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Wegner, Max
Hadrian, Plotina, Marciana, Matidia, Sabina — Das römische Herrscherbild, Abteilung 2 ; 3: Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42301#0084
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MATIDIA

Matidia, die Tochter der Marciana und die Mutter der Sabina, ist spätestens
68 n. Chr. geboren und im Dezember 119 gestorben, von Hadrian mit Ehren aus-
gezeichnet: Sie wurde sogleich konsekriert, Hadrian hielt die Laudatio funebris
und stiftete eine Basilica Matidiae auf dem Marsfeld. Matidia besaß schon zu Leb-
zeiten das Ehrenmünzrecht, sicher unter Hadrian, ob auch unter Trajan ist da-
gegen zweifelhaft. Hadrian hatte der Matidia offenkundig viel zu verdanken.
Sie war von Trajan mit in den Osten genommen worden und zusammen mit
Plotina in den letzten Tagen des Herrschers um ihn; sie geleitete seine sterblichen
Überreste nach Rom. Die Vermutung liegt nahe, daß sie entscheidend zur Nachfolgeregelung zu-
gunsten des Mannes ihrer Tochter beigetragen hat. Griechische Inschriften nennen sie »Mutter der
schönen Tochter« und vergleichen sie mit Demeter, Sabina mit der Tochter Kore. In der hadriani-
schen Neugründung von Antinoe erhält eine Phyle den Namen der Matidia.
Die Münzprägungen mit dem Bildnis der Matidia zeigen sämtlich, wie es bei Plotina und Marciana
der Fall war, einen einzigen Bildnistypus. Die Familienähnlichkeit zwischen Matidia und Marciana
muß sehr groß gewesen sein; zumindest sind auf den Münzen die Profile kaum zu unterscheiden;
auffällig verschieden sind beide Münzprägungen nur in der Haartracht, wenngleich nicht im großen
und ganzen, sondern nur in einer Einzelheit: Der doppelstufige Haaraufbau der Marciana ist bei
Matidia durch ein hohes ‘Haardiadem’ ersetzt, das über der Stirnmitte durch ein langgestrecktes
zungenförmiges Mittelmotiv, einer vergrößerten Umbildung der schuppenförmigen Haarbögen der
Marciana-Frisur, unterbrochen wird; das Haardiadem selbst ist allerdings seitlich dieses Mittel-
motivs durch einige Grate fächerförmig unterteilt. Zwischen Haaraufbau und Nest trägt Matidia
wie Plotina und Marciana das Diadem.
In dem uns bekannten Material an plastischen Frauenbildnissen der Kaiserzeit findet sich anschei-
nend nur ein einziges, dessen Haartracht dem Typus der Münzen weitgehend entspricht, ein unter-
lebensgroßer Kopf im Museo Nazionale delle Terme 42 139. Der Verfasser hat früher gemeint, nach
Ausweis der Münzen sei dieser Kopf als Bildnis der Matidia verläßlich bezeugt; er muß diese Be-
stimmung jetzt zurücknehmen. Zwar zeigt nur dieser unterlebensgroße Kopf das auffällige lang-
gestreckte zungenförmige Motiv über der Stirnmitte, aber diese Übereinstimmung wiegt die physio-
gnomischen Unterschiede nicht auf. Übrigens ist bei genauem Zusehen die Haartracht gar nicht ganz
gleich, denn die fächerförmige Unterteilung des ‘Haardiadems’ der Münze muß etwas anderes
meinen als die sichelförmige Zeichnung des unterlebensgroßen Kopfes im Thermenmuseum. Nach
Ausdruck und Charakter, den strengen, zielbewußten und ernsten Zügen würde dieser Kopf eher zu
Marciana als zu Matidia passen. Der Vergleich mit den Bildnissen dieser beiden Frauen lag auch für
R. Paribeni in seiner Erstveröffentlichung nahe;mitihm muß man sich dennoch dahingehend entschei-
den, daß weder die eine noch die andere, sondern eine unbekannte Frau der trajanischen Zeit darge-
stellt ist. Das ausdrucksvolle Stück hat die Qualität eines einmalig geschaffenen Charakterbildnisses
eines wirklichen Künstlers, die man bei den häufig wiederholten Herrscherbildnissen leider allzuoft ver-
mißt. Die feingliederige Oberflächenbehandlung des Gesichts und die sehr sorgfältige Zeichnung der
Form weisen dieses Bildnis eindeutig in trajanische Zeit; es ist früher als alle Matidia-Bildnisse.


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