Naturschwärmerei, sehr wenig Reflexion, einer R • 11
großen Anspruchslosigkeit und einer unend-
lichen, tief verschwiegenen Sehnsucht hinaus aus
der Langeweile des Alltags.
Wenn man unter diesem Gesichtspunkt das Vie-
lerlei dieses Raumes betrachtet, dann wird man
nirgendwo wirkliche Widersprüche entdecken
und wird es begreifen, warum in dieser Zeit so viel
Hausmusik gemacht wurde (und daher der Ge-
staltung desMusikinstruments soviel Interesse 3 u. 19
zugewandt wurde) und gleichzeitig die Künste
der Schere und der Nadel so seltsame Blüten trie-
ben, wie es der Wandschmuck mehrfach zeigt.
Kaum aber nahm in Deutschland der Wohlstand
wieder zu und kaum begann das Interesse für
politische Fragen wieder so rege zu werden,
daß es dem deutschen Bürger zur Unmöglichkeit
Wurde, sich in der bisherigen Enge wohl zu
fühlen, da wandte man sich mit Energie von der
philiströsen Liebenswürdigkeit des Biedermeier-
stils ab. Und nun begann eine Zeit unsicheren
Tastens nach neuen Formen. Noch fehlte die
Kraft, aus Eigenem zu einer neuen Kultur des
Heims zu kommen. Bald knüpfte man an Grie-
chenland, bald an das Rokoko, bald an die Gotik,
bald an die italienische Renaissance an. Man
experimentierte in allen Stilen der Vergangen-
heit, durchaus entsprechend dem starken histo-
rischen Sinn der Zeit, bis dann durch die großen
Ereignisse der Jahre 1870—71 das Interesse auf
Deutschlands Vergangenheit konzentriert wurde
Jjnd auf „ unserer Väter Werke ".
Die deutsche Renaissance wurde nun als die
a"ein berechtigte Vorbildersammlung für ein
ReUes Kunsthandwerk angesehen. Nicht lange
aber und an die Stelle der Renaissance setzte
^as natürliche Abwechselungsbedürfnis die fol-
genden Stilperioden, das Barock und das Rokoko.
S° weit war man in der Abwandlung der Stile
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großen Anspruchslosigkeit und einer unend-
lichen, tief verschwiegenen Sehnsucht hinaus aus
der Langeweile des Alltags.
Wenn man unter diesem Gesichtspunkt das Vie-
lerlei dieses Raumes betrachtet, dann wird man
nirgendwo wirkliche Widersprüche entdecken
und wird es begreifen, warum in dieser Zeit so viel
Hausmusik gemacht wurde (und daher der Ge-
staltung desMusikinstruments soviel Interesse 3 u. 19
zugewandt wurde) und gleichzeitig die Künste
der Schere und der Nadel so seltsame Blüten trie-
ben, wie es der Wandschmuck mehrfach zeigt.
Kaum aber nahm in Deutschland der Wohlstand
wieder zu und kaum begann das Interesse für
politische Fragen wieder so rege zu werden,
daß es dem deutschen Bürger zur Unmöglichkeit
Wurde, sich in der bisherigen Enge wohl zu
fühlen, da wandte man sich mit Energie von der
philiströsen Liebenswürdigkeit des Biedermeier-
stils ab. Und nun begann eine Zeit unsicheren
Tastens nach neuen Formen. Noch fehlte die
Kraft, aus Eigenem zu einer neuen Kultur des
Heims zu kommen. Bald knüpfte man an Grie-
chenland, bald an das Rokoko, bald an die Gotik,
bald an die italienische Renaissance an. Man
experimentierte in allen Stilen der Vergangen-
heit, durchaus entsprechend dem starken histo-
rischen Sinn der Zeit, bis dann durch die großen
Ereignisse der Jahre 1870—71 das Interesse auf
Deutschlands Vergangenheit konzentriert wurde
Jjnd auf „ unserer Väter Werke ".
Die deutsche Renaissance wurde nun als die
a"ein berechtigte Vorbildersammlung für ein
ReUes Kunsthandwerk angesehen. Nicht lange
aber und an die Stelle der Renaissance setzte
^as natürliche Abwechselungsbedürfnis die fol-
genden Stilperioden, das Barock und das Rokoko.
S° weit war man in der Abwandlung der Stile
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