Die Paulushöhle des Stylosklosters. 200
Hintergrunde das Allerheiligste als von außen gesehenes Haus mit der Überschrift (bzw. der Bezeichnung
der dargestellten Szene): + TA "AHA TcoN 'An'wN, und darunter in zwei Reihen die Gespielinnen, welche
in typischer Siebenzahl der auf den Eingang des Altarraumes zuschreitenden Jungfrau und dem Elternpaare
folgen. Während sie und das letztere miteinander Bemerkungen austauschen, wodurch belebende Kontrast-
wendungen der Köpfe entstehen, und Joachim dabei nach dem Ziborienaltar weist, erhebt Maria beide
Hände unter dem Manteltuch zum Hohenpriester, der ihr mit vorgestreckten Armen entgegentritt. Er
ist durch Namensbeischrift als Zacharias bezeichnet. Ganz rechts erblicken wir noch einmal Maria, wie sie
auf den Stufen des Synthronos sitzend mit bedeckten Händen das Brot aus der Rechten eines herabfliegen-
den Engels empfängt. Beidemal ist ihr die Beischrift MP ©V zugefügt.
Ist die Einführungsszene als einzige des Marienlebens nach links herübergenommen, offenbar um
die große Ikone mit zwei solchen einzufassen, so hat dieser Umstand wohl auch die ungewöhnliche Anordnung
der Figuren in dem rechts stehenden Verkündigungsbilde hervorgerufen (Taf. III 4). Die (fehlende)
Gestalt Marias würde darin der zweiten Figur derselben im vorigen Bilde entsprochen haben, woraus wir
vielleicht schließen dürfen, daß sie sitzend dargestellt war. Doch hieße das wohl, dem Maler zu viel de-
korative Berechnung zutrauen. Jedenfalls bleibt das Sitzen als die seltenere Auffassung, besonders in der
Monumentalmalerei, zweifelhaft. Die linksläufige Bewegung des Engels findet sich vorzugsweise in älteren
Denkmälern1). Bedeutsamer als dieser vielleicht mehr zufällige Umstand erscheint aber das langsame
Heranschreiten des Himmelsboten mit dem charakteristischen Übertreten, wie es bei entgegengesetzter
Wendung z. B. noch das Mosaik der Kiewer Sophienkathedrale 2), aufweist. Seit der zweiten Hälfte des
XI. Jahrhunderts wird seine Bewegung immer stürmischer 3). Hier aber entspricht auch die Händehaltung
noch manchen früheren Gegenbeispielen, so daß im ganzen ältere Tradition vorzuliegen scheint. Unge-
wöhnlich ist die rote Farbe des Gewandes. Die Anbringung eines Mauerhintergrundes spricht dafür, daß
auch Marias Haus wiedergegeben war. Der Name Gabriels und die inschriftliche Bezeichnung der Szene
O X6P6THCMOS sind erhalten.
Die Komposition der Geburt Christi (Taf. III 3) bietet eine im XI. Jahrhundert mehrfach belegte
Auslese von Motiven aus einem älteren Mischtypus 4). Die Stellung Marias links von der Krippe ist die
gesetzte Anordnung; Ainalow und Rjedin, Die Kiewer Sophienkathedrale usw. (russisch), S. 77, Altas Taf. 28,7; vgl. auch Tikkanen,
Die Psalterillustr. im Mittelalter, I, S. 49. Manche weisen nicht mehr die volle Siebenzahl der Gespielinnen auf, wie schon das Mosaik
in Daphni, andere hingegen gelegentlich noch mehr Nebenfiguren; vgl. Millet, a. a. 0. pl. XIX; Wulff, Beschr. d. Bildw. usw., III, 2,
N. 1853, Taf. IV und Vöge, Die Elfenbeinbildw. N. 9 A, Taf. 4.
0 Vgl. die mit den Ciboriumssäulen von S. Marco beginnenden altchristlichen Beispiele bei Th. Schmitt, Ikonogr. der Ver-
kündigung. Bull, de l'Inst. archeol. Russe ä C-ple 1911, XV (russisch), S. 10 u. 19 (S. A.) und Leclercq bei Cabrol, Dict. d'archeol.
chr£t. etc. I, 2 (Annonciation) sowie auch zur mittelbyz. Kunst Pokrowskij, Das Evang. in d. Denkm. d. Ikonographie, St. Peters-
burg 1892, S. 8 ff. und 13, und zur typischen Anordnung S. 11 ff-; Rohault de Fleury, L'Evangile I, pl. IV, 1 und 2 sowie VII. 3
und La Stc Vierge, pl. IX; Kondakow, Miniat. einer griech. Psalterhdschr. (Chludow-Ps.) Moskau 1878, Taf. I, 3.
*) Ainalow und Rjedin, a.a.O. S. 56 u. Atlas, Taf. 7, 26/7; Schlumberger, a.a.O. II, p. 213/4 und Diehl, a.a.O. p. 487,
Fig- 235-
3) Stehend, aber mit flatterndem Gewände zeigen ihn schon die Mosaiken der Nea Moni auf Chios (eigne Aufnahme) und von
Daphni, lebhaft bewegt schon das der Martorana in Palermo; Millet, a.a.O. pl. XII und Kutschmann, a. a. 0. Taf. 5.
4) Die Hineinziehung der Hirten in die Geburtsszene ist schon altchristlichen Ursprungs, sowohl mit sitzender Maria wie mit
der gelagerten; Pokrowskij, a.a.O. S. 49 ff; Th. Schmitt, Kahrie-Djami, p. 179 ff. und 0. Siren, Nordisk Tidskrift för Vetenskap,
Konst e Industri. Stockholm 1907, S. 462 ff. Die letztere Auffassung, bei der die Krippe meist links von Maria erscheint, ist wohl
palästinensischen Ursprungs und belegt auf den Ampullen von Monza, auf dem Elfenbeindeckel des Etschmiadsin-Ev. und dem im früh-
christlichen Ikonenstil bemalten (irrtümlich dem X. Jahrhundert zugeschriebenen) Deckel eines Holzreliquiars der Sancta Sanctorum
sowie mit Hinzufügung der Badeszene auf dem frühen Emailkreuz desselben Schatzes und auf dem Relief von S. Giovanni Elemosinario
Latmos. 2 7
Hintergrunde das Allerheiligste als von außen gesehenes Haus mit der Überschrift (bzw. der Bezeichnung
der dargestellten Szene): + TA "AHA TcoN 'An'wN, und darunter in zwei Reihen die Gespielinnen, welche
in typischer Siebenzahl der auf den Eingang des Altarraumes zuschreitenden Jungfrau und dem Elternpaare
folgen. Während sie und das letztere miteinander Bemerkungen austauschen, wodurch belebende Kontrast-
wendungen der Köpfe entstehen, und Joachim dabei nach dem Ziborienaltar weist, erhebt Maria beide
Hände unter dem Manteltuch zum Hohenpriester, der ihr mit vorgestreckten Armen entgegentritt. Er
ist durch Namensbeischrift als Zacharias bezeichnet. Ganz rechts erblicken wir noch einmal Maria, wie sie
auf den Stufen des Synthronos sitzend mit bedeckten Händen das Brot aus der Rechten eines herabfliegen-
den Engels empfängt. Beidemal ist ihr die Beischrift MP ©V zugefügt.
Ist die Einführungsszene als einzige des Marienlebens nach links herübergenommen, offenbar um
die große Ikone mit zwei solchen einzufassen, so hat dieser Umstand wohl auch die ungewöhnliche Anordnung
der Figuren in dem rechts stehenden Verkündigungsbilde hervorgerufen (Taf. III 4). Die (fehlende)
Gestalt Marias würde darin der zweiten Figur derselben im vorigen Bilde entsprochen haben, woraus wir
vielleicht schließen dürfen, daß sie sitzend dargestellt war. Doch hieße das wohl, dem Maler zu viel de-
korative Berechnung zutrauen. Jedenfalls bleibt das Sitzen als die seltenere Auffassung, besonders in der
Monumentalmalerei, zweifelhaft. Die linksläufige Bewegung des Engels findet sich vorzugsweise in älteren
Denkmälern1). Bedeutsamer als dieser vielleicht mehr zufällige Umstand erscheint aber das langsame
Heranschreiten des Himmelsboten mit dem charakteristischen Übertreten, wie es bei entgegengesetzter
Wendung z. B. noch das Mosaik der Kiewer Sophienkathedrale 2), aufweist. Seit der zweiten Hälfte des
XI. Jahrhunderts wird seine Bewegung immer stürmischer 3). Hier aber entspricht auch die Händehaltung
noch manchen früheren Gegenbeispielen, so daß im ganzen ältere Tradition vorzuliegen scheint. Unge-
wöhnlich ist die rote Farbe des Gewandes. Die Anbringung eines Mauerhintergrundes spricht dafür, daß
auch Marias Haus wiedergegeben war. Der Name Gabriels und die inschriftliche Bezeichnung der Szene
O X6P6THCMOS sind erhalten.
Die Komposition der Geburt Christi (Taf. III 3) bietet eine im XI. Jahrhundert mehrfach belegte
Auslese von Motiven aus einem älteren Mischtypus 4). Die Stellung Marias links von der Krippe ist die
gesetzte Anordnung; Ainalow und Rjedin, Die Kiewer Sophienkathedrale usw. (russisch), S. 77, Altas Taf. 28,7; vgl. auch Tikkanen,
Die Psalterillustr. im Mittelalter, I, S. 49. Manche weisen nicht mehr die volle Siebenzahl der Gespielinnen auf, wie schon das Mosaik
in Daphni, andere hingegen gelegentlich noch mehr Nebenfiguren; vgl. Millet, a. a. 0. pl. XIX; Wulff, Beschr. d. Bildw. usw., III, 2,
N. 1853, Taf. IV und Vöge, Die Elfenbeinbildw. N. 9 A, Taf. 4.
0 Vgl. die mit den Ciboriumssäulen von S. Marco beginnenden altchristlichen Beispiele bei Th. Schmitt, Ikonogr. der Ver-
kündigung. Bull, de l'Inst. archeol. Russe ä C-ple 1911, XV (russisch), S. 10 u. 19 (S. A.) und Leclercq bei Cabrol, Dict. d'archeol.
chr£t. etc. I, 2 (Annonciation) sowie auch zur mittelbyz. Kunst Pokrowskij, Das Evang. in d. Denkm. d. Ikonographie, St. Peters-
burg 1892, S. 8 ff. und 13, und zur typischen Anordnung S. 11 ff-; Rohault de Fleury, L'Evangile I, pl. IV, 1 und 2 sowie VII. 3
und La Stc Vierge, pl. IX; Kondakow, Miniat. einer griech. Psalterhdschr. (Chludow-Ps.) Moskau 1878, Taf. I, 3.
*) Ainalow und Rjedin, a.a.O. S. 56 u. Atlas, Taf. 7, 26/7; Schlumberger, a.a.O. II, p. 213/4 und Diehl, a.a.O. p. 487,
Fig- 235-
3) Stehend, aber mit flatterndem Gewände zeigen ihn schon die Mosaiken der Nea Moni auf Chios (eigne Aufnahme) und von
Daphni, lebhaft bewegt schon das der Martorana in Palermo; Millet, a.a.O. pl. XII und Kutschmann, a. a. 0. Taf. 5.
4) Die Hineinziehung der Hirten in die Geburtsszene ist schon altchristlichen Ursprungs, sowohl mit sitzender Maria wie mit
der gelagerten; Pokrowskij, a.a.O. S. 49 ff; Th. Schmitt, Kahrie-Djami, p. 179 ff. und 0. Siren, Nordisk Tidskrift för Vetenskap,
Konst e Industri. Stockholm 1907, S. 462 ff. Die letztere Auffassung, bei der die Krippe meist links von Maria erscheint, ist wohl
palästinensischen Ursprungs und belegt auf den Ampullen von Monza, auf dem Elfenbeindeckel des Etschmiadsin-Ev. und dem im früh-
christlichen Ikonenstil bemalten (irrtümlich dem X. Jahrhundert zugeschriebenen) Deckel eines Holzreliquiars der Sancta Sanctorum
sowie mit Hinzufügung der Badeszene auf dem frühen Emailkreuz desselben Schatzes und auf dem Relief von S. Giovanni Elemosinario
Latmos. 2 7