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Exkurse.

Für die Herkunft der Spangenhelme der Form Gültlingen-Baldenheim ist entscheidend,
daß sie mit der östlichen Abart Kertsch-Mezöband nur ganz allgemein in Form und Kon-
struktion übereinstimmen, in der Art der Herstellung und in der Verzierung aber stark
abweichen. Beide Typen können nicht aus dem gleichen Werkstättenkreis stammen.
Auch die hohe Zahl der in Mitteleuropa gefundenen Spangenhelme spricht gegen süd-
russischen Import, zumal südrussische Beziehungen des mitteleuropäischen Gebietes im
6. und 7. Jahrhundert sonst nicht nachweisbar sind und Spangenhelme der westlichen
Form in den zahlreichen awarischen Gräberfeldern Ungarns fehlen. Zu den bekannten
Stücken von Baldenheim, Gültlingen, Gammertingen, Vezeronce, Chälons-sur-Saöne, Giu-
lianova, Vid, Bremen, und dem Exemplar in Leningrad1) treten hinzu: Torricella Peligna,
Prov. Chieti 2), Stössen, Kr. Weißenfels, Prov. Sachsen3), eine Wangenklappe aus Gr. 15
des germanischen Gräberfeldes von Szentes-Berekhat, Ungarn (Hampel 3 Taf. 453, 15)
und die Reste eines Helms von Tuna, Ksp. Väte, auf Gotland 4).
Der Helm von Gammertingen, von den westlichen allein in datierbarem Grabzusammen-
hang gefunden, gehört nach Ausweis der Beifunde in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts
(Gruppe IV, vgl. S. 56) und ist wegen seiner Beziehungen zum Helm von Giulianova am
ehesten durch langobardische Vermittlung nach Süddeutschland gekommen. In Italien spitzt
sich die Frage darauf zu, ob dort Spangenhelme der Gültlinger Form bereits in der Gotenzeit
oder erst unter den Langobarden, wo sie sicher bezeugt sind 5), in Gebrauch waren. Es ist
durchaus damit zu rechnen, daß Spangenhelme auch den Goten bekannt waren, obwohl
bisher noch kein eindeutig datierter Fund vorliegt. Einen Hinweis geben 40-Nummi-Stücke
Theodahads und 10-Nummi-Stücke Totilas, auf denen der König im Profil bzw. von vorn
mit einem Helm dargestellt ist, der aus zwei auf einem Reif aufsitzenden Spangen
gebildet wird 6). Die Deutung, daß es sich hierbei um einen Spangenhelm des Gültlinger
Typs handelt, liegt nahe. Auch die Fundumstände des Helmes von Torricella Peligna,
der in der Verzierung der Spangen von allen Helmen dem Gültlinger am nächsten steht,
könnten gotische Herkunft vermuten lassen7).
Sicher ist die Herkunft des Spangenhelms an sich eine östliche, wie gerade die zentral-
asiatischen Vergleichsstücke zu den Kertscher Helmen zeigen. Wann und unter welchen
Umständen die Form in den Westen eindrang, ist aber noch nicht völlig geklärt, wenn auch
die neue Untersuchung A. Alföldis eine Übernahme von den Persern in spätrömischer
Zeit sehr wahrscheinlich gemacht hat8). Ob weitere Wechselwirkungen zwischen Persien
und Byzanz oder eine eigene byzantinische Entwicklung zur Helmform des 6. und 7. Jahr-
hunderts führten, bleibt allerdings dahingestellt. Es wäre zu erwägen, ob nicht die Byzan-
tiner die Helmform weiterbildeten und sie dann in der abgewandelten „westlichen“ Form
in eigenen Werkstätten herstellten. Durch diese Annahme ließen sich sowohl das Vorkommen
eines Spangenhelms im byzantinischen Ägypten (PZ 1, 1909, 163 ff.) und die relative
Häufigkeit der Form in Italien und Süddeutschland wie die nahen Beziehungen in der
*) Dieses wohl süddeutschen Fundorts, Fundber. aus Schwaben 11, 1903, 47.
2) Not. Scav. 1928, 471-478 mit Taf. 11. Der Helm wurde in einem nachrömischen Gebäude mit Fußboden in opus
spicatum gefunden.
3) G. Kossinna, German. Kultur im 1. Jahrtausend n. Ohr., Mannusbibliothek 50, 1932, 281 Abb. 308; Volk und
Rasse 8, 1933, 79 Abb. 2.
4) Finska Fomminnesföreningens Tidskrift 40, 1934, 118ff. (B. Nerman).
5) Vgl. bes. O. Wulff im Jhb. d. preuß. Kunstsammlungen 24, 1903, 223 ff.
6) Wroth, BMC Vand. Taf. 9, 13-18; 11, 23-29. Vgl. dazu A. Alf öldi in Journ. of Rom. Stud. 22, 1932, 16, der
zu der Darstellung Solidi Konstantins d. Gr. als Vorlagen nachweist.
’) Der kürzlich veröffentlichte Helm von Tuna auf Gotland (Anm. 4) hängt mit den Helmen von Torricella Peligna
und Gültlingen ebenfalls werkstattmäßig zusammen; es ist gut möglich, daß er im Zuge der oben S. 14 Anm. 1 be-
rührten Verbindungen zwischen den Ostgoten Italiens und der Insel Gotland über Süddeutschland oder das gepidische
Ostungam nach Skandinavien gelangte.
8) Acta Archaeologica 5, 1934, 12lf.

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