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Unverzagt, Wilhelm
Terra sigillata mit Raedchenverzierung — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 3: Frankfurt/​M., 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.43353#0030
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26

b) FO. Niederbieber. Fragment eines Kelchgefäßes (?) aus feinem, hellbraunem
Ton mit feiner, weißer Überschlämmung (Niederbieber Abb. 52 no. 2). Muster aus abwechselnd
in entgegengesetztem Sinne schraffierten Feldern. Oelmann setzt diese Scherbe in die Mitte
des 3. Jahrhunderts (a. a. 0. S. 68, s. auch S.’ 10).
Außer diesem Bruchstück sind bis jetzt keine Scherben mit Rädchenmustern, die aus
einzelnen Feldern bestehen, aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts am
Rhein bekanntgeworden, wenn nicht einzelne späte Schlauchurnen aus noch unveröffentlichten
Gräberfeldern Rheinhessens und der Pfalz (z. B. Bingerbrück, Alzei u. a.) bis in diese Zeit reichen.
Die belgische Keramik ist fast völlig durch rein römische Formen verdrängt.
V. Nach dem Verlust des rechten Rheinufers um 260 n. Chr. und be-
sonders während der Zeit der gallischen Kaiser beginnen belgische Formen und
Techniken wieder aufzutauchen: Neue Blüte der Dämpftechnik, Umgestaltung von Gefäß-



Abb. 27. Muster der Scherbe Abb. 26. M. 1 : 1.

profilen im La Tenecharakter u. a. Ihren mächtigsten Ausdruck erreichen diese altbelgischen
Strömungen in der nordgallischen Sigillata mit Rädchenverzierung, deren Fabrikationszentrum
im Herzen einer hochentwickelten gallo-römischen Mischkultur mit stark einheimischem Charakter,
dem Remergebiet, liegt. Die Hauptform dieser Sigillata, die Schale, trägt in den Einzelheiten
der Formgestaltung Züge, die an entsprechende belgische Formen des 1. Jahrhunderts n. Chr.
erinnern (s. o. S. 12) und verwendet als Ornament die altgallische Rädchenverzierung. „Römisch“
ist an diesen Schalen eigentlich nur noch der Überzug.
Nach alledem darf als gesichert gelten, daß die Rädchenverzierung auf der nordgallischen
Sigillata im Grunde die direkte Fortsetzung einer altgallischen, in der Spätlatenezeit entstandenen
Ornamentik bildet, die mit der belgischen Ware im Rheingebiet seit der Mitte des 2. Jahrhunderts
durch römische Techniken und Gefäße verdrängt wird. Im Innern der Gallia Belgica aber besteht
sie ununterbrochen weiter und erlebt in der späten Kaiserzeit eine neue Blüte, diesmal aber
auf dem Sigillatageschirr. Von der Mont-Beuvray-Keramik haben sich direkt durchgehalten
die Muster auf Tafel II, ferner 156—-160, 188—194 u. a. Neben diesen einfachen Zierstreifen
läßt sich von der Mitte des 2. Jahrhunderts ab auf der spätbelgischen Ware bereits eine Ent-
wicklung zu reicheren Mustern mit buntem Felderwechsel feststellen (s. d. Scherbe von Ubstadt).
Die reichen Muster, neben denen aber auch die einfachen unverändert fortbestehen, haben dem-
nach als stilistisch jünger zu gelten.
Die stilistisch jüngste Gruppe bilden die Muster mit religiösen Symbolen wie Nr. 168—173,
178, 181—186 und einige ihnen nahestehende Zierstreifen wie Nr. 174—177, 187, 180 u. a.
Auf die hier teilweise nur. flüchtig gestreiften Probleme, sowie auf das Verhältnis der
Sigillata mit Rädchenverzierung zur gleichzeitigen Keramik Südgalliens und der Mittelmeer-
länder, auf den Einfluß der Toreutik und die Stellung in der spätkaiserzeitlichen Stilentwicklung
und Kultur soll baldigst an anderer Stelle eingegangen werden.

V. Das Verbreitungsgebiet.
Von der Ausdehnung des Verbreitungsgebietes der Sigillata mit
Rädchenverzierung geben die Übersichtskarte der Fundstellen auf S. 27 und das nachstehende
Fundortsverzeichnis eine genaue Vorstellung. Dabei muß jedoch hervorgehoben werden, daß
das ausländische Material in vielen Fällen nur auf Grund literarischer Notizen gesammelt werden
 
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