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Wegner, Max
Hadrian, Plotina, Marciana, Matidia, Sabina — Das römische Herrscherbild, Abteilung 2 ; 3: Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42301#0087
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Entdeckung des fragmentierten Marciana-Kopfes im Magazin des Vatikan sind die Unterschiede des
Kopfes Imperatori 29 von diesem Marciana-Bildnis deutlicher geworden. Ihm fehlt die breite wulstige
Schwellung zwischen Brauenbogen und äußerem Augenwinkel; die Lidspalte ist daher weniger
zusammengedrückt, sondern größer und offener. Der Mund ist voller, die Lippen sind einfacher
und schöner geschwungen als bei den Marciana-Bildnissen; es fehlt deren scharfe Furche zwischen
Wangen und Mund. In all diesen Kennzeichen ähnelt der Kopf Imperatori 29 dem Matidia-Kopf
des Konservatorenpalastes. Dadurch wird die Umbenennung entschieden empfohlen. Die unge-
wöhnliche Haartracht bedarf noch der Erklärung. Charakteristisch sind an ihr die Lockenspiralen,
die sich weder bei Marciana noch bei Matidia finden und nochmals überhaupt nicht Vorkommen.
Ihre Anordnung in zwei Reihen übereinander erinnert an die Anordnung der schuppenförmigen
Haargebilde bei Marciana. Merkwürdig ist es, daß sich anstatt des großen Flechtennestes der
Bildnisse der Marciana und der Matidia die Zopfschleife im Nacken befindet, die Plotina trägt.
Setzt man eine gewisse Folgerichtigkeit in der Fortbildung der Haartrachten voraus, so muß die
Haartracht des Kopfes Imperatori 29 altertümlicher sein als die Haartracht der Marciana sowie
der Matidia. Nun gewinnt die auffallende Jugendlichkeit der Gesichtszüge des Kopfes Impera-
tori 29 Bedeutung. Ein Bildnis der Marciana in so jungen Jahren müßte eine flavische Haartracht
zeigen, Matidia dagegen dürfte im Mädchenalter, da sie eine Altersgenossin der Plotina ist, eine
Frisur getragen haben, die der Frisur der Plotina ähnlich sah. So sprechen physiognomische Merk-
male und Haartracht dafür, in diesem Kopf ein Bildnis der Matidia zu erkennen. Es muß dem
Bildnis der Münzprägungen, die mit Sicherheit erst unter Hadrian nachweisbar sind, vorausgehen;
es muß spättrajanisch sein und könnte als Einzelbildnis einer Angehörigen der kaiserlichen Familie
gelten, die damals noch nicht besonders namhaft war. Später, als der Matidia Bildnisehrungen zuteil
wurden, wurde es vielleicht wiederholt. Der Kopf in Newby Hall hat ebensowenig Augenbohrung
wie der Kopf Imperatori 29, deshalb wird man ihn nicht so spät datieren wie die Matidia-Büste aus
Baiae; nach den Ergänzungsangaben bei F. Poulsen sind »der ganze Nadten mit dem herabhängen-
den Schleier ergänzt«, vielleicht darf er gar nicht mit Schleier über dem Haupt ergänzt werden.
Es gab also — um zusammenzufassen - ein verhältnismäßig jugendliches Bildnis der Nichte Trajans,
die ihm so nahestand, daß sie mit dem Herrscher in den Osten zog. Als sie unter Hadrian zur
Matidia Augusta erhoben wurde, wurde wahrscheinlich zuerst der Typus des Palazzo dei Conser-
vatori mit der Frisur aus schuppenförmigen Haarbögen, ähnlich dem Typus der Münzprägungen,
geschaffen, etwas später der abweichende Typus der Büste im Louvre, der in der Büste aus Baiae
postum wiederkehrt. Der Zeitraum, in dem diese Bildnisse geschaffen wurden, reicht kaum über ein
Jahrzehnt, von etwa 110 bis 125.

Matidia
 
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