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Vorwort.

Hochberühmt im Altertum als die Stätte des Endymionkultes, lockte uns das Latmosgebirge schon
zu der Zeit, als wir Priene ausgruben. Landschaftlich die ganze untere Mäanderebene beherrschend,
fesselte der Berg auch die Erforscher des Mündungsgebietes in ganz besonderem Maß. Dokumente über
große christliche Anlagen waren uns durch die unschätzbaren Schriften der Bibliothek zu Patmos bekannt
geworden, auch mündliche Nachrichten aus der Bevölkerung waren uns öfters zugegangen; 1903 fand
ich daraufhin bei einer Segelfahrt im Binnensee von Heraklea das befestigte Kloster der Mutter Gottes
auf der Inselgruppe Ikis-Ada (S. 30). Aber erst im Jahre 1905 erlaubten die milesischen Arbeiten eine
eingehende Untersuchung.

Am 8. September verließ ich mit Hubert Knackfuß Milet. Von Heraklea aus zogen wir
unter Führung jurukischer Hirten bergauf. Die Zerklüftung schloß die Benutzung der Pferde aus. Zuerst
fanden wir die Freskenhöhle mit dem Christusleberi (S. 89), am gleichen Tage auch die besonders wichtige
des Pantokrator (S. 89). Der 9. September fand uns schon vor Sonnenaufgang auf dem Marsch in den
südlichen Teil der Latmosabhänge. Von weitem sah man Mauern und Zinnen, es hieß, dort liege das
alte Schloß der sieben Brüder (Jediler-Kaleh). Zu unserm Erstaunen stellte sich hier, zwischen Granit-
felsen und Pinien, wiederum eine große befestigte Klosterburg heraus, geteilt in Oberburg und Unterburg,
beide mit Wehrgängen wohlversehen. Nachmittags fanden wir eine kleine, den Weg nach Mylasa
flankierende Festung, und als wir abends zum Südufer des überaus malerischen Sees herabstiegen, stießen
wir auf die bedeutende Sperrfestung Kadi-Kalessi (S. 80). Am dritten Tage bemerkten wir dicht bei
Heraklea eine erst vor kurzem zusammengestürzte Kapelle. Die zertrümmerten Fresken schimmerten
in Hunderten von Stücken aus dem Sturzfeld. Hier waren wir also zu spät gekommen, und wie vieles
mochte in dieser traurigen Weise fortgesetzt dem Ruin entgegeneilen! Schutzlos nicht nur vor der
Witterung, sondern auch vor den Händen unverständiger oder fanatischer Menschen lagen diese Schätze
vor uns. Manche Teile der bisher gefundenen Bilder waren absichtlich zerstoßen, das große Pantokrator-
bild hatte man übertüncht.

Noch einmal gings von Heraklea steil bergauf. Riesenhaft starrten die getürmten wasserlosen
Felsmassen in der Mittagsglut. In einer 20 m tiefen Höhle fanden wir im Granitsande einige Tropfen
Trinkwasser. Die zahlreichen Fährten von Bären ringsum bewiesen, daß dies auf weite Strecken hin
die einzige Wasserstelle war. Dann ging es wieder hinaus in die von schwarzen Felsen ausstrahlende
Hitze. Bald kamen wir an ein abenteuerlich geformtes, 8—10 m frei überhängendes Felsgebilde mit
einer Fülle von Gängen und Höhlungen; gleich am Eingang der Felswand stand ein großes, rot gemaltes
Kreuz der Johanniterform, daneben las man die Reste christlicher Sprüche und Eremitenbekenntnisse (S. 91).
 
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