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Wegner, Max
Hadrian, Plotina, Marciana, Matidia, Sabina — Das römische Herrscherbild, Abteilung 2 ; 3: Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42301#0085
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Man kann diesmal anscheinend nicht so vertrauensvoll von den Münzprägungen ausgehen wie im
allgemeinen und muß auf anderen Wegen das Bildnis der Matidia zu bestimmen suchen; denn
plastische Bildnisse der Matidia muß es fraglos gegeben haben, voraussichtlich in nicht geringer
Zahl, und ein hadrianisches Frauenbildnis, das in mehreren Wiederholungen bekannt ist, wird sich
gut dafür empfehlen. Wenn nun die eine der beiden Gewandstatuen der Loggia de’Lanzi in Florenz
als Bildnis der Marciana beglaubigt ist, liegt es nahe, im Gegenstück das Bildnis der Matidia zu ver-
muten.
Dieses Bildnis steht nicht allein; es vertritt mit mehreren Repliken zusammen einen Typus. Der
Kopf der Gewandstatue in der Loggia de’Lanzi gehört keineswegs zu den besten Repliken; er muß
sehr beschädigt gewesen sein und wurde deshalb stark ergänzt und überarbeitet. Alle Einzelheiten
sind zu hart und schematisch gezeichnet. Ob für den Ergänzer sichere Anzeichen dafür vorhanden
waren, um den Hinterkopf und vor dem Nest Flechte an Flechte in paralleler Folge zu reihen, läßt
sich nicht mehr nachprüfen. Soweit feststellbar, fehlt den anderen Repliken dieses Motiv.
Von einer Büste im Louvre ist wegen ihrer vollständigen und recht guten Erhaltung auszugehen
(Taf. 39). Die Haartracht zeigt zuunterst den üblichen Saum um die Stirn. Er ist so kunstvoll, daß
man sich fragen muß, ob es sich um eine Frisur aus den eigenen Haaren oder vielmehr um eine künst-
liche Perücke handelt. Ein sichelförmig gezeichneter Mittelwulst ist oben und unten von einer feinen
Verflechtung eingefaßt. Uber diesem Saum erheben sich zwei hohe Diademe aus überkreuztem
Flechtengeflecht. Am Hinterkopf ist das echte Haar zu leicht gedrehten Strähnen unterteilt, sie
verschwinden unter einem großen Nest aus einer vierfach herumgelegten Flechte, ein paar feine
Löckchen ringeln sich frei im Nacken. Eine Korkenzieherlocke hängt vor dem Ohr herab. In einer
feinen und sorgfältigen, mehr zeichnerischen und oberflächigen als plastischen Behandlung sind das
Ganze und die Einzelheiten durchgeführt. — Das Matidia-Bildnis des Louvre ist von besonderem
Wert, weil es als gesamte Büste einschließlich des Büstenfußes vollständig erhalten blieb. Sie wird
damit zum Belegstück für die Form hadrianischer Büsten. Sie ist weit weniger voll als die antoninische
Büste, die durch Bildnisse der jüngeren Faustina bekannt ist (Wegner, Antonine Taf. 34 und 36).
Der Umriß ist knapper, aber körperhafter. Der untere Büstenabschnitt folgt den Schultergelenken
und den Brüsten, die vom Faltenwurf des Gewandes wenig verdeckt sich herausrunden. Durch den
hohen Büstenfuß mit kräftiger Hohlkehle und mit Indextäfelchen unterscheidet sich diese Büste
von trajanischen. Sie ist das weibliche Gegenstück zu den Panzerbüsten des Hadrian vom Typus
Stazione Termini und Imperatori 32.
Eine zweite Büste der Matidia ist in dem Bildnis aus Baiae im Neapeler Nationalmuseum, Inv. 6032,
vorzüglich erhalten geblieben (Taf. 40). Büstenfuß und Indextäfelchen sind nahezu übereinstimmend
mit der Büste im Louvre. Der Brustabschnitt ist ebenso kurz, nur breiter in den Schultern. Die Falten-
züge der Gewandung sorgen für seitliche Rahmung des Kopfes und architektonische Struktur des
Ganzen. Hier ist nämlich ein Schleier über das Hinterhaupt gezogen, der seitlich über den Schultern
herabfällt. Nach früheren Beobachtungen bezeugt der Schleier wahrscheinlich eine postume Bildnis-
ehrung. Das scheint sich hier zu bestätigen, denn die Büste aus Baiae muß später entstanden sein
als diejenige im Louvre; das zeigt die vollere, stärker gesammelte, wenn auch etwas glatte und
klassizistische Plastik der Formgebung, vor allem aber der Augenbohrung. Nach Ausweis der Bild-
nisse Hadrians kommt diese Augenbohrung erst um das Jahr 128 in Gebrauch; damals war
Matidia seit mehreren Jahren nicht mehr am Leben. Wenn Matidia in der Büste aus Baiae jugend-
licher wirkt als in der Louvrebüste, so ist dies als ein Zug ihrer Verklärung und Heroisierung zu
verstehen.
Der Kopf auf moderner Büste in London, British Museum 1898, der Kopf auf Gipsbüste in Mantua,
der Kopf auf einer Gewandstatue in Marbury Hall und wahrscheinlich auch ein Kopf auf männ-
licher Büste im Vatikan, Braccio Nuovo 52, wiederholen diesen Typus. Sie sind sämtlich schlechter
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Matidia
 
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