DIE
CARTONS VON RAPHAEL.
Unter dem Titel »Die Cartons von Raphael in besonderer Beziehung auf die nach
denselben gewirkten Teppiche in der Rotunde des königlichen Museums zu Berlin«
im Verlage von E. G. Schroeder, Berlin 1860, erschienen.
Als Raphael den Auftrag zur Ausführung der berühmten Cartons
erhielt, die mit Recht als das Vollkommenste angesehen werden, was die
christliche Kunst auf dem Gebiete des Dramatischen oder lebhaft beweg-
ter Handlungen hervorgebracht, hatte er bereits auf dem Felde der archi-
tektonischen und repräsentirenden Malerei das Höchste geleistet, und zwar
in einem der Gemächer des Vaticans, der Stanza della segnatura. Aber
auch auf dem Felde des Dramatischen hatte er in einem anderen Zimmer
des Vaticans, in den berühmten Gemälden der Vertreibung des Tempel-
räubers Heliodor, der Messe von Bolsena, der Abwehr Attila's von Rom
und der Befreiung Petri höchst Bewunderungswürdiges geschaffen. Das
letzte Bild ist mit der Jahreszahl 1514 bezeichnet, und gleichzeitig mit
ihm wurden die Cartons begonnen.'
Die Veranlassung zur Bestellung der Cartons war folgende. Die
päpstliche Hofcapelle im Vatican, welche von Papst Sixtus TV. im Jahre
1473 erbaut wurde, und daher unter dem Namen der Sixtinischen Capelle
weltberühmt geworden, war schon im Auftrage dieses Papstes an den höhe-
ren Theilen der Wände von den ausgezeichnetsten toscanischen und umbri-
schen Malern jener Zeit, dem Cosimo Roselli, dem'Sandro Botti-
celli, dem Domenico Ghirlandajo, dem Luca Signorelli und
dem Pietro Perugino, einerseits mit Vorgängen aus dem Leben des
Moses, als Stifters des alten Bundes, andererseits mit Vorgängen aus dem
Leben Christi, als Stifters des neuen Bundes, ausgeschmückt worden. Jenen
grossen Ruhm erhielt aber die Capelle erst durch die von Julius IL bestellten
Deckengemälde des Michelangelo, das Hauptwerk des grossen Meisters, wel-
ches in der Darstellung der Erschaffung der Welt und der Menschen, des
Sündenfalls, der Propheten und Sybillen, als der Verheisser der Errettung
1 Mit Rücksicht auf den vorhergehenden Aufsatz ist der Eingang etwas
gekürzt worden. A. W.
CARTONS VON RAPHAEL.
Unter dem Titel »Die Cartons von Raphael in besonderer Beziehung auf die nach
denselben gewirkten Teppiche in der Rotunde des königlichen Museums zu Berlin«
im Verlage von E. G. Schroeder, Berlin 1860, erschienen.
Als Raphael den Auftrag zur Ausführung der berühmten Cartons
erhielt, die mit Recht als das Vollkommenste angesehen werden, was die
christliche Kunst auf dem Gebiete des Dramatischen oder lebhaft beweg-
ter Handlungen hervorgebracht, hatte er bereits auf dem Felde der archi-
tektonischen und repräsentirenden Malerei das Höchste geleistet, und zwar
in einem der Gemächer des Vaticans, der Stanza della segnatura. Aber
auch auf dem Felde des Dramatischen hatte er in einem anderen Zimmer
des Vaticans, in den berühmten Gemälden der Vertreibung des Tempel-
räubers Heliodor, der Messe von Bolsena, der Abwehr Attila's von Rom
und der Befreiung Petri höchst Bewunderungswürdiges geschaffen. Das
letzte Bild ist mit der Jahreszahl 1514 bezeichnet, und gleichzeitig mit
ihm wurden die Cartons begonnen.'
Die Veranlassung zur Bestellung der Cartons war folgende. Die
päpstliche Hofcapelle im Vatican, welche von Papst Sixtus TV. im Jahre
1473 erbaut wurde, und daher unter dem Namen der Sixtinischen Capelle
weltberühmt geworden, war schon im Auftrage dieses Papstes an den höhe-
ren Theilen der Wände von den ausgezeichnetsten toscanischen und umbri-
schen Malern jener Zeit, dem Cosimo Roselli, dem'Sandro Botti-
celli, dem Domenico Ghirlandajo, dem Luca Signorelli und
dem Pietro Perugino, einerseits mit Vorgängen aus dem Leben des
Moses, als Stifters des alten Bundes, andererseits mit Vorgängen aus dem
Leben Christi, als Stifters des neuen Bundes, ausgeschmückt worden. Jenen
grossen Ruhm erhielt aber die Capelle erst durch die von Julius IL bestellten
Deckengemälde des Michelangelo, das Hauptwerk des grossen Meisters, wel-
ches in der Darstellung der Erschaffung der Welt und der Menschen, des
Sündenfalls, der Propheten und Sybillen, als der Verheisser der Errettung
1 Mit Rücksicht auf den vorhergehenden Aufsatz ist der Eingang etwas
gekürzt worden. A. W.