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MÜNZUMLAUF UND MÜNZPRÄGUNG
DES 6. UND 7. JAHRHUNDERTS
IN SÜD- UND WESTDEUTSCHLAND.
Seit um Christi Geburt römische Münzen in größerer Menge ins freie Germanien gelangten,
hat bis in die Zeit Justinians der Zufluß gemünzten Geldes nicht aufgehört; er ist ein ge-
treues Abbild der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Germanen
und dem römischen Reiche. St. Bolin, dem die umfassendste Darstellung der Münz-
verhältnisse Germaniens in den ersten fünf nachchristlichen Jahrhunderten verdankt
wird1), ist hinsichtlich der Bedeutung, die die römische Münze im Wirtschaftsleben der
kaiserzeitlichen Germanen einnahm, zu dem wichtigen Ergebnis gelangt, daß sie Wertmesser
und Tauschmittel im Sinne eines echten Zahlungsmittels war und als kursierendes Geld
gedient habe 2). Dabei folgte naturgemäß die Zusammensetzung des Münz Vorrats in Ger-
manien der Entwicklung des römischen Münzwesens. Waren es vom 1. bis 3. Jahr-
hundert in der Hauptsache Silber- und Kupfermünzen, die in großer Menge nach Ger-
manien einströmten, so trat mit dem beginnenden 4. Jahrhundert als Eolge der kon-
stantinischen Münzreform und der ihr vor angegangenen Münz Verschlechterung des 3. Jahr-
hunderts eine Änderung ein: der Goldsolidus, die neugeschaffene Wertmünze, verdrängte
nach und nach bei den Germanen die alten noch umlaufenden Münzsorten, während neben
ihm Gepräge anderen Metalls nur in sehr geringem Maße eingeführt wurden3). Der Gold-
abfluß aus dem römischen Reiche verstärkte sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts derart,
daß sich, um ihn einzudämmen, die Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius I. in
den Jahren 379 bis 383 gezwungen sahen, durch Erlaß Goldzahlungen im Handel mit
Barbaren bei Todesstrafe zu verbieten. Wie notwendig sich diese Maßnahme auch in der
folgenden Zeit erwies, wird aus der Aufnahme des Dekretes in den Codex Justinianus
(IV 63, 2) ersichtlich4). Es hat freilich den Anschein, als ob die sich ständig mehrenden
Tributzahlungen der Kaiser an die germanischen Stämme und an die Hunnen, die im
5. Jahrhundert ungeheure Summen erreichten, den Goldabfluß nur noch förderten. Die
Münzschätze und Streumünzen dieser Zeit sind von all dem nur ein schwacher Nieder-
schlag. Aus den vorhandenen Goldmünzen sicheren Fundorts, welche die Zeichen der
seit dem 3. Jahrhundert eingerichteten und organisierten Münzstätten tragen, ergibt sich
nun. mit einiger Sicherheit eine Scheidung der aus dem westlichen und östlichen Reichsteil
stammenden Münzströme innerhalb Germaniens, wobei es natürlich ist, daß im Gebiet
westlich der Elbe, dessen Münzumlauf in späterer Zeit hier behandelt werden soll, west-
römische, d. h. aus gallischen, pannonischen oder italischen Münzstätten stammende Prä-
St. Bolin, Fynden av romerska mynt in det fria Germanien (1926). Ders., in 19. RGK Ber. 1929, 86 — 145.
2) 19. RGK Ber. 1929, 143 f.
3) Kupfermünzen konstantinischer und nachkonstantinischer Zeit finden sich in größerer Anzahl nur zwischen
Elbe und Rhein, vgl. den Katalog bei Bolin, Fynden (13) —(58).
4) Vgl. A. Luschin von Ebengreuth, Der Denar der Lex Salica, Sitzungsber. d. Wiener Akademie der Wis-
sensch. phil.-hist. Kl. 163, 4, 1910, 9.

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