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Wegner, Max
Hadrian, Plotina, Marciana, Matidia, Sabina — Das römische Herrscherbild, Abteilung 2 ; 3: Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42301#0081
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MARCIAN A

Marciana war älter als ihr Bruder Trajan und muß demnach vor 48 n. Chr. ge-
boren sein. Sie muß in großem Ansehen gestanden haben, denn nur daraus läßt
sich erklären, daß seit Anfang 112 Münzen mit ihrem Bildnis geprägt wurden. Am
29. August 113 ist sie etwa fünfundsechzigjährig gestorben und am gleichen Tag
konsekriert worden1; bei ihr wurde zum ersten Male - wahrscheinlich - bereits
vor der Verbrennung die Ehrung der Vergöttlichung vollzogen, die bislang erst
danach erfolgte (vgl. F. Vittinghoff, Der Staatsfeind in der römischen Kaiser-
zeit 107). Mit der Aufschrift Diva Augusta Marciana setzen sich die Münzprägun-
gen mit ihrem Bildnis fort und dauern noch an unter Hadrian. Dieser ehrte in ihr die Großmutter
seiner Frau. Mit plastischen Bildnissen der Marciana darf gerechnet werden, sowohl unter Trajan
als auch unter Hadrian.
Einen einzigen Bildnistypus mit gleichbleibender Haartracht zeigen sämtliche Münzen, die zu Leb-
zeiten geprägten und die postumen Prägungen (möglicherweise zwei Gruppen: vgl. Strack I 41
mit Anmerkung 83). Die Familienähnlichkeit mit dem Bruder ist auffallend groß: Niedrige, vor-
gewölbte Stirn, eingesenkte Nasenwurzel, volle Wangen, knappes Kinn mit abgekehlter Kinnkuppe,
feine schmale Lippen; dazu schlaffe Haut als Merkmal höheren Alters. Die Haartracht ist gekenn-
zeichnet durch eine flache Haarrolle, die die Stirn säumt, einen kunstvollen, zweistufigen Aufbau
nebeneinander gestellter, schuppenförmiger Haarbögen mit einem Diadem dahinter und einem
großen geschwungenen Flechtennest, zu dem das unterteilte Haar aus dem Nacken hochgenommen
wird.
Auch ohne die übereinstimmende Haartracht wäre ein Kolossalkopf aus Ostia wegen einer treffenden
Familienähnlichkeit mit Trajan als Bildnis der Marciana zu ermitteln (Taf. 35). Den Alterszügen
nach würde man die Dargestellte wohl für jünger halten als eine Sechzigerin, obwohl die Züge ein
sehr gereiftes und scharfes Gepräge haben; je nach der Ansicht des Kopfes, die von verschiedenen Auf-
nahmen festgehalten wird, wirkt die Dargestellte allerdings manchmal älter, herber und verbissener,
manchmal freundlicher und jugendlicher. Sie hat das Gesicht einer edlen und geistig regen Frau.
Das Gerüst des Schädels tritt klar hervor; nur die Wangen hängen etwas schlaff nach unten. Die
Haartracht wird nun besser verständlich als angesichts der Münzprofile. Der die Stirn umfassende
Saum ist hier deutlich als eine flachgedrückte Haarrolle zu erkennen, denn über der Stirnmitte öffnet
er sich in Form zweier gegenwendiger Voluten. Darüber erhebt sich in zwei Stufen der kunstvolle
Aufbau hochgestellter schuppenförmiger Haarbögen, in der unteren Reihe sechs jederseits der Mitte,
in der oberen fünf. Am Hinterhaupt ist das Haar in Strähnen unterteilt, aus dem Nacken ein wenig
hochgenommen, zu Zöpfen verflochten und als schwerer Flechtenwulst zu einem großen Nest
verschlungen. Das Diadem, das die Münzen zeigen, fehlt; es ist unwahrscheinlich, daß es einst in
Metall angefügt war.
Der Kopf auf einer der beiden Gewandstatuen der Loggia de’Lanzi in Florenz, von denen die
andere Matidia darstellt, ist eine genaue Replik des Ostia-Kopfes. Der Verfasser hat sich früher

1 Datum durch ostiensische Fasten überliefert: G. Calza, NSc. 1932, 188 ff. Taf. 2. O. Brendel, AA. 1933, 588.


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