Rheiiiisch - WcstWsche Zeitmig.
Merteljährlich 4 ^k. in den Expedilionen,
und 4 75 ^z dnrch die Post bczogen.
LelegraLM'Ddreff«! Zeitnng Effen Ruhr.
Cssener Zeitllllg, Esse«. — Westfälische Zeitllllg, DortMlld.
KveisbLatt füe derr Ktadt- rrnd Kandkrets Gfsen «nd den Stadtkvets Daetrnnnd»
Fledaktim u«d ^irpedition m ßsse« Mrgstraße 11. m Zortmvvd Klpeflr. 31.
Nk di« Smal gespaltem Petitjeil« od« d«<K s
Raum 25 S-
«ellamm » Zell« 1
LL7.
Essen und Dortmund, Samstag
7. August.
L88«
' Basel: Haasenstetn L Vogler. Brrlin: Haasenstein t Logler; Jndalidendank; R. Mosse; Bernh. Arndt. Bochn«: Ogc. Hengstenberg. Bon«: Bust. L»he«. Nr««e«: «. Gchlottr. Lrefeld: lkramer * Baum DreSde«: J«dalt»«»d»»r.
Duisburg: W. Falk Nachs. (Schatz L ten Hompel.) Düffeldorf: H. Kronenbergffch« Buchdruckeret. Elberfeld: W. Thtener. Frankfnrt a. M.: G. L Daude » L,.; Haaseastein » Vogler; R. Mosse. Gelsenkirche«: F. Dieufi. Ha««r
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L- Daube L k».; Haasenstei» - Vogler; R. Mosse. Magdeburz: Rob. Kieß. Minden: C. MarowSky. Mülheim au der Rnhr: L. G»ll. Münche»: R. Mosse. Mü»sterr A. Rolef. Oderha«se«: G. Kühler. Rotterda«: Nijgh » »«« Dtt»«r>
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Wachmtttags Ausgabe»
Für die Momte August und Septemver
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Rheillisch-Westsälischt Zeitung
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Die 500jährige Jubelfeier der Ruperto-Carola.
Der historische Festzug.
6 6. Heidelberg, 6. August.
Das herrlichste Wetter, welches die bisherigen Fcstlichkeiten so
sehr begünstigt hatte, war auch dem heutigen Tage in seltenem
Dlaße beschieden. Sobald der Tag graute, war ganz Heidelberg
c>uf den Beinen, um in den Straßen, durch welche der Zug seinen
V)eg nehmen sollte, Aufstellung zu nehmcn und stunderlang hinter
den die Fahrstraße ahiperrenden Seilen der Vorbeipajsterung des
Zuges zu harren. Die Extrazüge aus Mannheim , Darmstadt,
Frankfurt, Matnz, Karlsruhe, dcm ganzen badtschen Obcrland,
der Pfalz, die sämtlich mit grvßer Verspätung eintrafen, brachten
Tausende vop Zuschauern und ich übertreibe nicht, wenn ich die
3ahl derselbcn auf 10000 veranschlage. Man wird stch das
Menschengewühl in den engen Straßen Alt-Heidelbergs vorstellen
können, aber Dank der getroffenen Arrangements und der nicht
hoch genug anzuerkennenden musterhaften Haltung dcs Publikums
kam es zu ketnerlei Verkehrsstörungen oder nennenswerten Unglücks-
söllen. Pünktlich zur festgesetztenZcit traf der Großherzogliche Hof, auf
dem ganzen Wege enthustastisch begrüßt, an der Fürstentribüne an der
Ecke des Bismarcksplatzes und der Sophienstraße ein. Dte terls vom
Festausschuß, teils von Privat-Unternehmcrn an den besten Aussichts-
punkten aufgeschlagenen Tribünen waren trotz dcr hohen Preise zum
Pößten Teil dicht besetzt. Der Abgang des Zuges verspäteie stch
uatürlich, aber die Harrenden wurden für ihr geduldiges Warten
wehr als entschädigt. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man den
öu Ehren des 500jährtgen Jubiläums der Ruperto - Carola ver-
anstalteten Historischen Festzug, was pomphafte Prachtentfaltung,
künsilerrsches Arrangement und histor>sche Treus bctrifft, als dis
ilnposonteste Demonstration dieser Art von bis jetzt in Deuffchland
gesehenen Veranstaltungen bezeichnet.
Hoch zu Roß eröffnete ein Herold (Herr Krockmann) mit der
Reichsstandarte den Zug, gefolgt von hübsch gekleideten Pagen
(Hofmann und Schroth) und Trowpetern (Johannes V-Hse und
Claus), welche den pfälzischen Löwen auf den Kleidern tragen und
dem kurpfälzischen Herolde (Bacr) tn deffen Brustschilde die
bahenschm Raufen zu sehen stnd. Diesen schließ-.n sich an sechs
Ritter in Rüstung aus den alipfälzischen Adelsgeschlechtern derer
von Handschuhsheim, v. Berlichingen, v. Hirschhorn, v. Seldeneck,
v. Gemmingen und v. Sieinach (Reißner, Mittermaier, Benkiser,
Gärtner, Kavalsky, Dohrenwendt), gefolgt von ihren Retfigen und
Pagen (Helmträger). Einen übcraus freundlichen Eindruck machte
dieKinoergruppe, Knaben undMädchen mitSträußlein undKränz-
kein geschmückt. An ste rethen sich alsdann an Augustinerinnen,
Domintkaner, der päpstltche Legat (Kardinal v. Mehrhardt) mit
^vigen Bischöfen. Hinter ihnen folgcn 6 Jungfrauen, die auf eiser
?ich geschmückten Tragbahre ein Madonncnbild tragen. Hinter
d«m Kanzler der Pfalz und den kurfürstlichen Pagen reitet unter
dcnem kostbaren Traghtmmel der Stifter der Universität Kurfürst
Rupr echt I. (Merk) mit seiner Gemahlin Bcatrix (Buhl). Zahl-
neiches Gefolge begleitet das Fürstevpaar, so Eckbrecht von Dürk-
heim (Steinfhal), Eberhard von Rosenberg (Stampel), Schenk
Eberhard von Erbach (Gräffrath), Wolf von Stein (Buttersack),
Roban von Helmstadt (Heuck), Johann Herr zu Rodenstein (Dan-
bacher), Siegfried von Venningen (Buhl), Jvhann von Flersheim j
(Occhelhäuser), Siegsrnd von Strahlenburg (Gehle). Als Edel- '
damen der Kurfürstin erscheinen: Else v. Erlikhetm (H. Holtzmann), k
Margarethe v. Hirschhorn (Lehmann), Elise v. Cronberg (Becker), !
Agnes v. Flehingen (v. Bulmerincq), Gude v. Schöneck (Mitter- !
Aaier), Else v. Katzenellenbogcn (Renaud) und Schenkin von '
Auch der Hofnarr (Schlieben) fehlt nicht, wohlgemut
tummelt er seine Mähre binter den Roffen der Edeldamen. Herolde
Fuß kündigen den 1. Rektor der hicsigen Hochschule an,
arsilius v. Jnghcn (Steinmetz) mit seincn ersten Amts-
genofsen, dem Hellmann v. Wunnenberg (Waltz), Reginald von
Alna (Cuntz), Dittmar v. Swerthe (Hartmann) und Johann
von Noet (Schleuning). Flotte Musensöhne, in der Tracht
des Jahres 1386 schreiten dem, von 4 Pferden gezogenen Wagen
der Ruperto- Carola vorauf. Hoch unter reichgeschmücktem Baldachin
sttzt dic Repräsentantin der Ruperto-Carola (v. Oechelhäuser), an
den vier Ecken des Thronseffels haben 4 giflügelte Genien ihren
Platz, dte Pietas (H. Stengel), Justitia (Heinge), Sapienta (Guinckc)
und die Veritas (Gaß). Studenten zu Fuß dccken den Wagen.
Die zweite Gruppe des Festzugs schild rt den Eii-zug Friedrich I.
(Bumieller) in Heidelbkrg nach der Schlacht bei Seckenheim (1462).
Heidelberger Bürgersfrauen und Kinder begrüßen dea stegreichen
Kurfürsten, in deffen Gefolge stch außer seiner Gemahlin Klara
Dettin (Baffermann) der Rhcingraf Johann (Chormann), Graf
von Eberstein (Ladenburg), die Herren von Sicktngen (Berlet),
v. Neipperg (Kusenberg), v. Sturmkelder (Walz) und v. Adelsheim
(Kauenberg) und bewaffnete Studcnten befindcn. Ein ftiedliches
Btld gewährt dic dritte Gruppe. Ste repräsentiert unter dcm
Vorantritt von Herolden, Bannernträgern und Trompktern die
flege der Kunst und Wiffenschaft unter Chmfürst Otto Heinrich
1556—59) (F. Landfried jun.). Der Kurfinst selbst erscheint
mtt seiner Gemahlin Susanna (8. Pfeiffer) und dem kurfürst-
lichen Gefolge: Graf Adolph von Naffau (G. Landfried), Graf
Ludwig v. LLwenstein (W. Anderst), Johann Plcckard Landschad
v. Steinach (8. Landfried), Peter v. Mentzingen (E. Landfried),
Philipp v. Gemmingen (Schifferdecker), Eberhard v. Veenningen
(L. Anderst), Clarus Helmstädt (Kcppler), Thomas Rheingraf
v. Solms (Puchelt), Graf Philipp v. Hanau (Müller) mit ihren
Gemahltnnen und endlich Ritter Kaspar von Mosbach (Schwartz).
Melanchthon (Leckerbusch) im Gespräch mit dem Profeffor Peter
Baquin (Lederhose) geht dem prächtigen Universitätswagen
vorauf, auf dem inmitten von Studenten der Professor Jakob
Micyllus (Kern) steht Es steht aus, als halte der gelrhrte Mann
eben et« Kollegiuw. Seinem Wagcn folgt eine Volkstruppe Groß und
Klein, die Bevölkerung Heidelbergs, vertretend. Jhr schließt stch
an ein Bauwagen, mit Baumeister, Werkmeister, Zimmerleuten,
gefolgt von Landsknechten zu Roß und zu Fuß. Es verstnnbild-
licht die tn dtese Periode fallende Entstehung des Otto-Heinrich-
Baues, des bewunderungswürdigsten Teiles des Heidelberger
Schloffes. Die vierte Gruppe, eine der schönsten im Zuge, gibt
U!>s eine treffliche Darstellung des heitern Volkslebens in der
Psalz gegen das Ende des XV!. Jahrhunderts. Mustker und
Standartenträger reiten der Adelslaube vorauf, zu dcren Seiten
Hartschierc gehen. Die Adelslaube selbst bilden der Graf
v. Letningen (Corning), Graf v. Helmstadt (Schuhberg), Herr
v. Göler (Heß), und der von Meiningen (Bernheimer), sämtlich
mit ihren Gemahlinnen. Standarten kündigen den Palatiawagen
mit der Palatia (R. Hölzcr) an. Vier reich verzierte Pferde
ziehen den Schwanenwagen. Löwen halten an den Thronstufen
Wache, untcr zauberhaft gcschmücktem Baldachine sitzt die Palatia,
sast verdcckt von Reblaubgewinden. Ein Herold füh't die nächste
UnteraLteilung dieser Gruppe, die von jungen Bürgern u»d
Bürgerstöchtern aus Hetdelberg getragene Volkslaube, der stch
ein Ochsengefährt anschließt, auf dem der Weingott Bachus (Blank)
und die Göttin des Ackerbaues Ceres (Beiler) thronen. Den
Wagen begletten frohe SLngeriunen. Das Ganze versinnbildlicht
den Wetn- und Getreidebau der Pfalz. Natürlich fehlt in der Nähe
des Weingottes auch der Satyr-Sinn (Greiff) ntcht, der mit einem
wunderlich gestaltetcn Höllengepösel auftritt. Festlich bekränzte
Mädchen streucn Blumen um den folgenden zicrlich gebauten
Wagen, auf diffcn Palatin hoch die schaumgeborene Göttin der Ltebe
und Schönheit, Venus (Leibert) in würdiger Vertretung thront.
Und weil Liebe und Wein nun etnmal, wie ja männiglich bckannt,
in gehcimnisvoller Verbindung stehen, haben die Herren vom
Comite hinter den Vcnuswagen das große Faß dcs Heidelberger
Schlcffes gestellt, umgeben von zahlretchen Rittern des edlen
Naffes. Nun veikünden Trompeter das Herrannahen des Kur-
fürsten Friedrtch V., wie er mit seiner Gemahlin Elisabcth
von Englond (Brown) am 18. Juni 1613 in setne allzeit getreue
Rcfidenz an den Ufern des Neckar einzieht. Etn Herold mtt
Standarte, Hartschiere und kurpfälzische Soldaten, bcfehligt vom
Feldobersten von Schönberg (Gratwohl), eroffnen den Einzug.
Der Bürgermeister Heidelbcrgs (Fritzsche) und die Ratsherren
folgen ihmn, unter Vorantritt dcr Pedellen der Rektor der Hcch-
schule (Spath), gefolgt von Professoren und Studenten; dann hoch ,
zu Roß der Markgraf zu Baden-Hochberg (Mais) und Pleikhard -
v. Helmstadt (Mugl) und nun endlich der Kurfürst selbst (Spteß). -
Jn seiner Begleitung befinden sich Count (Gerling) und Counteß j
of Lenox (I. Keller), Counteß of Arundell (Berethsen), Markgraf.
v. Ansbach (C. Groß), der Fürst zu Anhalt (Kraus) reitet dir!
PfalzgräfinAmalieJakobe (I. Ammann) voraus, der eine holde Rethe j
Kranzjungfern folgt. Jhnen fchließen stch Ehrenftäulein an, hlnter i
diesen kommm dte Pagen der Kurfüistin, endltch diese selbst auf retch- >
geschmücktem Zelter unter einem überaus kostbaren Kronbaldachin. Im l
Gefolge der Kurfürstin Elisabeth befinden sich die Counteß of Hartington
(E. Becker), der Markgraf von Brandenburg (Schäffcr), Herzog
von Württemberg (v. Mitsscha), Pfalzgraf bei Rhein (Phtlips),
Anna Markgräfin von Baden - Hochberg (E. Erckenbrecht) und
Count of Arundell (v. Laczko), fämtlich zu Pferde. Jn der sich
anschlteßenden grünen Karosse habcn Plah genommen: Dte
Pfalzgräsinnen bei Rhein Magdalena (A. Landfrted), Charlotte
(L. Landfried), Kathartne (E. Landftted) und Christine; in der
folgenden rotenKarosse: Baroneß Elisabcth Dudley (Ritzhaupt),
Counteß Cccill (E. Oncken), der Pfalzgraf bet Rhein (Philips),
die Baroneß Apsliy Fräulein von Wted (H. Oncken). Neben
dem Wagen reiten der pfälzische Untermarschall Phillpp Jakob
von Affenstetn (Hahn) mtt etner Deckung von Hakenschützen. Die
folgendc Grnppe stellt die für unser Vaterland so unselige Zeit
des dreißigjährigen Krieges und dcs Orleansschen Erbfolgekrteges
(1688—97) dar. Dte böhmische Gesandtschaft von 1619 zieht
an der Spitze der Gruppcn, kaiserliche und schwedische Reiter, ein
schwarzer Reiter (Stnnbild des 30jährigen), und ein schwarzes
Roß (Sinnbild des Orlcansschen Erbfolgekrieges) folgen, endlich
Kurfürst Karl Ludwig (1632—80) zu Roß, desgleichen Louise
von Degenfeld. Dte Zeit des Kurfürsten Karl Philipp (Klaus)
(1716—42)bringt uns eimn Jagdzug zur Darstellung: Jagdjunker,
Piqueure, Falkonter, ein Falkenjunge mit Falken auf einer Trag-
bahre, ein Kavalier mit seinen Damen, ein Pirschwagen, blasende
Jäger, Jäger mit Schweißhunden, ein Jagdwagcn, der Kurfürst mit
Gefolge, endlich der Ptrschwagen mit dem erlegten Keiler — das
alles zeigt uns die Blüte des edlen Watdwerks in der dastgen
Zeit. Der Zwerg Perkeo (Wagner) schlteßt dcn Zug. Das letzte
Bild aus der alten Zeit bringt uns den Kurfürsten Karl Thcodor
(1742—99) — (Bergmann) zu Pferde mit glänzendem Gcfolge.
Etne stattliche Schar Trompeter eröffnet das 19. Jahrhundert.
Der badische Feldmarschall mit Fahne reitet dem vierspännigen
Festwagen vorauf, der die Wiederherstellung der hiefigen Hochschule
durch Karl Friedrtch von Baden barstellt. Zu beiden Seiten etner
hochragenden Marmor'äule ruhen zwei Gmten, voran auf dem
retch mit Kränzen Lehangmen Wagen steht hinter dem badischen
Wappen der geflügelte Adlerlöwe. Den Wagen deckt dte Studenten-
schaft unscres JahrhundertS. Burschenschafter aus den Freiheits-
krtegen, sodann moderne Burschenschafter (Alemannen und
Frankoncn), hierauf die Korpsstudenten Heidelbergs (Schwaben,
Guestfalen, Soxo-Boruffcn, Vandalen und Rhenanen) und einen
würdigen Schluß bildet „das neue Deutsche Reich" unter Voran-
trttt dcs Reichsbanners, umringt von dcn Bannern der Bundes-
staaten. Die Gruppenbtlder waren von Herrn Prof. Hoff an der
Kunstschule zu Karlsruhe entworfen unb unter seiner persönlichen
Lettung «usgearbeitet. An den Detailarbeiten haben mttgewirkt
die Hcrren Prof. Schurth, Maler Kallmorgen und Borgmann in
Karlsruhe und Wilhelm Trübner in München.
Was dte Bilder besonders anziehend machte, das waren die
edlen Frauengcstalten, welche in dem Zuge einherschritten. Heidel-
berg ist nicht nur selbst eine echte Schönheit, es zählt auch echte
Schönheiten unter setnen Bewohnerinnen: das erlesenste Kon-
tingent, im Etnklang mit Schönheit und Zeitkostümen, vereinigte
der Etnzug dcs Kurfürsten Friedrich V., der 1613 mtt der eng-
ltschen PrtmMn Elisabeth als Ehegemahl tn die Hauptstadt
Pfalz unter glänzendem Gepränge einzog. Wenn eine Königin
des Festzugs genannt werden soll, so ist sie im Gefolge dieser
heiteren Fürstin zu suchen; die Schönsten der Schönen befanden
stch in den grünen und rothen Karofsen, welche sich im Hochzeits-
zuge als farbenleuchtende Kletvodien hervorhoben. Jm allgcmeinen
fand das Auge noch mehr als auf den Prunkwagen in den be-
scheideneren Gruppen der Ktnderlehrerinnen und im erlten Zuge
der Bürgerfrauen, tm zweitcn der Winzerinnerr, im vierten der
Kravzjungfern und Ehrenfräulein im Hochzeitszug Elisabeths gleich
Veilchengruß tm Lenz weibltche Anmuth und Schönheit in feffelnder
Mannigfaltigkeit entgegenleuchten. Die Universttät war namentlich
im dritten Zugs aus der Zett Otto Heinrtchs und am Schluß
vertreten, in dem ersteren Universitätswagen, auf dcm vor seinen
Wvrten lauschenden Studentcn Micyllus ein Kollegium hielt. Hier
war auch ein Bauwagen, den Beginn des Ottoheinrtchsbaues in
sinnreicher, plastischer Weise veranschaulichend. Besonderes Lob
wegen der lebensvollen Gestaltung auch in Bezug auf dcn Ge-
sichtsausdruck und die Haltung vcrdienen die Winzer und der
Jagdzug. Störend wirkten Kneifer auf den Nasen von mittel-
alterlichen Rittern und Reistgen. Doch als Ganzes betrachtet,
entsprach das Geleistcte dem glänzenden Aufwande und der vtelen
Mühs, die alle Bcteiligt-n zum schönen Gelingen eingefltzt hatten.
Heidelberg hat auch auf diesem Gebiete dem Jubiläumsfest einen
Charakter gegeben, der immer cchten, dem Herzen entsprossenen
Jubel weckte.
Der Zug brauchtc, um an etnem gcgebenen Punkte vorbei-
zuziehen, das öftere Ver.vetlen mitgerechnet, beinahe eine Stunde.
Jctzt «ogt es in den,.Straßen auf und nieder, alle Wirtschaften
stnd v:ll besctzt, überall herrscht eitel Festesfreude.
-
Dornn, Emil, Ministerialrat, Karlsruhe. Exner, Profeflor, Wien
Goldammer, Profeffor, Karlsruhe. Liebermann, Karl, Professor, Berlin'
Frhr. v. Lanzwett-Simmern, Guttbes., Hannover. Meyer, B., Profeffor'
GSttingen. O'th, Profeffor, Göttingen. Porcher, Profeffor, Anger»'
Platner, vi-, Proseffor, Marburg. v. Proliu», Geheimrat, k. Gesandter'
Berlin. Renner, Eugen, Finanzrat, Stuttgart. Schellenberg, Geh-
Kirchenrat, KarlSruhe. v. Urlich», Geh. Rat und Rektor der Untversttät
Würzburg. Windisch, Ernst, Profeffor, Leipztg. Zeerleder, Profeffor, Bern.
Auszug aus der
Prosiffor, Stuttgart.
vierten Liste der Festteilr.ehmer: Bach, Karl,
Brvckhau», Albert, Verlaz»buchhandler, Leipzig.
Die „Deutsch-Eo. Blätter" legen in der kirchltchen Chronik
ihres neuesten Heftes jehr entschirdenc und berechtigte Verwahrung
ein gegen den Versuch, die altehrwürdtgen rheinischen Vorkämpfer
presbyterial-synodaler Verselbstständigung der Kirche
aus den Zeiten des absoluten Staats- und Kirchenregiments, eincn
Nitzsch und Landfermann, als Eideshelfcr für denHammersteinschen
Antrag aufzurufen, „MSnner, die stch im Grabe umdrehen würden,
wenn sie wüßten, daß man ihre guten Namen zu Gunstcn Brüel-
Hammersteinscher Kirchenideale mißbraucht." Angestchts der zum
größtcn Teil auf völltger Verkennung der etgentlichen Zicle des
Hammersteinschen Antrags beruhenden Zustimmungserklärungen, zu
dcncn sich einzelne rheintsche Synoden und Pfarrkonferenzen haben
mißbrauchen laffen, fragen dte Deutsch-Evangelischen Blätter:
„Jst dcnn am Rhein da» Verständnt» der rheinisch-westfälischen
Kirchenordnung und das Gedächtni» der großen Vorkämpfer füe evan-
gelische Gemeinde-Freiheit so sehr enischwunden, daß gavze Pfarr-
konserenzen die alten rheinischen Jdeale von den auf absolute Bevor-
mundung der Gemetnde gerichteten Kreuzzettung - Karrikaturen nicht
mehr zu unterscheiden vermögen?"
Deutsches Reich.
AmtlicheS.
Se. Maj. der König haben Allergnädigst geruht, d«m Obersörster
Passvw zu Sitzenrode, Regierungsbezirk Merseburg, den Roten Adler-
Orden dritter Klaffe mit der Sckleise; dem Postdiriktor Kühns zu Em»
den Roten Adler-Orden vierter Klaffe; dem emenlierten Pastor, vr. pdll.
Strodtmann zu Wandsbeck im Kreise Stormarn den Königltchen
Kronen-Orden druter Klaffe; dem emeritlerten Hauptlehrer und Organtsten
Kuhr zu Karnap im Stadtkreise Barmen, btsher zu Dönberg im Kreise
Mettmann, den Adler der Jnhaber des Köntglichen Haus-Ordens von
Hvhenzollern, rmd dem Ackerknecht Johamre» Mühleip zu Etzbach im
Kreise Altenkirchen das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen.
Se. Maj. der König haben Allergnädigst geruht, den Verwaltungs-
gerichtsdirektor vonTellemann-Steuber in Merseburg zum Mitglied
de» BezirkSauSschuffe» in Berlin und zum Stellvertreter des Präsidenten
desselben im Vorfltz dieser Behörde aus Lebenszeit, sowie den Regierungs-
rat Kober in Potsdam zum Mitglied des Bezirksausschusse» in Merse-
burg und zum Stellvertreter des Regierungspräsidenten im Vorsitz dteser
Behörde mit dem Titel „Verwaltungsgerichts-Dirkktor" auf Lebenszeit
zu ernennen; ferner den RegierungSräten von Eschwege zu Kaffel,
Frankenfeld zu Hannover, Schassner zu Wiesbaden, Vetter zu
Aachen, Bode zu Königsberg und Brede» zu Koblenz den Charakter
al» Geheimer Regierungsrat zu verleihen.
Den Oberlehrern vr. Zermelo rmd Uhlbach an der Friedrich-
Werderschen Ober - Realschule zu Berlin, sowte den Oberlehrern Pätsch
am R-algymnasium in Potsdam und Vogel am Gymnasium daselbst
rst tas Prädclat Profeffor. nnd dem ordentlichcn Lehrer Heinrich Gocke
am Gymnasium zu Altkntom der Titel Oberlehrer beigelegt worden.
Der Diiektor deS flädtischen Mus-ums ia Leipzig, vr. Lücke, ist zum
ordentlrchen Lehrer an der löniglichen Kunst-Akademie zu Düffeldorf
beiusen worden. _
Dcr Staatsanzeiger veröffentlicht das Gesetz, betr. die Gewährung
eineS besonderen Beitrages von 50 0ÜÜ000 im Vvraus zu den
Kvsten der Herstellung de» Rord-Ostsee-Kanals. Vom 16.Juli 1886.
*Berlin, 6. Aug. Man spricht noch immer von der geist-
und empstndungsvollen Rede, mit welcher der Kronprinz am
Dienstag in dcr Aula zu Hetdelberg das Jubiläum der Universität
gefeiert hat. Etnzelne Wendungen darin erinnern in überraschender
Weise an die Sprache Gustav Freytags. Z. B.: „Nun wir es
wieder besitzen das G'.ück der Vereinigung, strömr aus dem Ganzen
cin kräftigender Odem zurück in die alte, traute Hetmat unsercr
Bildung. Größer geworden stnd die Zwecke des Forschens und
Strebens, dankbarer und folgenreicher der Beruf, sie lehrend zu
verkündigen und lernend zu verstehen." Jn der Loge kannte man
den Kronprinzen seit langer Zeit als einen ausgezeichneten Redner.
Jn ssinen als Manuskript vervielfältigten Tagebüchern von der
orieiitaltschen Re ise und aus dcm deutsch-österreichtschen Kriege hat
er stch auch als guter Erzähler bewährt.
Die Post erfährt von einer hiestgen maßqebenden rusfischen
Seite, daß der russtsche Minister des Auswärtigen, Herr v. Gters,
von St. Petersburg geradeswegs nach Franzensbad zu seiner
Familie reist, von welcher bisher noch kein Mitglted, selbst die
beiden Söhne nicht, dieses Bav verlaffen haben. Dte Abreise
erfolgt Sonnabend, spätestens nächste» Montag. Nach Gastein
geht Herr v. Giers nicht, dürfte jedoch anderswo mit dem Fürsten
Bismarck zusammentreffen._ _
Studentische Schiedsgerichte und studentische
Zweikampsgesetze.
. Jn der Versammlung der deutschen akadsmischen Ver-
d'nigung zu Leipzig am 25. Jult, in welchcr Geheimrat vr. Es-
^arch aus Kiel zum Ehrenvorsitzenden ernannt und der bts-
xrige Vorstand wiedergcwählt wurde, sind die Entwürfe zu eincm
lludentischcn Schiedsgerichte und zu einem studentischen Zwei-
ranipfgesetze nach den Porschlägen der Ottsgruppe Berlin an-
»enommen wordcn. Der erstere lautet:
1) Bei jider Hvchschule svll ein Schiedsgericht bestehen.
2) Mitgliedir tes Sch'edsgerichts können uur Stutenten sein.
st. Die Einrichtung der Schiedsgcrichte und die Wahlordnung be-
"U'jNen Rrktor und Senat nach Aohörung drr Studentenschaft.
4) Dte Schiedsgertcht« haben zum Zwrck, b«t Ehrenhändeln zwischen
^rudenten aus Anrufen de» einen Teils Vergleichsversuche vvrzunehmen.
. 5) Die Mitglieder der Schiedsgerichte sind auf Ehrenwort veipflichtet,
?(N Versuch eines Vergletch« zu machen und, salls dieS beschloffen wird,
u°er alles im Schiedsgerlchte Vorgegangene Verschwiegenheit zu deobachten.
. ,6) Bei Ehrenhändeln zwischen Stüdenten verschledemr Hochschulen ist
a» SchiedSgericht derjenigen Hvchschule zur Vornahme der Vergleichs-
Muche zuständig, welcher die dcttselbe zueist anrufende Partei angehört.
^di Zweifeln über den Vorrang entscheidet das Los.
. 7> Die Partelen müffen dor dim Schiedsgerichte, deffen Verha«d-
mündlich geführt werden, persönlich erscheinen, jetoch kann bei
Entfernung der verschiedenen Hochschulen angehörendeu Parteien
d«m Schledsgerichte der andein Hvchschule die Vernehmung des
statifinden.
attnÄ Das Ergebnis der Verhandlungen — vb ein Vergleich zu stande
^ vder nicht — ist zu Prvtvkoll festzustcllen.
abzugeben"E Entscheidung auf Zweikampf hat dcs Schiebsgericht nicht
Körperschaften, welche von ihren Mitgliedern den
od-r unbedingt sordern, d. h. ohne daß ein Streitfall
"knn ein solcher vvrltegt, ohne daß dieser zuvor dem
' °"^ttchku Schiedsgertchte vorgelegen hat, stnd aufzulösen.
Der Emwurf zu einem studentischen Zweikampfgesctze lautet:
1) Der studentische Zweikampf (Cchlägermensur) unterliegt den
^gemeincn strafgrrechtlichkn Bestimmungen (§§- 201 bis 210 Retchs-
2) Der nach fruchtlos avsgefallenen Vergleichkverhandlungen des
an„»6sch«n Schiedkgerichtes ausgefochtene Zweikampf nnterliect den
IvnfMkinen stiasgesetzlichkn Besttwmungen über den Veisuch. (§§. 43
^-R.-Strafgesetzd.)
3) Jst Jemand nach den Ergebnissen der Untersuchung des SchiedS-
gerichts in frevelhafter Weise zum studentischen Zweikampf gereizt worden,
so kann das Strafmaß auf ein Viertel dcr ordentllchen Strafe ermäßigt
werden. Wer dagegen tn frevelhafter Weise zum studentischen Zweikawpf
grreizt hat, gegen diesen kann das Strasmaß bis auf die doppelte Höhe
erhöht werden. Jm WiederholungSfalle ist derselbe mit Gefängnisstras-
zu belegen.
4) Wer wegen unvermittelt — d. h. unter Umgehung des studentischen
SchiedSgerichtes — ausgesochtenen studentischen Zweika,»pses zweimal
kestraft worden ist, ist tm nochmaligen Wiederholungsfalle mit Gefängnis
zu bestri fen.
Dte Spitze dieser Entwüife, welche voraussichtlich dem Reichs-
tage zugehen werden, richtet sich gegen die sogenannten Be-
stimmungsmensuren, die durch dte Annahme dteser Bestimmungen
unmöglich gemacht würden.
Aus dem Gerichtssaal.
Düffeldorf, 2. Aug. Ein schändlicher Wucherer, der Kaufmann
Simon Lazarus hierselbst, bekam in der vorgestrigen Sttzung der
htefigen Straskammer seinen wohlverdienten Lvhn. Jn einer Reihe vvn
Fällen hatt« er die Notlage der stch an ihn wendenden Personen auS-
gebeutet. So hatte, wie wir etnem Berichte der Düsseldorfer Zeitung
entnehmen, etn Pserdemetzger für de» Diskont von Wechseln etwa 20 pCt.
zu dezahlen und mbenbet euch noch, ebenso wle eine Anzahl anderer
Personen, von Lazam» Kleider entnehmen müssen. Ein Pserdehändler
Meier zahlte für da» Diskontieren eineS Wechsels lm Betrage von 300
auf 3 Äonate 25, auch 30 Dahingegkn hatt« ein Baron zu Kettwig
beim Lazarus Geld auf Wechsel gegen Sicherheil entrommen. Er sagte,
L. habe von ihm keine Zinsen verlangt, sondcrn gesagt, der Herr Baron
möge cs selbst gut machen. Er habe dann etwa» mehr auf die Wechscl
geschriebtn, als er erhalten habe. Ein Ackerer vvn Vorsthof zahlte beim
Diskontieren der Wechsel 7 pCt. aus 3 Monat, und mußte auch Kleider
betm Lazarus kausen, die nach seiner Anflcht viel zu teuer waren. Eln
Handelsmann zahlte sür 100 aus 2 bi» 3 Mvnate 8 Auch er
mußte Kleidkr nehmen, di« nach seiner Ansicht viel zu teuer gewesen sind.
Mit einem Fabrikarbeiter stand die Sache noch etwa» ärger. Derselbe
bezog als Militär-Jnvattde monatlich 18 ^k. Pension. Er gebrauchte
eines Tage» Geld und wurde an Lazarus verwtesen, dem «r setn
Ouittungsbuch verpsändete. Lazarus zahlte thm für die ersten zwei
Monate 30 und erhob die Pcnsivn im Betrage von 36 für
zwei weitere Monate zahlte L. 27 ./d. Als der Arbciter nach biesen
4 Monaten setn Ouittungsbuch wieder verlangte, sorderte L. noch 6
die jedoch der Arbeiter verweigerte, Lazaru« erhob dann aber noch eincn
Mvnat die Pension, 18 und schließlich mußte der Arbeiter dennoch
6^lk. zahten, fodaß L. sür ein Darlehn von 57^. 96 wiedererhtelt.
Der Angeklagte erwiderte auf die Bischuldigung, die er bestritt, er betreibe
ein Manufakturgeschäst und keinc Wucherei, doch helfe er scinen Kunden
in Geldverlegenheiten aus. Die Straskammer hielt indeffen den An-
geklagten für schuldig und verutteilte ihn wegen gewohnheitSmäßtgen
Wuchers zu etnem Jahre Gefängnis, 3000 Geldstrafe event. für je
15 einen Tag Gesängnis und 5 Jahren Verlust der bürgerlichin
Ehrenrechte. Der Angeklagte wurde daraus sosort in Haft genommen.
Die Staatsanwaltschaft hatte 3 Jahre Gefängni» und 4000 Geld-
buße beantragt.
Stolberg bti Aachen, 2. Avg. Jn der jüngsten Schvffengerichts«
fitzung wmde etn hiesigcr Brauer wegen verschtedener Vergehen gegen
das Brausteuergesetz zu etner Geldstrase von 10 000 ./d verurteilt.
Bonn, 24. Jult. Vor der Straskammer des Landgerichts hatte stch
heute der htestge Weinhändler und Restaurateur Andreas Breuer wegen
Vergehen» gegen drn 8- 10 Nr. 1 des NahrungSmittelgesetze» vom
14. Mai 1879 zu verantworten. Dcr Fall war, wie die Bonner
Zeitung schreibt, ein Nachspiel des brkannten, im vorigen Herbste vvr
der Neuwieder Straskamnier verhandelten Weinfälschungs-Prozesse».
Einer der vor der Neuwieder Strchkammer Angeklagten hatte stch domit
enlschuldigt, daß er dem heutigen Angeklagten 5—610 Psund Flieder-
beeren »erkaust habe. Nach Beendigung de» Neuwieder.Prozeffes wurde
die Untersuchung gegen den hiesigen Wtinhändler eröffnet. Auf Ver-
anlaffung der königlichen StaatSanwalffchaft wurden aus sämtlichen
Rotweinfäffern des Angeklagten Pivben entnommen. Mit der Expertise
wurd« etn Chemiker betraut, und dirser erklärte sämtliche Weine für
höchst verdächtig, eine Reihe derselben dagegen sür positiv gefälscht
und zwar bestehe die Fälschung aus einem Gemisch von Obstwcin,
Traubenwrin, Sprit, Glycerin und Wasser. Aus Veranlaffung deS An-
geklagten hatte Gehelmrat FreseniuS in WieSbaden ebensalls die von dem
ersterwähnten Chemiker als gesälscht bezeichneten Weine untersucht urd
war zu dem Resultate gekommen, daß ketn einziger der Weine al» ge-
fälscht angesehen werden könne. Jn Gemäßheit deS FreseniuSschcn Gut-
achtens wurde etn Gutachten des Herrn Prosissor» Fr,ytaz in Bonn
etngeholt, und auch dies-r gelangte unter Bestltigung der FreseniuSschen
Experttse zu dem Resultate, daß kciner dcr Weine vom Standpunkt« der
Chemie zu beanstanden sei. Jnzwischen hatte der Angeklagte vor dem
Untersuchungsrichter erklärt, daß er bm Jahre 1883 allcrdings mehrere
hundert Pfund Hollunderbeeren in Rheinbreitbach angekauft und in
zwei Fuder Rotwein verwendet habe. Bezüglich dieser bttden Fuder, die
ntcht im Keller, sondern im Hofe deS Angeklagten lagerten, und daher
bei der siüheren Prvbcnentnahme unberückstchttgt geblteben waren, wurd«
eine Anaiyse des Herrn Profeffor Freytag angeordnet, und bestätigte
dieser die Angaben des Angeklagten, daß ein wenn auch nicht gesundheits-
schadlicher Farbstoff dem Weine zugesitzr set. Dcmnächst wurde dann die
Anklage wegen der von dem ersterwähnten Chemiker al» gefälscht be-
zetchneten Weine fallen gelafscn. Die Hauptverhandlung erstreckte stch
demnach nur euf dle beiden letzterwähnten Fuder Rvtwein. Der An-
geklagte gab an, die beiden Fuder seien von thm aus 82er Rhetnbreit-
bacher Trauben gekeltert worden, die Trauben seien gletch ansangs
schlccht und die Folge sei die gewesen, daß der Wein selbst sticksig aus-
gefallen und zum Verkaufe in jeinem Geschäfte unbrauchbar gewefen fei.
Er habe sosvrt seinem Küfer erklärt, der Wein sei unverkäuflich, er solle
den Wein durchauS abgesondert Vvn den übrigen Weinen lagern. Auf
die Frage, weßhaib er denn die Hollunderbeeren zugesetzt habe, bemerkte
der Angeklagte, dies habe er gethan, um stch selbst von dem durch
Hollunderbeeren erzeugten eigenen Geschmack zu überzeugen. UbrigenS
habe er auch direkt. nachdem der Zusatz mehrmals gegohren und der Wein
in die Fässer abgesüllt worden set, seinem Küfcr wiederum die Weisung
erteilt, len Wein, wetl er unv«rkäuflich sei, allein zu legen; er wolle
ihn zu Branntwein brennen lassen und event. Esstg darau» herstelli«.
Der als Zeuge geladene Küscr bestätigte di- Anzaben de» Angeklagten;
desgletchen ein als Schutzzeuge geladener Branntweinbrenaer, daß bei
ihm der Wein zum Brennen angeboten worden sei. Da» Urteil der
Straskammer lautcte aus Geldbuße von 100 und Einziehung der
betden Fuder.
Koblenz, 21. Juli. Die htesige Straskammer de» königlichen Land-
gettchts verhandelte vor einigen Tagen gegen den 20 Jahre alten ArbeiteT
Johann Hcn« au» Zollstvck bei Köln, welcher in der Nacht vom 10. auf
den 11. Dezember v. I. zwtschen Brobl und Andernach auf den um 12 Uhr
nachtS von KSln nach Mainz abfahrenden Personenzug gesprungen war
und einen thätlichen Angrisf auf einen in etner Abtetlung
2. Klasse sitzenden Passagier dteses Zuge» verübt hat. Der An-
geklagte hatte stch in der fraglichen Nacht eine Dienstmütze seines VaterS, der
Bahnwärter auf obengenannter Strrcke ist, aufgesetzt und stch ferncr mit
einer Brustlaterue versehen und kam so in die oben erwähnte Abteilung,
in welcher fich Kausma«n Danneberg au» Görlitz befand. Da» ausfällt ge
Benchmen des Eindttnglings veranlaßte Herrn Danneberg, sofort auf-
zuspringen und den Mann zu sragen, was er tet ihm wolle. Letzterer
entfernte stch hieraus wieder und ging über das Tttttbrett des Wagens
entleng fort, um »och in verschiedene Abteilungen 2. Klaffe einzudttngen.
Herr Danneberg legte sich tn das Fenster und deobachtete von diesem aus
den H. Beim Einfahren in die Station Andcrnach machte Herr D.
Miene, auf de« H. loszugehen; in demselben Augenbltck aber fiel ein
Schuß, der gegen ihn gettchtet war. Unmtttelbar daraus sah Herr D-
den Angretser im Dunkel der Racht verschwinden. Der den Nachtdienst
versehendc Asststent Karnjan, dem der Reisende sofort Meldung von dem
Vorfall machte, begab fich sosort mit de» wenigen Unterbeamten, die ihm
zur Verfügung standen, auf die Jagd nach dem Gntflohenen. Die Fuß-
spuren tn dem frifchgesallenen Schnec führten zu den Güterwagen, w»
man den Menschen in «inem Bremserhäuschen versteckt fand. Sogleich
wurdr Gendarmerie geholt, während man den Ertappten in seinrm
Merteljährlich 4 ^k. in den Expedilionen,
und 4 75 ^z dnrch die Post bczogen.
LelegraLM'Ddreff«! Zeitnng Effen Ruhr.
Cssener Zeitllllg, Esse«. — Westfälische Zeitllllg, DortMlld.
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Essen und Dortmund, Samstag
7. August.
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' Basel: Haasenstetn L Vogler. Brrlin: Haasenstein t Logler; Jndalidendank; R. Mosse; Bernh. Arndt. Bochn«: Ogc. Hengstenberg. Bon«: Bust. L»he«. Nr««e«: «. Gchlottr. Lrefeld: lkramer * Baum DreSde«: J«dalt»«»d»»r.
Duisburg: W. Falk Nachs. (Schatz L ten Hompel.) Düffeldorf: H. Kronenbergffch« Buchdruckeret. Elberfeld: W. Thtener. Frankfnrt a. M.: G. L Daude » L,.; Haaseastein » Vogler; R. Mosse. Gelsenkirche«: F. Dieufi. Ha««r
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R»hr»tt: Andreae L C». S»li«ge«: A. Pfeisfer. Steele: F. W. Lohman«. Werde«: C. D. BLdeker. Wir«: Haasenstei« L B»gl«r. Wittr«: C. L. Krüger.
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Wachmtttags Ausgabe»
Für die Momte August und Septemver
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Die 500jährige Jubelfeier der Ruperto-Carola.
Der historische Festzug.
6 6. Heidelberg, 6. August.
Das herrlichste Wetter, welches die bisherigen Fcstlichkeiten so
sehr begünstigt hatte, war auch dem heutigen Tage in seltenem
Dlaße beschieden. Sobald der Tag graute, war ganz Heidelberg
c>uf den Beinen, um in den Straßen, durch welche der Zug seinen
V)eg nehmen sollte, Aufstellung zu nehmcn und stunderlang hinter
den die Fahrstraße ahiperrenden Seilen der Vorbeipajsterung des
Zuges zu harren. Die Extrazüge aus Mannheim , Darmstadt,
Frankfurt, Matnz, Karlsruhe, dcm ganzen badtschen Obcrland,
der Pfalz, die sämtlich mit grvßer Verspätung eintrafen, brachten
Tausende vop Zuschauern und ich übertreibe nicht, wenn ich die
3ahl derselbcn auf 10000 veranschlage. Man wird stch das
Menschengewühl in den engen Straßen Alt-Heidelbergs vorstellen
können, aber Dank der getroffenen Arrangements und der nicht
hoch genug anzuerkennenden musterhaften Haltung dcs Publikums
kam es zu ketnerlei Verkehrsstörungen oder nennenswerten Unglücks-
söllen. Pünktlich zur festgesetztenZcit traf der Großherzogliche Hof, auf
dem ganzen Wege enthustastisch begrüßt, an der Fürstentribüne an der
Ecke des Bismarcksplatzes und der Sophienstraße ein. Dte terls vom
Festausschuß, teils von Privat-Unternehmcrn an den besten Aussichts-
punkten aufgeschlagenen Tribünen waren trotz dcr hohen Preise zum
Pößten Teil dicht besetzt. Der Abgang des Zuges verspäteie stch
uatürlich, aber die Harrenden wurden für ihr geduldiges Warten
wehr als entschädigt. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man den
öu Ehren des 500jährtgen Jubiläums der Ruperto - Carola ver-
anstalteten Historischen Festzug, was pomphafte Prachtentfaltung,
künsilerrsches Arrangement und histor>sche Treus bctrifft, als dis
ilnposonteste Demonstration dieser Art von bis jetzt in Deuffchland
gesehenen Veranstaltungen bezeichnet.
Hoch zu Roß eröffnete ein Herold (Herr Krockmann) mit der
Reichsstandarte den Zug, gefolgt von hübsch gekleideten Pagen
(Hofmann und Schroth) und Trowpetern (Johannes V-Hse und
Claus), welche den pfälzischen Löwen auf den Kleidern tragen und
dem kurpfälzischen Herolde (Bacr) tn deffen Brustschilde die
bahenschm Raufen zu sehen stnd. Diesen schließ-.n sich an sechs
Ritter in Rüstung aus den alipfälzischen Adelsgeschlechtern derer
von Handschuhsheim, v. Berlichingen, v. Hirschhorn, v. Seldeneck,
v. Gemmingen und v. Sieinach (Reißner, Mittermaier, Benkiser,
Gärtner, Kavalsky, Dohrenwendt), gefolgt von ihren Retfigen und
Pagen (Helmträger). Einen übcraus freundlichen Eindruck machte
dieKinoergruppe, Knaben undMädchen mitSträußlein undKränz-
kein geschmückt. An ste rethen sich alsdann an Augustinerinnen,
Domintkaner, der päpstltche Legat (Kardinal v. Mehrhardt) mit
^vigen Bischöfen. Hinter ihnen folgcn 6 Jungfrauen, die auf eiser
?ich geschmückten Tragbahre ein Madonncnbild tragen. Hinter
d«m Kanzler der Pfalz und den kurfürstlichen Pagen reitet unter
dcnem kostbaren Traghtmmel der Stifter der Universität Kurfürst
Rupr echt I. (Merk) mit seiner Gemahlin Bcatrix (Buhl). Zahl-
neiches Gefolge begleitet das Fürstevpaar, so Eckbrecht von Dürk-
heim (Steinfhal), Eberhard von Rosenberg (Stampel), Schenk
Eberhard von Erbach (Gräffrath), Wolf von Stein (Buttersack),
Roban von Helmstadt (Heuck), Johann Herr zu Rodenstein (Dan-
bacher), Siegfried von Venningen (Buhl), Jvhann von Flersheim j
(Occhelhäuser), Siegsrnd von Strahlenburg (Gehle). Als Edel- '
damen der Kurfürstin erscheinen: Else v. Erlikhetm (H. Holtzmann), k
Margarethe v. Hirschhorn (Lehmann), Elise v. Cronberg (Becker), !
Agnes v. Flehingen (v. Bulmerincq), Gude v. Schöneck (Mitter- !
Aaier), Else v. Katzenellenbogcn (Renaud) und Schenkin von '
Auch der Hofnarr (Schlieben) fehlt nicht, wohlgemut
tummelt er seine Mähre binter den Roffen der Edeldamen. Herolde
Fuß kündigen den 1. Rektor der hicsigen Hochschule an,
arsilius v. Jnghcn (Steinmetz) mit seincn ersten Amts-
genofsen, dem Hellmann v. Wunnenberg (Waltz), Reginald von
Alna (Cuntz), Dittmar v. Swerthe (Hartmann) und Johann
von Noet (Schleuning). Flotte Musensöhne, in der Tracht
des Jahres 1386 schreiten dem, von 4 Pferden gezogenen Wagen
der Ruperto- Carola vorauf. Hoch unter reichgeschmücktem Baldachin
sttzt dic Repräsentantin der Ruperto-Carola (v. Oechelhäuser), an
den vier Ecken des Thronseffels haben 4 giflügelte Genien ihren
Platz, dte Pietas (H. Stengel), Justitia (Heinge), Sapienta (Guinckc)
und die Veritas (Gaß). Studenten zu Fuß dccken den Wagen.
Die zweite Gruppe des Festzugs schild rt den Eii-zug Friedrich I.
(Bumieller) in Heidelbkrg nach der Schlacht bei Seckenheim (1462).
Heidelberger Bürgersfrauen und Kinder begrüßen dea stegreichen
Kurfürsten, in deffen Gefolge stch außer seiner Gemahlin Klara
Dettin (Baffermann) der Rhcingraf Johann (Chormann), Graf
von Eberstein (Ladenburg), die Herren von Sicktngen (Berlet),
v. Neipperg (Kusenberg), v. Sturmkelder (Walz) und v. Adelsheim
(Kauenberg) und bewaffnete Studcnten befindcn. Ein ftiedliches
Btld gewährt dic dritte Gruppe. Ste repräsentiert unter dcm
Vorantritt von Herolden, Bannernträgern und Trompktern die
flege der Kunst und Wiffenschaft unter Chmfürst Otto Heinrich
1556—59) (F. Landfried jun.). Der Kurfinst selbst erscheint
mtt seiner Gemahlin Susanna (8. Pfeiffer) und dem kurfürst-
lichen Gefolge: Graf Adolph von Naffau (G. Landfried), Graf
Ludwig v. LLwenstein (W. Anderst), Johann Plcckard Landschad
v. Steinach (8. Landfried), Peter v. Mentzingen (E. Landfried),
Philipp v. Gemmingen (Schifferdecker), Eberhard v. Veenningen
(L. Anderst), Clarus Helmstädt (Kcppler), Thomas Rheingraf
v. Solms (Puchelt), Graf Philipp v. Hanau (Müller) mit ihren
Gemahltnnen und endlich Ritter Kaspar von Mosbach (Schwartz).
Melanchthon (Leckerbusch) im Gespräch mit dem Profeffor Peter
Baquin (Lederhose) geht dem prächtigen Universitätswagen
vorauf, auf dem inmitten von Studenten der Professor Jakob
Micyllus (Kern) steht Es steht aus, als halte der gelrhrte Mann
eben et« Kollegiuw. Seinem Wagcn folgt eine Volkstruppe Groß und
Klein, die Bevölkerung Heidelbergs, vertretend. Jhr schließt stch
an ein Bauwagen, mit Baumeister, Werkmeister, Zimmerleuten,
gefolgt von Landsknechten zu Roß und zu Fuß. Es verstnnbild-
licht die tn dtese Periode fallende Entstehung des Otto-Heinrich-
Baues, des bewunderungswürdigsten Teiles des Heidelberger
Schloffes. Die vierte Gruppe, eine der schönsten im Zuge, gibt
U!>s eine treffliche Darstellung des heitern Volkslebens in der
Psalz gegen das Ende des XV!. Jahrhunderts. Mustker und
Standartenträger reiten der Adelslaube vorauf, zu dcren Seiten
Hartschierc gehen. Die Adelslaube selbst bilden der Graf
v. Letningen (Corning), Graf v. Helmstadt (Schuhberg), Herr
v. Göler (Heß), und der von Meiningen (Bernheimer), sämtlich
mit ihren Gemahlinnen. Standarten kündigen den Palatiawagen
mit der Palatia (R. Hölzcr) an. Vier reich verzierte Pferde
ziehen den Schwanenwagen. Löwen halten an den Thronstufen
Wache, untcr zauberhaft gcschmücktem Baldachine sitzt die Palatia,
sast verdcckt von Reblaubgewinden. Ein Herold füh't die nächste
UnteraLteilung dieser Gruppe, die von jungen Bürgern u»d
Bürgerstöchtern aus Hetdelberg getragene Volkslaube, der stch
ein Ochsengefährt anschließt, auf dem der Weingott Bachus (Blank)
und die Göttin des Ackerbaues Ceres (Beiler) thronen. Den
Wagen begletten frohe SLngeriunen. Das Ganze versinnbildlicht
den Wetn- und Getreidebau der Pfalz. Natürlich fehlt in der Nähe
des Weingottes auch der Satyr-Sinn (Greiff) ntcht, der mit einem
wunderlich gestaltetcn Höllengepösel auftritt. Festlich bekränzte
Mädchen streucn Blumen um den folgenden zicrlich gebauten
Wagen, auf diffcn Palatin hoch die schaumgeborene Göttin der Ltebe
und Schönheit, Venus (Leibert) in würdiger Vertretung thront.
Und weil Liebe und Wein nun etnmal, wie ja männiglich bckannt,
in gehcimnisvoller Verbindung stehen, haben die Herren vom
Comite hinter den Vcnuswagen das große Faß dcs Heidelberger
Schlcffes gestellt, umgeben von zahlretchen Rittern des edlen
Naffes. Nun veikünden Trompeter das Herrannahen des Kur-
fürsten Friedrtch V., wie er mit seiner Gemahlin Elisabcth
von Englond (Brown) am 18. Juni 1613 in setne allzeit getreue
Rcfidenz an den Ufern des Neckar einzieht. Etn Herold mtt
Standarte, Hartschiere und kurpfälzische Soldaten, bcfehligt vom
Feldobersten von Schönberg (Gratwohl), eroffnen den Einzug.
Der Bürgermeister Heidelbcrgs (Fritzsche) und die Ratsherren
folgen ihmn, unter Vorantritt dcr Pedellen der Rektor der Hcch-
schule (Spath), gefolgt von Professoren und Studenten; dann hoch ,
zu Roß der Markgraf zu Baden-Hochberg (Mais) und Pleikhard -
v. Helmstadt (Mugl) und nun endlich der Kurfürst selbst (Spteß). -
Jn seiner Begleitung befinden sich Count (Gerling) und Counteß j
of Lenox (I. Keller), Counteß of Arundell (Berethsen), Markgraf.
v. Ansbach (C. Groß), der Fürst zu Anhalt (Kraus) reitet dir!
PfalzgräfinAmalieJakobe (I. Ammann) voraus, der eine holde Rethe j
Kranzjungfern folgt. Jhnen fchließen stch Ehrenftäulein an, hlnter i
diesen kommm dte Pagen der Kurfüistin, endltch diese selbst auf retch- >
geschmücktem Zelter unter einem überaus kostbaren Kronbaldachin. Im l
Gefolge der Kurfürstin Elisabeth befinden sich die Counteß of Hartington
(E. Becker), der Markgraf von Brandenburg (Schäffcr), Herzog
von Württemberg (v. Mitsscha), Pfalzgraf bei Rhein (Phtlips),
Anna Markgräfin von Baden - Hochberg (E. Erckenbrecht) und
Count of Arundell (v. Laczko), fämtlich zu Pferde. Jn der sich
anschlteßenden grünen Karosse habcn Plah genommen: Dte
Pfalzgräsinnen bei Rhein Magdalena (A. Landfrted), Charlotte
(L. Landfried), Kathartne (E. Landftted) und Christine; in der
folgenden rotenKarosse: Baroneß Elisabcth Dudley (Ritzhaupt),
Counteß Cccill (E. Oncken), der Pfalzgraf bet Rhein (Philips),
die Baroneß Apsliy Fräulein von Wted (H. Oncken). Neben
dem Wagen reiten der pfälzische Untermarschall Phillpp Jakob
von Affenstetn (Hahn) mtt etner Deckung von Hakenschützen. Die
folgendc Grnppe stellt die für unser Vaterland so unselige Zeit
des dreißigjährigen Krieges und dcs Orleansschen Erbfolgekrteges
(1688—97) dar. Dte böhmische Gesandtschaft von 1619 zieht
an der Spitze der Gruppcn, kaiserliche und schwedische Reiter, ein
schwarzer Reiter (Stnnbild des 30jährigen), und ein schwarzes
Roß (Sinnbild des Orlcansschen Erbfolgekrieges) folgen, endlich
Kurfürst Karl Ludwig (1632—80) zu Roß, desgleichen Louise
von Degenfeld. Dte Zeit des Kurfürsten Karl Philipp (Klaus)
(1716—42)bringt uns eimn Jagdzug zur Darstellung: Jagdjunker,
Piqueure, Falkonter, ein Falkenjunge mit Falken auf einer Trag-
bahre, ein Kavalier mit seinen Damen, ein Pirschwagen, blasende
Jäger, Jäger mit Schweißhunden, ein Jagdwagcn, der Kurfürst mit
Gefolge, endlich der Ptrschwagen mit dem erlegten Keiler — das
alles zeigt uns die Blüte des edlen Watdwerks in der dastgen
Zeit. Der Zwerg Perkeo (Wagner) schlteßt dcn Zug. Das letzte
Bild aus der alten Zeit bringt uns den Kurfürsten Karl Thcodor
(1742—99) — (Bergmann) zu Pferde mit glänzendem Gcfolge.
Etne stattliche Schar Trompeter eröffnet das 19. Jahrhundert.
Der badische Feldmarschall mit Fahne reitet dem vierspännigen
Festwagen vorauf, der die Wiederherstellung der hiefigen Hochschule
durch Karl Friedrtch von Baden barstellt. Zu beiden Seiten etner
hochragenden Marmor'äule ruhen zwei Gmten, voran auf dem
retch mit Kränzen Lehangmen Wagen steht hinter dem badischen
Wappen der geflügelte Adlerlöwe. Den Wagen deckt dte Studenten-
schaft unscres JahrhundertS. Burschenschafter aus den Freiheits-
krtegen, sodann moderne Burschenschafter (Alemannen und
Frankoncn), hierauf die Korpsstudenten Heidelbergs (Schwaben,
Guestfalen, Soxo-Boruffcn, Vandalen und Rhenanen) und einen
würdigen Schluß bildet „das neue Deutsche Reich" unter Voran-
trttt dcs Reichsbanners, umringt von dcn Bannern der Bundes-
staaten. Die Gruppenbtlder waren von Herrn Prof. Hoff an der
Kunstschule zu Karlsruhe entworfen unb unter seiner persönlichen
Lettung «usgearbeitet. An den Detailarbeiten haben mttgewirkt
die Hcrren Prof. Schurth, Maler Kallmorgen und Borgmann in
Karlsruhe und Wilhelm Trübner in München.
Was dte Bilder besonders anziehend machte, das waren die
edlen Frauengcstalten, welche in dem Zuge einherschritten. Heidel-
berg ist nicht nur selbst eine echte Schönheit, es zählt auch echte
Schönheiten unter setnen Bewohnerinnen: das erlesenste Kon-
tingent, im Etnklang mit Schönheit und Zeitkostümen, vereinigte
der Etnzug dcs Kurfürsten Friedrich V., der 1613 mtt der eng-
ltschen PrtmMn Elisabeth als Ehegemahl tn die Hauptstadt
Pfalz unter glänzendem Gepränge einzog. Wenn eine Königin
des Festzugs genannt werden soll, so ist sie im Gefolge dieser
heiteren Fürstin zu suchen; die Schönsten der Schönen befanden
stch in den grünen und rothen Karofsen, welche sich im Hochzeits-
zuge als farbenleuchtende Kletvodien hervorhoben. Jm allgcmeinen
fand das Auge noch mehr als auf den Prunkwagen in den be-
scheideneren Gruppen der Ktnderlehrerinnen und im erlten Zuge
der Bürgerfrauen, tm zweitcn der Winzerinnerr, im vierten der
Kravzjungfern und Ehrenfräulein im Hochzeitszug Elisabeths gleich
Veilchengruß tm Lenz weibltche Anmuth und Schönheit in feffelnder
Mannigfaltigkeit entgegenleuchten. Die Universttät war namentlich
im dritten Zugs aus der Zett Otto Heinrtchs und am Schluß
vertreten, in dem ersteren Universitätswagen, auf dcm vor seinen
Wvrten lauschenden Studentcn Micyllus ein Kollegium hielt. Hier
war auch ein Bauwagen, den Beginn des Ottoheinrtchsbaues in
sinnreicher, plastischer Weise veranschaulichend. Besonderes Lob
wegen der lebensvollen Gestaltung auch in Bezug auf dcn Ge-
sichtsausdruck und die Haltung vcrdienen die Winzer und der
Jagdzug. Störend wirkten Kneifer auf den Nasen von mittel-
alterlichen Rittern und Reistgen. Doch als Ganzes betrachtet,
entsprach das Geleistcte dem glänzenden Aufwande und der vtelen
Mühs, die alle Bcteiligt-n zum schönen Gelingen eingefltzt hatten.
Heidelberg hat auch auf diesem Gebiete dem Jubiläumsfest einen
Charakter gegeben, der immer cchten, dem Herzen entsprossenen
Jubel weckte.
Der Zug brauchtc, um an etnem gcgebenen Punkte vorbei-
zuziehen, das öftere Ver.vetlen mitgerechnet, beinahe eine Stunde.
Jctzt «ogt es in den,.Straßen auf und nieder, alle Wirtschaften
stnd v:ll besctzt, überall herrscht eitel Festesfreude.
-
Dornn, Emil, Ministerialrat, Karlsruhe. Exner, Profeflor, Wien
Goldammer, Profeffor, Karlsruhe. Liebermann, Karl, Professor, Berlin'
Frhr. v. Lanzwett-Simmern, Guttbes., Hannover. Meyer, B., Profeffor'
GSttingen. O'th, Profeffor, Göttingen. Porcher, Profeffor, Anger»'
Platner, vi-, Proseffor, Marburg. v. Proliu», Geheimrat, k. Gesandter'
Berlin. Renner, Eugen, Finanzrat, Stuttgart. Schellenberg, Geh-
Kirchenrat, KarlSruhe. v. Urlich», Geh. Rat und Rektor der Untversttät
Würzburg. Windisch, Ernst, Profeffor, Leipztg. Zeerleder, Profeffor, Bern.
Auszug aus der
Prosiffor, Stuttgart.
vierten Liste der Festteilr.ehmer: Bach, Karl,
Brvckhau», Albert, Verlaz»buchhandler, Leipzig.
Die „Deutsch-Eo. Blätter" legen in der kirchltchen Chronik
ihres neuesten Heftes jehr entschirdenc und berechtigte Verwahrung
ein gegen den Versuch, die altehrwürdtgen rheinischen Vorkämpfer
presbyterial-synodaler Verselbstständigung der Kirche
aus den Zeiten des absoluten Staats- und Kirchenregiments, eincn
Nitzsch und Landfermann, als Eideshelfcr für denHammersteinschen
Antrag aufzurufen, „MSnner, die stch im Grabe umdrehen würden,
wenn sie wüßten, daß man ihre guten Namen zu Gunstcn Brüel-
Hammersteinscher Kirchenideale mißbraucht." Angestchts der zum
größtcn Teil auf völltger Verkennung der etgentlichen Zicle des
Hammersteinschen Antrags beruhenden Zustimmungserklärungen, zu
dcncn sich einzelne rheintsche Synoden und Pfarrkonferenzen haben
mißbrauchen laffen, fragen dte Deutsch-Evangelischen Blätter:
„Jst dcnn am Rhein da» Verständnt» der rheinisch-westfälischen
Kirchenordnung und das Gedächtni» der großen Vorkämpfer füe evan-
gelische Gemeinde-Freiheit so sehr enischwunden, daß gavze Pfarr-
konserenzen die alten rheinischen Jdeale von den auf absolute Bevor-
mundung der Gemetnde gerichteten Kreuzzettung - Karrikaturen nicht
mehr zu unterscheiden vermögen?"
Deutsches Reich.
AmtlicheS.
Se. Maj. der König haben Allergnädigst geruht, d«m Obersörster
Passvw zu Sitzenrode, Regierungsbezirk Merseburg, den Roten Adler-
Orden dritter Klaffe mit der Sckleise; dem Postdiriktor Kühns zu Em»
den Roten Adler-Orden vierter Klaffe; dem emenlierten Pastor, vr. pdll.
Strodtmann zu Wandsbeck im Kreise Stormarn den Königltchen
Kronen-Orden druter Klaffe; dem emeritlerten Hauptlehrer und Organtsten
Kuhr zu Karnap im Stadtkreise Barmen, btsher zu Dönberg im Kreise
Mettmann, den Adler der Jnhaber des Köntglichen Haus-Ordens von
Hvhenzollern, rmd dem Ackerknecht Johamre» Mühleip zu Etzbach im
Kreise Altenkirchen das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen.
Se. Maj. der König haben Allergnädigst geruht, den Verwaltungs-
gerichtsdirektor vonTellemann-Steuber in Merseburg zum Mitglied
de» BezirkSauSschuffe» in Berlin und zum Stellvertreter des Präsidenten
desselben im Vorfltz dieser Behörde aus Lebenszeit, sowie den Regierungs-
rat Kober in Potsdam zum Mitglied des Bezirksausschusse» in Merse-
burg und zum Stellvertreter des Regierungspräsidenten im Vorsitz dteser
Behörde mit dem Titel „Verwaltungsgerichts-Dirkktor" auf Lebenszeit
zu ernennen; ferner den RegierungSräten von Eschwege zu Kaffel,
Frankenfeld zu Hannover, Schassner zu Wiesbaden, Vetter zu
Aachen, Bode zu Königsberg und Brede» zu Koblenz den Charakter
al» Geheimer Regierungsrat zu verleihen.
Den Oberlehrern vr. Zermelo rmd Uhlbach an der Friedrich-
Werderschen Ober - Realschule zu Berlin, sowte den Oberlehrern Pätsch
am R-algymnasium in Potsdam und Vogel am Gymnasium daselbst
rst tas Prädclat Profeffor. nnd dem ordentlichcn Lehrer Heinrich Gocke
am Gymnasium zu Altkntom der Titel Oberlehrer beigelegt worden.
Der Diiektor deS flädtischen Mus-ums ia Leipzig, vr. Lücke, ist zum
ordentlrchen Lehrer an der löniglichen Kunst-Akademie zu Düffeldorf
beiusen worden. _
Dcr Staatsanzeiger veröffentlicht das Gesetz, betr. die Gewährung
eineS besonderen Beitrages von 50 0ÜÜ000 im Vvraus zu den
Kvsten der Herstellung de» Rord-Ostsee-Kanals. Vom 16.Juli 1886.
*Berlin, 6. Aug. Man spricht noch immer von der geist-
und empstndungsvollen Rede, mit welcher der Kronprinz am
Dienstag in dcr Aula zu Hetdelberg das Jubiläum der Universität
gefeiert hat. Etnzelne Wendungen darin erinnern in überraschender
Weise an die Sprache Gustav Freytags. Z. B.: „Nun wir es
wieder besitzen das G'.ück der Vereinigung, strömr aus dem Ganzen
cin kräftigender Odem zurück in die alte, traute Hetmat unsercr
Bildung. Größer geworden stnd die Zwecke des Forschens und
Strebens, dankbarer und folgenreicher der Beruf, sie lehrend zu
verkündigen und lernend zu verstehen." Jn der Loge kannte man
den Kronprinzen seit langer Zeit als einen ausgezeichneten Redner.
Jn ssinen als Manuskript vervielfältigten Tagebüchern von der
orieiitaltschen Re ise und aus dcm deutsch-österreichtschen Kriege hat
er stch auch als guter Erzähler bewährt.
Die Post erfährt von einer hiestgen maßqebenden rusfischen
Seite, daß der russtsche Minister des Auswärtigen, Herr v. Gters,
von St. Petersburg geradeswegs nach Franzensbad zu seiner
Familie reist, von welcher bisher noch kein Mitglted, selbst die
beiden Söhne nicht, dieses Bav verlaffen haben. Dte Abreise
erfolgt Sonnabend, spätestens nächste» Montag. Nach Gastein
geht Herr v. Giers nicht, dürfte jedoch anderswo mit dem Fürsten
Bismarck zusammentreffen._ _
Studentische Schiedsgerichte und studentische
Zweikampsgesetze.
. Jn der Versammlung der deutschen akadsmischen Ver-
d'nigung zu Leipzig am 25. Jult, in welchcr Geheimrat vr. Es-
^arch aus Kiel zum Ehrenvorsitzenden ernannt und der bts-
xrige Vorstand wiedergcwählt wurde, sind die Entwürfe zu eincm
lludentischcn Schiedsgerichte und zu einem studentischen Zwei-
ranipfgesetze nach den Porschlägen der Ottsgruppe Berlin an-
»enommen wordcn. Der erstere lautet:
1) Bei jider Hvchschule svll ein Schiedsgericht bestehen.
2) Mitgliedir tes Sch'edsgerichts können uur Stutenten sein.
st. Die Einrichtung der Schiedsgcrichte und die Wahlordnung be-
"U'jNen Rrktor und Senat nach Aohörung drr Studentenschaft.
4) Dte Schiedsgertcht« haben zum Zwrck, b«t Ehrenhändeln zwischen
^rudenten aus Anrufen de» einen Teils Vergleichsversuche vvrzunehmen.
. 5) Die Mitglieder der Schiedsgerichte sind auf Ehrenwort veipflichtet,
?(N Versuch eines Vergletch« zu machen und, salls dieS beschloffen wird,
u°er alles im Schiedsgerlchte Vorgegangene Verschwiegenheit zu deobachten.
. ,6) Bei Ehrenhändeln zwischen Stüdenten verschledemr Hochschulen ist
a» SchiedSgericht derjenigen Hvchschule zur Vornahme der Vergleichs-
Muche zuständig, welcher die dcttselbe zueist anrufende Partei angehört.
^di Zweifeln über den Vorrang entscheidet das Los.
. 7> Die Partelen müffen dor dim Schiedsgerichte, deffen Verha«d-
mündlich geführt werden, persönlich erscheinen, jetoch kann bei
Entfernung der verschiedenen Hochschulen angehörendeu Parteien
d«m Schledsgerichte der andein Hvchschule die Vernehmung des
statifinden.
attnÄ Das Ergebnis der Verhandlungen — vb ein Vergleich zu stande
^ vder nicht — ist zu Prvtvkoll festzustcllen.
abzugeben"E Entscheidung auf Zweikampf hat dcs Schiebsgericht nicht
Körperschaften, welche von ihren Mitgliedern den
od-r unbedingt sordern, d. h. ohne daß ein Streitfall
"knn ein solcher vvrltegt, ohne daß dieser zuvor dem
' °"^ttchku Schiedsgertchte vorgelegen hat, stnd aufzulösen.
Der Emwurf zu einem studentischen Zweikampfgesctze lautet:
1) Der studentische Zweikampf (Cchlägermensur) unterliegt den
^gemeincn strafgrrechtlichkn Bestimmungen (§§- 201 bis 210 Retchs-
2) Der nach fruchtlos avsgefallenen Vergleichkverhandlungen des
an„»6sch«n Schiedkgerichtes ausgefochtene Zweikampf nnterliect den
IvnfMkinen stiasgesetzlichkn Besttwmungen über den Veisuch. (§§. 43
^-R.-Strafgesetzd.)
3) Jst Jemand nach den Ergebnissen der Untersuchung des SchiedS-
gerichts in frevelhafter Weise zum studentischen Zweikampf gereizt worden,
so kann das Strafmaß auf ein Viertel dcr ordentllchen Strafe ermäßigt
werden. Wer dagegen tn frevelhafter Weise zum studentischen Zweikawpf
grreizt hat, gegen diesen kann das Strasmaß bis auf die doppelte Höhe
erhöht werden. Jm WiederholungSfalle ist derselbe mit Gefängnisstras-
zu belegen.
4) Wer wegen unvermittelt — d. h. unter Umgehung des studentischen
SchiedSgerichtes — ausgesochtenen studentischen Zweika,»pses zweimal
kestraft worden ist, ist tm nochmaligen Wiederholungsfalle mit Gefängnis
zu bestri fen.
Dte Spitze dieser Entwüife, welche voraussichtlich dem Reichs-
tage zugehen werden, richtet sich gegen die sogenannten Be-
stimmungsmensuren, die durch dte Annahme dteser Bestimmungen
unmöglich gemacht würden.
Aus dem Gerichtssaal.
Düffeldorf, 2. Aug. Ein schändlicher Wucherer, der Kaufmann
Simon Lazarus hierselbst, bekam in der vorgestrigen Sttzung der
htefigen Straskammer seinen wohlverdienten Lvhn. Jn einer Reihe vvn
Fällen hatt« er die Notlage der stch an ihn wendenden Personen auS-
gebeutet. So hatte, wie wir etnem Berichte der Düsseldorfer Zeitung
entnehmen, etn Pserdemetzger für de» Diskont von Wechseln etwa 20 pCt.
zu dezahlen und mbenbet euch noch, ebenso wle eine Anzahl anderer
Personen, von Lazam» Kleider entnehmen müssen. Ein Pserdehändler
Meier zahlte für da» Diskontieren eineS Wechsels lm Betrage von 300
auf 3 Äonate 25, auch 30 Dahingegkn hatt« ein Baron zu Kettwig
beim Lazarus Geld auf Wechsel gegen Sicherheil entrommen. Er sagte,
L. habe von ihm keine Zinsen verlangt, sondcrn gesagt, der Herr Baron
möge cs selbst gut machen. Er habe dann etwa» mehr auf die Wechscl
geschriebtn, als er erhalten habe. Ein Ackerer vvn Vorsthof zahlte beim
Diskontieren der Wechsel 7 pCt. aus 3 Monat, und mußte auch Kleider
betm Lazarus kausen, die nach seiner Anflcht viel zu teuer waren. Eln
Handelsmann zahlte sür 100 aus 2 bi» 3 Mvnate 8 Auch er
mußte Kleidkr nehmen, di« nach seiner Ansicht viel zu teuer gewesen sind.
Mit einem Fabrikarbeiter stand die Sache noch etwa» ärger. Derselbe
bezog als Militär-Jnvattde monatlich 18 ^k. Pension. Er gebrauchte
eines Tage» Geld und wurde an Lazarus verwtesen, dem «r setn
Ouittungsbuch verpsändete. Lazarus zahlte thm für die ersten zwei
Monate 30 und erhob die Pcnsivn im Betrage von 36 für
zwei weitere Monate zahlte L. 27 ./d. Als der Arbciter nach biesen
4 Monaten setn Ouittungsbuch wieder verlangte, sorderte L. noch 6
die jedoch der Arbeiter verweigerte, Lazaru« erhob dann aber noch eincn
Mvnat die Pension, 18 und schließlich mußte der Arbeiter dennoch
6^lk. zahten, fodaß L. sür ein Darlehn von 57^. 96 wiedererhtelt.
Der Angeklagte erwiderte auf die Bischuldigung, die er bestritt, er betreibe
ein Manufakturgeschäst und keinc Wucherei, doch helfe er scinen Kunden
in Geldverlegenheiten aus. Die Straskammer hielt indeffen den An-
geklagten für schuldig und verutteilte ihn wegen gewohnheitSmäßtgen
Wuchers zu etnem Jahre Gefängnis, 3000 Geldstrafe event. für je
15 einen Tag Gesängnis und 5 Jahren Verlust der bürgerlichin
Ehrenrechte. Der Angeklagte wurde daraus sosort in Haft genommen.
Die Staatsanwaltschaft hatte 3 Jahre Gefängni» und 4000 Geld-
buße beantragt.
Stolberg bti Aachen, 2. Avg. Jn der jüngsten Schvffengerichts«
fitzung wmde etn hiesigcr Brauer wegen verschtedener Vergehen gegen
das Brausteuergesetz zu etner Geldstrase von 10 000 ./d verurteilt.
Bonn, 24. Jult. Vor der Straskammer des Landgerichts hatte stch
heute der htestge Weinhändler und Restaurateur Andreas Breuer wegen
Vergehen» gegen drn 8- 10 Nr. 1 des NahrungSmittelgesetze» vom
14. Mai 1879 zu verantworten. Dcr Fall war, wie die Bonner
Zeitung schreibt, ein Nachspiel des brkannten, im vorigen Herbste vvr
der Neuwieder Straskamnier verhandelten Weinfälschungs-Prozesse».
Einer der vor der Neuwieder Strchkammer Angeklagten hatte stch domit
enlschuldigt, daß er dem heutigen Angeklagten 5—610 Psund Flieder-
beeren »erkaust habe. Nach Beendigung de» Neuwieder.Prozeffes wurde
die Untersuchung gegen den hiesigen Wtinhändler eröffnet. Auf Ver-
anlaffung der königlichen StaatSanwalffchaft wurden aus sämtlichen
Rotweinfäffern des Angeklagten Pivben entnommen. Mit der Expertise
wurd« etn Chemiker betraut, und dirser erklärte sämtliche Weine für
höchst verdächtig, eine Reihe derselben dagegen sür positiv gefälscht
und zwar bestehe die Fälschung aus einem Gemisch von Obstwcin,
Traubenwrin, Sprit, Glycerin und Wasser. Aus Veranlaffung deS An-
geklagten hatte Gehelmrat FreseniuS in WieSbaden ebensalls die von dem
ersterwähnten Chemiker als gesälscht bezeichneten Weine untersucht urd
war zu dem Resultate gekommen, daß ketn einziger der Weine al» ge-
fälscht angesehen werden könne. Jn Gemäßheit deS FreseniuSschcn Gut-
achtens wurde etn Gutachten des Herrn Prosissor» Fr,ytaz in Bonn
etngeholt, und auch dies-r gelangte unter Bestltigung der FreseniuSschen
Experttse zu dem Resultate, daß kciner dcr Weine vom Standpunkt« der
Chemie zu beanstanden sei. Jnzwischen hatte der Angeklagte vor dem
Untersuchungsrichter erklärt, daß er bm Jahre 1883 allcrdings mehrere
hundert Pfund Hollunderbeeren in Rheinbreitbach angekauft und in
zwei Fuder Rotwein verwendet habe. Bezüglich dieser bttden Fuder, die
ntcht im Keller, sondern im Hofe deS Angeklagten lagerten, und daher
bei der siüheren Prvbcnentnahme unberückstchttgt geblteben waren, wurd«
eine Anaiyse des Herrn Profeffor Freytag angeordnet, und bestätigte
dieser die Angaben des Angeklagten, daß ein wenn auch nicht gesundheits-
schadlicher Farbstoff dem Weine zugesitzr set. Dcmnächst wurde dann die
Anklage wegen der von dem ersterwähnten Chemiker al» gefälscht be-
zetchneten Weine fallen gelafscn. Die Hauptverhandlung erstreckte stch
demnach nur euf dle beiden letzterwähnten Fuder Rvtwein. Der An-
geklagte gab an, die beiden Fuder seien von thm aus 82er Rhetnbreit-
bacher Trauben gekeltert worden, die Trauben seien gletch ansangs
schlccht und die Folge sei die gewesen, daß der Wein selbst sticksig aus-
gefallen und zum Verkaufe in jeinem Geschäfte unbrauchbar gewefen fei.
Er habe sosvrt seinem Küfer erklärt, der Wein sei unverkäuflich, er solle
den Wein durchauS abgesondert Vvn den übrigen Weinen lagern. Auf
die Frage, weßhaib er denn die Hollunderbeeren zugesetzt habe, bemerkte
der Angeklagte, dies habe er gethan, um stch selbst von dem durch
Hollunderbeeren erzeugten eigenen Geschmack zu überzeugen. UbrigenS
habe er auch direkt. nachdem der Zusatz mehrmals gegohren und der Wein
in die Fässer abgesüllt worden set, seinem Küfcr wiederum die Weisung
erteilt, len Wein, wetl er unv«rkäuflich sei, allein zu legen; er wolle
ihn zu Branntwein brennen lassen und event. Esstg darau» herstelli«.
Der als Zeuge geladene Küscr bestätigte di- Anzaben de» Angeklagten;
desgletchen ein als Schutzzeuge geladener Branntweinbrenaer, daß bei
ihm der Wein zum Brennen angeboten worden sei. Da» Urteil der
Straskammer lautcte aus Geldbuße von 100 und Einziehung der
betden Fuder.
Koblenz, 21. Juli. Die htesige Straskammer de» königlichen Land-
gettchts verhandelte vor einigen Tagen gegen den 20 Jahre alten ArbeiteT
Johann Hcn« au» Zollstvck bei Köln, welcher in der Nacht vom 10. auf
den 11. Dezember v. I. zwtschen Brobl und Andernach auf den um 12 Uhr
nachtS von KSln nach Mainz abfahrenden Personenzug gesprungen war
und einen thätlichen Angrisf auf einen in etner Abtetlung
2. Klasse sitzenden Passagier dteses Zuge» verübt hat. Der An-
geklagte hatte stch in der fraglichen Nacht eine Dienstmütze seines VaterS, der
Bahnwärter auf obengenannter Strrcke ist, aufgesetzt und stch ferncr mit
einer Brustlaterue versehen und kam so in die oben erwähnte Abteilung,
in welcher fich Kausma«n Danneberg au» Görlitz befand. Da» ausfällt ge
Benchmen des Eindttnglings veranlaßte Herrn Danneberg, sofort auf-
zuspringen und den Mann zu sragen, was er tet ihm wolle. Letzterer
entfernte stch hieraus wieder und ging über das Tttttbrett des Wagens
entleng fort, um »och in verschiedene Abteilungen 2. Klaffe einzudttngen.
Herr Danneberg legte sich tn das Fenster und deobachtete von diesem aus
den H. Beim Einfahren in die Station Andcrnach machte Herr D.
Miene, auf de« H. loszugehen; in demselben Augenbltck aber fiel ein
Schuß, der gegen ihn gettchtet war. Unmtttelbar daraus sah Herr D-
den Angretser im Dunkel der Racht verschwinden. Der den Nachtdienst
versehendc Asststent Karnjan, dem der Reisende sofort Meldung von dem
Vorfall machte, begab fich sosort mit de» wenigen Unterbeamten, die ihm
zur Verfügung standen, auf die Jagd nach dem Gntflohenen. Die Fuß-
spuren tn dem frifchgesallenen Schnec führten zu den Güterwagen, w»
man den Menschen in «inem Bremserhäuschen versteckt fand. Sogleich
wurdr Gendarmerie geholt, während man den Ertappten in seinrm