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EXKURSE.
I. ZUR HERKUNFT DER MITTELEUROPÄISCHEN SPANGENHELME.
Die Frage nach Zeitstellung und Fabrikationsort der mitteleuropäischen Spangenhelme
bedarf einer neuerlichen Untersuchung1). Der Versuch M. Eberts, die Herstellung sämt-
licher Spangenhelme durch bosporanische Werkstätten in Südrußland glaubhaft zu
machen (PZ 1, 1909, 67 ff.), scheint gerade in Hinblick auf einen kürzlich veröffentlichten,
auch für die Chronologie wichtigen südrussischen Neufund mißglückt. In einem Kertscher
Katakombengrab fanden sich zwei Spangenhelme mit Nasenschutz zusammen mit Resten
eines Panzers, einer gepreßten Goldblechriemenzunge mit Flechtband und einem durch-
bohrten Solidus des Leo (457—474) 2). Das Grab gehört wegen der durchbohrten Münze
erst in das 6. Jahrhundert und nicht, wie Arendt annimmt, bereits in die zweite Hälfte
des 5. Jahrhunderts. Die beiden Kertscher Helme unterscheiden sich von ihren west-
lichen Verwandten recht erheblich. Der eine ist ein Spangenfederhelm (Arendt a. a. 0. 50
Abb. 1), der andere ein Spangenhelm mit sechs Spangen (Arendt a. a. 0. 51 Abb. 2).
Bei beiden sind die Spangen mit den Teilen der Helmkalotte durch Draht verflochten,
eine Technik, die bei den Helmen vom Typ Gültlingen-Baldenheim nicht zu finden ist.
Nur der bisher in der Literatur wenig beachtete Helm von Mezöband (nördliches Sieben-
bürgen) 3) gehört auf Grund dieser Technik mit den südrussischen Exemplaren eng zu-
sammen. Auch bei ihm sind die (zehn) Spangen mit den Zwischenteilen nicht fest, sondern
durch Verflechtung, und zwar durch dünne Lederriemen, verbunden. Der Helm stammt
aus Grab 10 eines germanischen, wohl gepidischen Gräberfeldes, das in der Hauptsache
der Awarenzeit angehört (nach 568); Grab 10, das sehr bemerkenswerte Goldschmiede-
werkzeuge enthält, ist in die zweite Hälfte des 6. oder in das 7. Jahrhundert zu setzen.
Es ist nicht unmöglich, daß der Helm von Mezöband eine Arbeit desselben Goldschmiedes
ist, dem er ins Grab mitgegeben wurde. Für südrussische Werkstätten, die „Spangen-
helme“ der mitteleuropäischen Form herstellten, liefern die östlichen Helme keinerlei An-
haltspunkte.
Bemerkenswert sind Beziehungen der Kertscher Helme zu langobardischen Lederhelmen.
Der Spangenfederhelm Arendt a. a. 0. 50 Abb. 1, der übrigens nahe Analogien in Ost-
turkestan besitzt 4), trägt einen trichterförmigen Aufsatz, wie er an dem Lederhelm von
Castel Trosino Gr. 119 (C. T. 284 Abb. 161) vorkommt; auch der Nasenschutz findet sich
im langobardischen Italien wieder, Castel Trosino Gr. 119 (C. T. 285 f. Abb. 162), Nocera
Umbra Gr. 6 (N. U. 177 f. Abb. 24).

1} Vgl. jetzt A. Alföldi in Acta Archaeologica 5, 1934, 11945., im allgemeinen sonst die Arbeiten von R. Henning,
Der Helm von Baldenheim (1907) und J. W. Gröbbels, Der Reihengräberfund von Gammertingen (1905).
2) Zeitschr. f. hist. Waffen- u. Kostümkunde NF 4, 1932, 49ff. (W. Arendt).
3) Dolgozatok 4, 1913, 285 Abb. 14 (I. Kovacs).
4) Vgl. ein Wandgemälde von Quyzil bei A. von Le Coq, Bilderatlas zur Kunst- und Kulturgeschichte Mittelasiens
(1925) 54 Ab. 50.

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