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Drittes Kapitel
Der neue Bildraum, die reiche Gruppe und
das malerische Element
Die beiden Pole, um die sich Dürers Kunst von Anfang an im
Gegensatz zur gotischen Weise dreht, sind seine Empfindung
für den menschlichen Körper als plastischer Wert auf der einen
und sein eigenartiges Landschaftsgefühl, und damit im Zusam-
menhang sein neues Raumgefühl, aufderanderenSeite. Inseiner
künstlerischen Praxis durchdringen diese Elemente einander ge-
genseitig,und wenn er um dieZahrhundertwende in einer Reihe be-
deutender Stiche und in seinen Proportionsstudien dem Figuren-
problem besonders eindringlich zu Leibe geht, so darf man deshalb
nicht annehmen, daß während all dieser Jahre sein Interesse für
den Bildraum geschlummert hätte. Er hat dieses Interesse von
Anfang an im Auge behalten, und im gleichen Jahre, wo er im
Adam und Eva-Stich sein Wissen und seine Weisheit um die
menschliche Gestalt unter Dach gebracht hatte, erschien ein Stich
von ganz anderer Art: „Die Geburt Christi" vom Jahre IZO^.
Während es sich in den italianisierendenArbeiten und im „Großen
Glück", sowie im Adam und Eva, um Blätter mit großen Einzel-
figuren handelt, bei denen die Einzelfigur doch mehr oder weniger
die Hauptsache bedeutet, haben wir es hier mit einem gänzlich
anders gearteten Interesse zu tun: die Menschengestalten, trotz-
dem es nur wenige sind, spielen, künstlerisch-formal genommen,
kaum noch eine Rolle im Bildganzen. Entscheidend dagegen
wird der Raum. Dürer baut sich, nicht gerade sehr geschickt, einen

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