106 Mantegna und Signorelli.
nisse und die technische Meisterschaft waren, welche an Mantegna die
Bewunderung der gleichzeitigen Künstler auf sich zogen.
In wie hohem Ansehen er' unter den sonstigen gebildeten Zeitgenossen
stand, beweisen ausser den schon angeführten Ausdrücken des Marchese
Francesco Gonzaga unter Anderm die Verse des gleichzeitigen Dichters
Battista Mantovano', in welchen er ihn die Zierde Italiens, den Ruhm
seines Jahrhunderts nennt, welchem seine dankbare Taterstadt nächst dem
Livius das grösste Lob spenden müsse. Ja selbst von Ausländern wurde
er hochgepriesen, denn schon im Jahr 1458, als er noch lange nicht die
höchste Vollendung in seiner Kunst erreicht "hatte, besang ihn der als
hochgebildeter Mann und lateinischer Dichter gleich ausgezeichnete Janus
Pannonius, Bischof von Fünfkirchen in Ungarn, dessen Bildniss er gemalt
hatte, in der schon früher erwähnten Elegie. Nachdem er in Versen von
grosser Eleganz an seinem Bildniss die Naturwahrheit in Form und Fär-
bung mit Feinheit hervorgehoben und auch sonst den Meister hoch ge-
feiert hat, sagt er: „Mit einem Wort, dir gebührt so sehr der höchste
Ruhm in der Malerei wie deinem Landsmann, dem Livius, in der Ge-
schichte."2
Dass aber Mantegna selbst unter der folgenden Generation, als schon
die Sterne erster Grösse, Lionardo da Vinci, Michelangelo, Raphael und
Tizian an dem italienischen Kunsthimmel glänzten, in der allgemeinen
Schätzung ihnen gleich geachtet wurde, beweist folgende Stanze im „Ba-
senden Roland" von Ariost:
E quei che furo a' nostro di, o sono ora
Leonardo, Andrea Mantegna, Gian Bellino,
Duo Dossi, e quel ch'a par sculpe e colora
Michel, piü che mortale, Angel divino;
Bastiano', Rafael, Tizian ch'onora
. Non men Cador, che quei Venezia e Urbino;
E gli altri di cui tal l'opra si vede,
Qual della prisca etä si legge e crede4.
kürzungen sieht, die das Auge täuschen und durch ihre Kunst erfreuen. Die
Perspective bringt er höchst phantasievoll in Anwendung, sodass ich dar-
über in meinem Geist erstaune. Mit einem Worte, was viele andere Einsiehts-
volle in der herrlichen Malerei geleistet haben, leuchtet in ihm allein im höch-
sten Masse hervor."
1 Tu deeus Italiae, nostri tu gloria saecli,
Tu patrui immortalis honos: concedere laudem
Patria post Livium debet tibi grata secundam.
Baptistae Mantuani Opera omnia. Bologna 1802, B. 29 b, unter dem patruus
ist hier, wie Zani richtig bemerkt, Squarcione zu verstehen, welcher ihn mit
väterlicher Sorgfalt zum Künstler gebildet hatte.
2 Postremo, tarn tu picturae gloria prima es
Quam tuus historiae gloria prima Titus.
3 Sebastian del Piombo.
4 33. Gesang, 2. Stanze. Aus dem Umstände, dass diese Stanze in der
ersten Ausgabe des Gedichtes fehlt, sowie aus der Erwähnung der Dossi, welche
in dieser. Gesellschaft nur genannt werden, weil sie die Lieblingsmaler des Her-
zogs von Ferrara waren, erhellt, dass Ariost dieselbe erst später, wahrscheinlich
nicht lange vor seinem Tode im Jahre 1535, hinzugedichtet hat, als ausser Mantegna
und Giovanni Bellini auch Lionardo und Raphael schon gestorben waren. Anm.
d. Verf. — Die Fresken des Dosso Dossi im Gasteil zu Ferrara lassen seine
Erwähnung an dieser Stelle indessen vollkommen berechtigt erscheinen. A. W.
nisse und die technische Meisterschaft waren, welche an Mantegna die
Bewunderung der gleichzeitigen Künstler auf sich zogen.
In wie hohem Ansehen er' unter den sonstigen gebildeten Zeitgenossen
stand, beweisen ausser den schon angeführten Ausdrücken des Marchese
Francesco Gonzaga unter Anderm die Verse des gleichzeitigen Dichters
Battista Mantovano', in welchen er ihn die Zierde Italiens, den Ruhm
seines Jahrhunderts nennt, welchem seine dankbare Taterstadt nächst dem
Livius das grösste Lob spenden müsse. Ja selbst von Ausländern wurde
er hochgepriesen, denn schon im Jahr 1458, als er noch lange nicht die
höchste Vollendung in seiner Kunst erreicht "hatte, besang ihn der als
hochgebildeter Mann und lateinischer Dichter gleich ausgezeichnete Janus
Pannonius, Bischof von Fünfkirchen in Ungarn, dessen Bildniss er gemalt
hatte, in der schon früher erwähnten Elegie. Nachdem er in Versen von
grosser Eleganz an seinem Bildniss die Naturwahrheit in Form und Fär-
bung mit Feinheit hervorgehoben und auch sonst den Meister hoch ge-
feiert hat, sagt er: „Mit einem Wort, dir gebührt so sehr der höchste
Ruhm in der Malerei wie deinem Landsmann, dem Livius, in der Ge-
schichte."2
Dass aber Mantegna selbst unter der folgenden Generation, als schon
die Sterne erster Grösse, Lionardo da Vinci, Michelangelo, Raphael und
Tizian an dem italienischen Kunsthimmel glänzten, in der allgemeinen
Schätzung ihnen gleich geachtet wurde, beweist folgende Stanze im „Ba-
senden Roland" von Ariost:
E quei che furo a' nostro di, o sono ora
Leonardo, Andrea Mantegna, Gian Bellino,
Duo Dossi, e quel ch'a par sculpe e colora
Michel, piü che mortale, Angel divino;
Bastiano', Rafael, Tizian ch'onora
. Non men Cador, che quei Venezia e Urbino;
E gli altri di cui tal l'opra si vede,
Qual della prisca etä si legge e crede4.
kürzungen sieht, die das Auge täuschen und durch ihre Kunst erfreuen. Die
Perspective bringt er höchst phantasievoll in Anwendung, sodass ich dar-
über in meinem Geist erstaune. Mit einem Worte, was viele andere Einsiehts-
volle in der herrlichen Malerei geleistet haben, leuchtet in ihm allein im höch-
sten Masse hervor."
1 Tu deeus Italiae, nostri tu gloria saecli,
Tu patrui immortalis honos: concedere laudem
Patria post Livium debet tibi grata secundam.
Baptistae Mantuani Opera omnia. Bologna 1802, B. 29 b, unter dem patruus
ist hier, wie Zani richtig bemerkt, Squarcione zu verstehen, welcher ihn mit
väterlicher Sorgfalt zum Künstler gebildet hatte.
2 Postremo, tarn tu picturae gloria prima es
Quam tuus historiae gloria prima Titus.
3 Sebastian del Piombo.
4 33. Gesang, 2. Stanze. Aus dem Umstände, dass diese Stanze in der
ersten Ausgabe des Gedichtes fehlt, sowie aus der Erwähnung der Dossi, welche
in dieser. Gesellschaft nur genannt werden, weil sie die Lieblingsmaler des Her-
zogs von Ferrara waren, erhellt, dass Ariost dieselbe erst später, wahrscheinlich
nicht lange vor seinem Tode im Jahre 1535, hinzugedichtet hat, als ausser Mantegna
und Giovanni Bellini auch Lionardo und Raphael schon gestorben waren. Anm.
d. Verf. — Die Fresken des Dosso Dossi im Gasteil zu Ferrara lassen seine
Erwähnung an dieser Stelle indessen vollkommen berechtigt erscheinen. A. W.