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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0082

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62 Zweites Kapitel.

sondern solche, die öfters, bei der einen oder der andern Künstlerfamilie sogar ständig
wiederkehren. Solche Erscheinungen sind z. B., wenn Schafe mit Ziegenhörnern,
oder wenn Tauben in Farben gemalt wurden, die von der Wirklichkeit möglichst weit
entfernt sind; in diesen Fällen sollen die Thiere nur als Symbol, nicht in ihrer zoolo-
gischen Bedeutung auftreten: deshalb kam es den Malern auch nicht so sehr auf eine
getreue Nachahmung der Natur an. Aus dem gleichen Grunde erklärt sich das so
häufig verletzte Grössenverhältniss einiger Komponenten. Derartige Verstösse bieten
z. B. die Zwergbäume auf den Darstellungen des Bonus Pastor, die «Arche», die so
klein ist, das Noe allein kaum Platz in ihr hat, ferner die Riesenmatrosen auf dem win-
zigen Segelschiff des Jonas, und die zwei kleinen Oranten neben der Kolossalfigur des
Guten Hirten auf einem Fresko in Santa Domitilla (Taf. 190). Im letzteren Falle
kann jedoch das Missverhältniss auch durch jene Vorstellung, welche mit dem Guten
Hirten den Begriff übermenschlischer Körpergrösse verbindet, hervorgerufen sein.

Bei den Ausführungen über die Entstehung der Gemälde specifisch christlichen
Inhaltes haben wir bemerkt, dass von den im 1. und 2. Jahrhundert entstandenen Kom-
positionen viele gleich in ihrem ersten Entwurf so gut gelungen waren, dass die Künstler
sie in der Folge unverändert wiederholten. So geschah es, um nur die häufiger vor-
kommenden Beispiele zu nennen, mit den Bildern des Guten Hirten, der Arche Noes,
des Daniel, des Quellwunders, der drei Jünglinge und des Gichtbrüchigen. Bei denen
des Jonas und des Lazarus nahm man dagegen die erwähnten Veränderungen vor, bis
gegen Ende des 2. Jahrhunderts eine Darstellungsform geschaffen wurde, welche einer
grösseren Vereinfachung nicht mehr fähi"~ war.

Die gleichen Wahrnehmungen lassen sich an den Kompositionen aus dem 3. Jahr-
hundert machen; auch von diesen hatten einige mehr oder minder erhebliche Ver«

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in-

derungen durchzumachen, während andere stereotyp blieben. Hieraus folgt, dass die
Musterblätter nicht auf einmal für alle religiösen Darstellungen aufkamen, sondern
sich allmälig gebildet haben; dass sie nötigenfalls Verbesserungen erfuhren und mit
der Zeit beständig vermehrt wurden. Wenn wir also weiter oben auf die frühe Exis-
tenz von Musterblättern hingewiesen haben, so ist das mit diesen Einschränkungen
und in dem hier angedeuteten Sinne zu verstehen.

Um in das Verständniss der Katakombenmalereien tiefer einzudringen und na-
mentlich eine gesicherte Basis für die Interpretation ihrer Darstellungsgegenstände zu
schaffen, müssen wir den bisherigen Erörteruntren die nothwendis/en Detailfor-
schungen folgen lassen. Wir beginnen mit der Hauptsache, mit der Gewandung,
und besprechen nach dieser die Bart- und Haartracht, dann die Portraitfrage
und schliesslich die Gesten der auf den Malereien auftretenden Gestalten. Jeder
von diesen Studien haben wir, der besseren Übersicht halber, ein besonderes Kapitel
zu ü'e wiesen.
 
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