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Die Pantokratorhöhle. \g\

sei es aus anderer äußerer, in der Regel jedoch nicht aus willkürlicher Veranlassung. Aus diesem Er-
haltungszustande und nicht minder aus der Beschaffenheit der Malfläche, die sich allen Unregelmäßig-
keiten des Gesteins anpaßt*), ergab sich die Forderung einer besonderen Art der Aufnahme der Malereien.
Ihre Nachbildung auf photographischem Wege hätte unvermeidliche Verzerrungen zur Folge gehabt, die
Wiedergabe aller kleinen und kleinsten Schäden aber hätte eine Zerrissenheit des farbigen Eindrucks
bewirkt, die der Bildwirkung der Kopien den stärksten Abbruch tun mußte. Daher wurde ein Verfahren
eingeschlagen, das hier nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten erschien, — sollten diese Reste über-
haupt für die kunstgeschichtliche Forschung gerettet werden. Was die Tafeln bieten, ist nicht sowohl eine
genaue Darstellung des gegenwärtigen Zustandes als vielmehr in gewissem Sinne eine Rekonstruktion der
Bilder —-, aber eine Rekonstruktion, ausgeführt von Künstlerhand vor dem Urbild unter archäologischer
Aufsicht mit peinlicher Berücksichtigung jeder den ursprünglichen Tatbestand bezeugenden Spur2).
Die Zeichnung wurde durchgepaust und dadurch geebnet. In der farbigen Ausführung wurden alle erkenn-
baren Zusammenhänge wiederhergestellt. Nur größere Lücken sind als solche in die Kopien eingetragen.
Die Köpfe sind größtenteils vervollständigt worden, wobei teilweise die bessere Erhaltung derselben Typen
in anderen Bildern weitere Anhaltspunkte bot. An der ikonographischen Tradition der byzantinischen Kunst
gemessen, verdient daher das Ergebnis dieser Ergänzungen volles Vertrauen, wenn auch der Gesichts-
ausdruck sichtlich eine gewisse Abschwächung oder gelegentlich eine etwas freie Auslegung erfahren hat.
Solche Ungenauigkeiten können so wenig wie vereinzelte kleine sachliche Irrtümer, die sich aus dem Ver-
gleich mit den Photographien ergeben haben und im folgenden vermerkt werden, den Wert der Gesamt-
leistung beeinträchtigen. Um ihr das volle Vertrauen des Lesers zu sichern, ist eine kleine Auswahl der
wichtigsten und am wenigsten verzerrten photographischen Aufnahmen den Ausführungen beigegeben
worden. Die Veröffentlichung des gesamten Bildstoffes in doppelter Wiedergabe aber erschien zwecklos,
da der Gewinn daraus unerheblich bliebe. Wird doch nicht nur die koloristische Treue der farbigen Kopien
durch Augenzeugen verbürgt, — sie lassen vielmehr sogar die Unterschiede der Technik in Modellierung
und Farbenauftrag ganz so zuverlässig und dank den unzweifelhaft richtigen Ergänzungen sogar deut-
licher erkennen als die Photographien.

DIE PANTOKRATORHÖHLE (Tafel I).

(Vgl. S. 89 ff.)

Gilt es, die zeitliche Folge der Latmosfresken nach ikonographischen Kriterien und nach ihrem
Stilcharakter zu bestimmen, so rückt an erste Stelle eine unweit von Heraklea gelegene Grotte, die mit
ihrer Hauptdarstellung den oben stehenden Namen beanspruchen darf. Ihr malerischer Schmuck sondert
sich stilistisch am schärfsten von dem der übrigen Asketenhöhlen ab. Sie bietet die wichtigste gegenständ-
liche Ausbeute, — ja sogar eine ikonographische Überraschung.

Von den Wandmalereien der Pantokratorhöhle (s. S. 90 und Abb. 114) ist nur die Mittelfigur, welche
die thronende Gottesmutter mit dem Kinde darstellt (s. Abb. 122), noch ziemlich vollständig erhalten, während
von den meisten sie umgebenden Nebengestalten mehr als die Unterhälfte mit dem Kalkputz abgebröckelt
ist. In ungleich besserer Erhaltung aber steht uns noch über dieser an der Felswand .umlaufenden Reihen-

J) Über seine Zusammensetzung vgl. S. 89 die Angaben von Th. Wiegand.

2) Über das eingeschlagene Verfahren verdanke ich den Herren Professor K. Böse und E. Wolfsfeld nähere Angaben. Sie wurden
ergänzt durch Mitteilungen der Herren Th. Wiegand, A. v. Gerkan und M. Schede über den Erhaltungszustand der Fresken.
 
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