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Franz Marc

Ein Künstler ist gefallen, der nicht fallen kann. Sein Reich ist nicht von
dieser Welt. Aber die Erde war ihm heimisch. Die Erde, die Lebendiges erzeugt und
Lebendiges trägt. Ihm schien die Erde, ihm redeten die Tiere, die Wälder und die Felsen.
Sie alle wissen nicht, was sie tun. Sie sind der Sinn der Erde und er gab ihnen das
Sinnbild. Das Gleichnis. Er sah das Nackte reinen Auges, weil er spielen konnte, weil
er ein Künstler war. Ihn zog der Mensch nicht an, den er ausziehen mußte. Der erst
hinter den Dingen stand. Er sah die Dinge an sich, die andere sich erst aufbauen
müssen. Er stand vor den Felsen und die Felsen fügten sich ihm. Er wandelte zwischen
den Bäumen und der Wald umstellte sich ihm. Ihm lauschten die Tiere und er gab
ihnen die Farben seiner Liebe.

Die Liebe seiner Farben. Wie sie sich lieben, die Farben, wenn man sie nicht
stört. Wie sich die Formen umarmen, wenn man sie nicht bricht.

Kein Feuer verbrennt Brennende.

Wie Du brennst, Franz Marc. Wie Deine Augen aufsaugen, was ist. Wie das
Sein durch Dich Glühenden glüht. Wie Dein Brand allen Zauber tötet, der nicht Wunder
ist. Wie das Wunder durch Dich auf die Erde kommt, die nun entzaubert und ver*
wundert ist: mit großen erstaunten Kinderaugen nun in die Welt sieht, die sich über den
Augen aller Kämpfer wölbt. Sichtbar nur für große, erstaunte Kinderaugen.

Sie wachsen nicht, diese Erwachsenen. Franz Marc, wüßten sie, wie der Künstler
sie liebt, diese Blinden, denen er das Licht gibt, alles Feuer würde sich selber verzehren,
ehe es den Menschen frißt, der allein und nur ihnen allen Vater und Mutter, Geliebter
und Geliebte ist.

Das Feuer verbrennt keinen Brennenden.

Die Erde ist das Tal der Klage, weil wir wissen, was wir tun. Wir erfinden,
was wir nicht suchen. Künstler und Kinder finden, was sie suchen. Sie sehen, sie hören,
sie fühlen. Sie springen im Tal, sehen die Berge, hören die Stimme und fühlen Gott.
Vielleicht stolpern sie über die Wurzeln, schlagen sie, weil sie sie nicht sahen. Aber der
Vogel dort erhebt sie und sie sind Eins mit der Erde, weil sie sich in der Welt fühlen.
Die Klage wird Klang. Der Jubel hallt wider. Ihr Jubel. Blinde stehen nicht auf.
Taube klagen.

Aber Du stehst auf, Franz Marc. Dir war die Erde heimisch, aber Dein Reich
ist in der Welt. Die Erde lebt aus Dir. Und ein Baum wächst auf, seine Aeste greifen
um die Erde, seine Blätter leuchten blau in Aller Herzen, seine Blüten duften Klang in
Aller Seelen, es raunt aus ihm in Aller Denken, es singt aus ihm der Welten Stimme,
es klingt aus ihm der Welten Schweigen. Täler blühen in seinem Schatten.

Ich liebe das Unvergängliche, durch das ich glühe.

Wie ich Dich liebe, Franz Marc.

Wie Du mir entgegenglühst. Wie ich Dir entgegenglühe.

Dir, Künstler Gottes.

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