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Unverzagt, Wilhelm
Terra sigillata mit Raedchenverzierung — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 3: Frankfurt/​M., 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.43353#0043
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VI. Die Zeitbestimmung.
Bei der zeitlichen Bestimmung der Terra sigillata mit Rädchenverzierung ist in erster
Linie festzustellen, daß sich in den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes, die durch
die Tätigkeit der Reichs-Limes-Kommission bis in Einzelheiten erforscht sind, noch keine
Spuren dieser Ware nachweisen lassen1). Da das Limesgebiet um 260 n. Chr. an die Germanen
verloren ging, ist ihre Entstehung sicher nach diesem Zeitabschnitt erfolgt. Eine besondere
Bedeutung für die Chronologie haben die hier zusammengestellten wenigen schärfer datierten
Fundstellen von Sigillaten mit Rädchenverzierung.
1. Der Goudsberg bei Valkenburg (Holland), Burgus aus der Zeit von
280—320 n. Chr.
2. Die Heidenmauer in Wiesbaden, Befestigung aus der Zeit von 300 bis
355 n. Chr.
3. Der Keller im Kastell A 1 z e i 330—355 n. Chr. 2).
4. Das Kastell Alzei aus der Zeit von etwa 330—406 n. Chr.
5. In einem Grabe zu Straßburg eine Schale als Beigabe zusammen mit einem
Kleinerz Constantinus’ II. 337—340 n. Chr.
6. Bellheim, in einem um 350 n. Chr. vergrabenen Depotfund.
7. A b b e v i 11 e , in einem Gräberfeld nach den Münzen aus der Zeit von etwa
350—423 in. Chr.
8. A 11 r i p , Kastell aus der Zeit von etwa 370—406 n. Chr.
9. Als Fundstellen, die sicher noch nach 406 n. Chr., dem Jahre des Verlustes der Rhein-
grenze an die Germanen, benutzt worden sind, kommen die Trierer St. Bar-
barathermen und der frühchristliche Einbau des Metzer Amphi-
theaters in Frage. Beide schließen wohl spätestens um die Mitte des 5. Jahr-
hunderts n. Chr.
Unter den übrigen Fundstellen, die sich im einzelnen zwar nicht genauer datieren lassen,
aber alle der späten Kaiserzeit angehören, sind gleichfalls keine Anlagen, die schon vor 300 n. Chr.
aufgegeben oder erst nach 400 n. Chr. errichtet worden sind. Das 4. Jahrhundert n. Chr.
ist demnach als die eigentliche Blütezeit der Sigillata mit Rädchenverzierung an-
zusehen. Ihre Entstehungszeit kann noch etwas genauer umschrieben werden. In dem Alen-
lager von Novaesium, dessen Bestand in die Zeit von 259—270 n. Chr. fällt, und dem Kastell
von Senon, das unter den gallischen Kaisern errichtet und unter Maximianus spätestens wieder
aufgegeben worden ist, haben sich noch keine Scherben dieser Gattung gefunden. Im Burgus
vom Goudsberg bei Valkenburg (280—320 n. Chr.), der Heidenmauer in Wiesbaden (etwa 300
bis 355 n. Chr.) und dem konstantinischen Keller von Kastell Alzei (etwa 330—355 n. Chr.) ist
sie dagegen bereits vertreten. Daraus folgt, daß die Sigillata mit Rädchenverzierung erst a m
Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. eine größere Rolle zu spielen beginnt. Über
ihren eigentlichen Entstehungsprozeß, der diesem Zeitpunkt voraufgeht,-können nur eingehende
Untersuchungen in dem Herstellungsgebiet, den Argonnentöpfereien, Aufschluß gewähren. Ihr
spätestes Vorkommen in Siedelungsschichten findet sie, wie bereits bemerkt, in den Trierer
St. Barbarathermen und dem frühchristlichen Einbau des Metzer Amphitheaters. Rund andert-
halb Jahrhunderte, vom Anfang des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts
n. C h r. umfaßt also die Entwicklung der nordgallischen Sigillata mit Rädchenverzierung, des
letzten Gliedes in der Geschichte der reliefverzierten Firnisware.

T) Die beiden Schalenbruchstücke aus Großkrotzenburg und Stockstadt stammen höchstwahrscheinlich aus
germanischen, erst nach Aufgabe des Limes dort entstandenen Ansiedlungen (s. o. S. 32 u. 36).
2) Materialien II Keramik v. Alzei S. 2.

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