Bildern wieder die Seele auf und glaubte, daß die expressionistischen Bilder durch eine
besondere oder absonderliche individuelle Einstellung des Künstlers gegenüber der sicht*
baren Welt entstehen. Man faßte also diese Bewegung individuell auf, die das Typische
sucht. Nicht deshalb, weil der Maler etwas so sieht oder anders sieht, weil der Maler
eben einfach sieht, entsteht das expressionistische Bild. Eine Seele hat das Kunstwerk
ebensowenig wie irgendeine Erscheinung der Natur. Die Empfindungen entstehen nur
durch die Beziehung zwischen dem Beschauer und dem Kunstwerk. Wie sich Leben
und Triebe nur in der Bewegung ausdrücken, so ist der Ausdruck des Bildes die Be*
wegung, die man in der Kunstsprache Rhythmus nennt. Der Rhythmus ist, wie jede
Bewegung, vieldeutig. Der Schlag kann Liebe und der Kuß Haß bedeuten. Ein Kunst*
werk wird nicht dadurch bedeutend, daß es sich deuten läßt. Audi dadurch nicht, daß
man nicht weiß, was es bedeuten soll. Die Deutung ist stets die Tätigkeit des anderen.
Sie hat also nichts mit dem Kunstwerk zu tun, das ein Organismus ist, also aus sich
und in sich besteht. Der Ausdruck des Kunstwerkes ist seine Wirkung. Wirkung entsteht
nur durch sinnliche Wahrnehmbarkeit. Ihre subjektive Deutung wird Seele genannt.
Die Kunst hat nichts mit dieser Seele zu tun. Sie ist die künstlerisch logische
Gestaltung optischer oder akustischer Elemente.
Das ist Expressionismus.
Ob das Bild Assoziationen auslöst oder nicht, ist also für die Wertung des
Kunstwerkes unerheblich. Auch das sogenannte ungegenständliche Bild kann Assozia*
honen auslösen, etwa wie ein Berg, den manche Menschen auch erst schön finden
können, wenn sie sich eine Jungfrau darunter vorstellen. Aber der Berg hat ebenso*
wenig mit der besagten Jungfrau zu tun, wie ein Bild, das Jungfrau genannt wird. Der
Berg kann dodi ein Berg und das Bild doch ein Bild mit und ohne Jungfrau sein.
Der Kubismus ist die Bezeichnung desselben künstlerischen Wollens in Frankreich.
Man hat es zunächst in Frankreich nicht glauben wollen, weil vom Expressionismus
wieder als von der Kunst der Seele gesprochen wurde. Dieser Seele, durch die so
unermeßlich viele schlechte Bilder im übrigen Europa seit den Zeiten der Gotik gemalt
worden sind. Aus dem Buch des hervorragenden Malers und theoretischen Wortführers
der französischen Kubisten, Albert Gleizes, „Vom Kubismus“, geht klar die Ein*
heit des künstlerischen Wollens zwischen Expressionismus und Kubismus hervor. Den
französischen Künstlern kommt die Wandlung des Spaniers Picasso nicht so spanisch vor,
wie den deutschen Gegnern der Kunst. Ein Abfall ist nicht das Ende der Blüte eines
Baumes, es ist nur das Verenden einer unreifen Frucht. Diese Abfälligen sind nur
Anfällige gewesen. Abgeworfen bleiben sie auf der Erde liegen und sind nun in der
Ruhe eindeutig erkennbar.
Jede Formulierung ist unwichtig. Wichtig ist, zu sehen. Wir sind alle zu ge*
bildet. Es ist an der Zeit, daß wir uns bilden. Es ist hoch an der Zeit. Lind es ist
eine glückliche Zeit dazu, in der wir leben.
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besondere oder absonderliche individuelle Einstellung des Künstlers gegenüber der sicht*
baren Welt entstehen. Man faßte also diese Bewegung individuell auf, die das Typische
sucht. Nicht deshalb, weil der Maler etwas so sieht oder anders sieht, weil der Maler
eben einfach sieht, entsteht das expressionistische Bild. Eine Seele hat das Kunstwerk
ebensowenig wie irgendeine Erscheinung der Natur. Die Empfindungen entstehen nur
durch die Beziehung zwischen dem Beschauer und dem Kunstwerk. Wie sich Leben
und Triebe nur in der Bewegung ausdrücken, so ist der Ausdruck des Bildes die Be*
wegung, die man in der Kunstsprache Rhythmus nennt. Der Rhythmus ist, wie jede
Bewegung, vieldeutig. Der Schlag kann Liebe und der Kuß Haß bedeuten. Ein Kunst*
werk wird nicht dadurch bedeutend, daß es sich deuten läßt. Audi dadurch nicht, daß
man nicht weiß, was es bedeuten soll. Die Deutung ist stets die Tätigkeit des anderen.
Sie hat also nichts mit dem Kunstwerk zu tun, das ein Organismus ist, also aus sich
und in sich besteht. Der Ausdruck des Kunstwerkes ist seine Wirkung. Wirkung entsteht
nur durch sinnliche Wahrnehmbarkeit. Ihre subjektive Deutung wird Seele genannt.
Die Kunst hat nichts mit dieser Seele zu tun. Sie ist die künstlerisch logische
Gestaltung optischer oder akustischer Elemente.
Das ist Expressionismus.
Ob das Bild Assoziationen auslöst oder nicht, ist also für die Wertung des
Kunstwerkes unerheblich. Auch das sogenannte ungegenständliche Bild kann Assozia*
honen auslösen, etwa wie ein Berg, den manche Menschen auch erst schön finden
können, wenn sie sich eine Jungfrau darunter vorstellen. Aber der Berg hat ebenso*
wenig mit der besagten Jungfrau zu tun, wie ein Bild, das Jungfrau genannt wird. Der
Berg kann dodi ein Berg und das Bild doch ein Bild mit und ohne Jungfrau sein.
Der Kubismus ist die Bezeichnung desselben künstlerischen Wollens in Frankreich.
Man hat es zunächst in Frankreich nicht glauben wollen, weil vom Expressionismus
wieder als von der Kunst der Seele gesprochen wurde. Dieser Seele, durch die so
unermeßlich viele schlechte Bilder im übrigen Europa seit den Zeiten der Gotik gemalt
worden sind. Aus dem Buch des hervorragenden Malers und theoretischen Wortführers
der französischen Kubisten, Albert Gleizes, „Vom Kubismus“, geht klar die Ein*
heit des künstlerischen Wollens zwischen Expressionismus und Kubismus hervor. Den
französischen Künstlern kommt die Wandlung des Spaniers Picasso nicht so spanisch vor,
wie den deutschen Gegnern der Kunst. Ein Abfall ist nicht das Ende der Blüte eines
Baumes, es ist nur das Verenden einer unreifen Frucht. Diese Abfälligen sind nur
Anfällige gewesen. Abgeworfen bleiben sie auf der Erde liegen und sind nun in der
Ruhe eindeutig erkennbar.
Jede Formulierung ist unwichtig. Wichtig ist, zu sehen. Wir sind alle zu ge*
bildet. Es ist an der Zeit, daß wir uns bilden. Es ist hoch an der Zeit. Lind es ist
eine glückliche Zeit dazu, in der wir leben.
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