-
klimmen Sußerst beschwerlich, endlich kamen wir bci den drci über-
cinander liegenden, verdeckten Schützengräben an, aus denen die
sranzöstschen Jäger iunsere Truppen mit einem solch verderben-
brtngenden Kugelregen überschüttet hatten. Aber auch sie mußten
urit dem Leben büßen! Gleich Rethen von Bleisoldaten, welche
Hand eines Knaben umwirft, so lagen die toten Franzosen tn

den Gräben nebeneinander. Die metsten, offenbar von den wild
Hinanftürmenden mit Kolben und Bajomtt getötet, zeigten
furchtbare Wunden; ganz vorn im ersten Etnschnitte lag ein
jugcndlicher Jägeroffizier mit zerschmettcrtem Schädel, die grüne
Uniform mit geronnenem Blute bedeckt. Als wir den Berg
erstiegen hatten und auf der Hochebene anlangten, sahcn wir
weithin durch die grünen Bäume die roten Hosen der er-
schlagenen Franzoscn schimmern. An manchen Stellen lagen die
Leichen besonders dicht und zeigten, wie mörderisch der Kampf
hier gcwütet hatte; so weit das Auge reichts, bltckte es auf
gefallene Franzosen; tote Pferde, bereits aufgedunsen, die Beine
empor strcckend, gewährten einen häßlichen Anblick und er-
füllten die Luft mit gtfttgem Leichendunst. Rings war der
Boden bedcckt mit zerbrochenen Waffen und zerfetzten Aus-
rüstungsgegenständen; Gewehrs mit verbogenen Bajonetten und
zersplitterten Kolben, Säbel mit schartigen und zerbrochenen Klingen,
Platt gedrückte, ourchlöcherte Helme lagen maffenwetse umher.
Dazu französische Tornister, beim Rückzuge hastig aufgerifscn und
des wertvolleren Jnhaltes entledigt, und unzähltge zerstreute Briefe.
Einen der letzteren habe ich mir zum Andenken mitgenommen, mit
ihm schickte eine arme Wttwe aus der Provinz dem Sergeanten
ihres Sohnes fünf Franken und bittet, demselben das Geld nach
und nach auszuhändigen. Das besorgte Herz der Mutter spricht
aus den rührenden Zeilen. Beim Weitergehen kamen wir an
einer Lichtung vorbei, woselbst die Franzosen offenbar beim Ab-
kochen ihrer Mahlzeit gestört worden waren, denn große Stücke
Fleisches lagen rtngs auf dem Boden, auch Haufen von Reis und
Bohnen, sowte Kochgeschirre und Feldflaschen in bedeutender Anzahl.
Als wiramEnde des Gehölzes angekommen, die Straße nach Spicheren
einschlugen, in dcssen Nähe unsere Truppen biwakierten, zogen mit
klingendem Spiele zwei Jnfanterie-Regimenter an uns vorüber in
das Land des Feindes. Dtcht an der Chauffe« bemerkten wir ein

mächtigcs Grab, in welchem unter Aufstcht eines höhercn Offiziers eine
Anzahl auf einem Leiterwagen herbeigeschaffter Tote bestattet wurd?n.
Der Offizier saß düster sinnend auf seinem Pferde, in der dunkeln
Gruft aber wurde Freund und Feind friedlich nebeneinander ge-
bettet. Das Dorf Spicheren, das wir nun rasch erreichten, erschien
uns als ein elendes Nest, die meisten Bewohner hatten es ver-
laffen und es hielt schwer, auch nur einen Trunk Waffer zu er-
langen, um unseren ausgettockneten Gaumen zu erfrischen. Die
Nähe des Lagers machte sich hier bereits bemerkbar, wir sahen
Soldaten mit dem Einbringen von Brennholz beschäftiat, andere
holten Waffer oder schleppten Lastcn von Heu und Hafer m das
Lager, das wir nach einigen Minuten erreichten. Welch' cin
Unterschied zwischen dem frischen und ftöhltchen Leben und Treiben,
das dort herrschte, gegen die drückende Stillc und den fürchterltchen
Ernst des Schlachtfeldes! Erleichtert atmete die Brust auf in
dieser lebensprühenden Umgebung. Vor den niedrigen Zelten saßen
und standen Offiziere und Soldaten in zwanglosen Gruppen; hier
wurde geplaudert und gelacht, dort kochten cinige ihre Mahlzeit, andere
reinigten die bestaubten Uniformen oder befferten die arg mitge-
nommenen aus; wieder andere putzten ihre Waffen zu hellem Glanze,
oder standen Wache, denn wie zu Hause rn der Garnison, so
regelte auch hier im Felde ,,des Dienstes ewig gleichgestcllte Uhr"
das Leben aller diefer tapferen Beschützer des Vaterlandes. Die
Freunde und Bekannten waren bald aufgefunden, ste freuten stch
herzlich über unseren Besuch und die Nachrichten aus der Heimat,
und führten uns sodann zu dem Kompagnieführer des verwundrten
Füstliers, dem Hauptmann von Blomberg. Wir trafen diesen
braven Offizier, welcher bei Saarbrücken, im dichten Kugelregen
an der Spitze seiner Leute vordringend, den Helm schwang und
Kaiser Wilhelm ein begeistertes Hoch brachte, und welcher später
bei Mars-la-Tour den Heldentod erlitt, vor seinem Zelte an, da-
mit beschäftigt, eigenhändig sein aus etnem Beefsteak bestehendes

Mittagsmahl zu bereiten. Mit großer Teilnahme erkundigte er
stch nach dem Zustande des Blessterten und trug dem Vater des-
selben herzliche Grüße an ihn auf; auch die anderen Osfiziere
betrugen sich sehr aufmerksam und fprachen namentlich ihre Be-
wunderung über den Mut aus, mit dem unsere jugendliche Begleiterin
den weiten Weg, mitten durch die Bilder des Schreckens, über
das mit Toten bedeckte Schlachtfeld nach dem Feldlager
zurückgelegt hatte. Plötzlich hörten wir ein braufendes Gelächter
aus vielen Tausenden von Kehlen, das wie ferne dahin-
rollender Donner klang — ern Hase hatte stch in das Lager
verlaufen und cs wurde Jagd auf ihn gemacht; ob Meister Lampe
entkam oder ob er gefangen wurde, ist mir nicht mehr erinnerlich.
Als nach mehrstündigem Verweilen die Abschiedsstunde für uns
schlug, wurden wir freundltchst bis an die Grenze des Biwaks
begleitet und traten den Rückweg nach Saarbrücken an, das wir
am späten Rachmittage erreichten. Hier fanden wir, daß sich
der Zustaud unferes Pattenten etwas gebeffert hatte, fodaß
der Arzt dem Vater die Hoffnung auSsprach, ihn am Leben
erhalten zu können. Unsere zarte Begletterin aber hatte stch
offenbar zu viel zugemutet und befand sich in einem Zustande
so hochgradiger Aufregung, daß es wünschenswert, ja not-
wendig erschien, so fchnell wie möglich nach der Heimat auf-
zubrechen. Nach etnem rührenden Abfchiede von dem Verwundeten
eilten wir nach dem Bahnhofe und waren so glücklich, in einem

bald darauf abgehenden Zuge noch in derfelben Nacht nach O.

zurück zu gelangen. Jn den nächsten Tagen schon warf ein heftigcs
Nervenfieber die junge Dame auf das Krankenlager; in wilden
Phantasieen wähnte sie stch auf dem Schlachtfelde, von Toten und
Perwundeten umgeben — erst spät im Jahre genas sie wieder.
Dte Brust des Bruders aber schmückt das Eiserne Kreuz.

DSi-gen. ^ ;Z

Georg Herrmaun.8?ü>
 
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