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19. Wassily Kandinsky: Komposition IV, 1911
Es ist erhellend Bailas Hand des Geigers (Abb. 17)
mit Triers Gemälde Geigenspiel (Abb. 16) von 1955
zu vergleichen, denn auch Hann Trier hat von Tanz
und Musik seit den frühen fünfziger Jahren, bis ins
Spätwerk hinein (vgl. Abb. 50) wichtige Impulse
zur Verzeitlichung seiner Malerei empfangen33: Die
Bewegung des Geigenbogens ist bei Trier wieder-
um nicht als sukzessive Phasenverschiebung, son-
dern als frei ausgeschriebene lineare Bewegung
über einem von farbigen Inseln geteilten hellblau-
en Grund gedeutet, gleichwohl ist auch bei ihm
der motivische Bezug noch erkennbar.
Eine solch abstrahierende Deutung eines dynami-
schen Geschehens setzt natürlich auch Errungen-
schaften und Bewegungsvorstellungen der ab-
strakten Malerei voraus: Denn erst mit dem Über-
gang in die Abstraktion wurde die Verzeitlichung
der künstlerischen Mittel und die damit einherge-
hende Dynamisierung des Blicks des Betrachters
wirklich zu einem aus der Analyse der Elementar-
mittel begründeten Grundaxiom der Kunst: Die-
sen bedeutenden Schritt vollzogen auf besonders
reflektierte Weise Wassily Kandinsky und etwas
später Paul Klee, die beide auf unterschiedlichen
Wegen nicht nur das Bildganze, sondern auch die
Genese ihres künstlerischen Vokabulars, wie des-
sen Betrachtung, auch in zeitlichen Kategorien
interpretieren34. Kandinsky war davon überzeugt,
daß jedes seiner kompositorischen Elemente, wie
z. B. in seiner Komposition IV von 1911 (Abb. 19),
einen spezifischen »Zeitbegriff« besitzt und daß
»das Nachgehen einer Gerade vom Nachgehen
einer Gebogenen zeitlich verschieden« ist: »Also
darf das Zeitelement in der rein linearen Komposi-
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19. Wassily Kandinsky: Komposition IV, 1911
Es ist erhellend Bailas Hand des Geigers (Abb. 17)
mit Triers Gemälde Geigenspiel (Abb. 16) von 1955
zu vergleichen, denn auch Hann Trier hat von Tanz
und Musik seit den frühen fünfziger Jahren, bis ins
Spätwerk hinein (vgl. Abb. 50) wichtige Impulse
zur Verzeitlichung seiner Malerei empfangen33: Die
Bewegung des Geigenbogens ist bei Trier wieder-
um nicht als sukzessive Phasenverschiebung, son-
dern als frei ausgeschriebene lineare Bewegung
über einem von farbigen Inseln geteilten hellblau-
en Grund gedeutet, gleichwohl ist auch bei ihm
der motivische Bezug noch erkennbar.
Eine solch abstrahierende Deutung eines dynami-
schen Geschehens setzt natürlich auch Errungen-
schaften und Bewegungsvorstellungen der ab-
strakten Malerei voraus: Denn erst mit dem Über-
gang in die Abstraktion wurde die Verzeitlichung
der künstlerischen Mittel und die damit einherge-
hende Dynamisierung des Blicks des Betrachters
wirklich zu einem aus der Analyse der Elementar-
mittel begründeten Grundaxiom der Kunst: Die-
sen bedeutenden Schritt vollzogen auf besonders
reflektierte Weise Wassily Kandinsky und etwas
später Paul Klee, die beide auf unterschiedlichen
Wegen nicht nur das Bildganze, sondern auch die
Genese ihres künstlerischen Vokabulars, wie des-
sen Betrachtung, auch in zeitlichen Kategorien
interpretieren34. Kandinsky war davon überzeugt,
daß jedes seiner kompositorischen Elemente, wie
z. B. in seiner Komposition IV von 1911 (Abb. 19),
einen spezifischen »Zeitbegriff« besitzt und daß
»das Nachgehen einer Gerade vom Nachgehen
einer Gebogenen zeitlich verschieden« ist: »Also
darf das Zeitelement in der rein linearen Komposi-
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