66 Drittes Kapitel.
Das Gürten der Tunika (cingere, tunica cincta), das man aus Bequemlichkeit zu
Hause,1 zumal beim Essen, unterlassen konnte und auch unterliess,2 war durch den
Anstand geboten, sobald man sich öffentlich zeigte. Darüber gibt Quintilian genaue
Vorschriften. Es musste über den Hüften und so geschehen, dass die Tuniken mit
den Enden der Vorderseite ein wenig unter das Knie, mit den Enden der Rückseite
bis an die Kniekehlen reichten. Tiefer gürteten nämlich die Frauen, höher die
Soldaten. Hierbei musste besonders darauf geachtet werden, dass die beiden Zier-
streifen aus Purpur, der clavus,3 gerade niedersteigen, wollte man nicht für nachlässig
gehalten werden. Ausgenommen vom Gürten war derjenige, dem das Recht des latus
clavus zustand; dieser sollte dafür eine längere Tunika tragen.4 Man setzte sich
jedoch schon frühe über diese Anstandsregein hinweg. So wissen wir z. B., dass
Mäcenas umgegürtet, discinctus, einherging;5 ungegürtet waren auch jene von Gellius
erwähnten Senatoren, welche sich deshalb den Tadel des gestrengen Rhetors T. Ca-
stricius, ihres Lehrers, zugezogen haben;6 ungegürtet standen die Verkäufer, tabernarii
(xdmjXot äveCoKjjiivoi), am Ladentisch und gingen die Hausirer, institores, von Haus zu
Haus.7 Ein Relief des Vatikanischen Museums vergegenwärtigt uns einen mit der
discincta bekleideten Messerschmied, Namens L. Cornelius Atimetus, in seinem Laden,
in welchen ein togatus eingetreten ist. Der tabernarius hält in der Rechten ein Messer,
das er seinem Kunden anbietet; auch dieser hat ein Messer in die Hand genommen
und scheint nach dem Preise desselben zu fragen.8
Tertullian macht sich als Afrikaner über das Gürten lustig; man sollte, meint er,
die Tuniken gleich kürzer zuschneiden, dann wäre das Gürten nicht nothwendig.9
Tuniken von der ursprünglichen Form, d. h. ohne Ärmel oder höchstens mit
Halbärmeln, weisen fast nur die Fresken aus den zwei ersten Jahrhunderten auf. Wir
erwähnen, für die gegürtete, den Bonus Pastor aus dem Ende des i. Jahrhunderts an
der Decke der ältesten Kammer in Santa Domitilla, Noe in der cappella greca, Christus
bei der Samariterin in Pretestato, den Gichtbrüchigen und den Orans in den Sakra-
mentskapellen A 2 und A3;'° für dieungegürtete, Abraham mit Isaak und die beiden
Fossoren in A3. "
Nur in einer tunica interior mit Halbärmeln erscheint Job auf einer Malerei aus
1 Horat, Sat., 2, i, 73. ' Prop., 4, 2, 37: Mundus demissis institor in tu-
* Vgl. Taff. 57; 132, 1; 133 u. 157. nicis; Ovid., Art/s am., 1, 421 : Institor ad dominam
' Vgl. unten den III. Abschnitt. veniet discinctus emacem, Expediet merces teque se-
4 Quint., Instit., 11,3, 138 : Cui lati clavi ius non dente suas.
erit, ita cingatur, ut tunicae prioribus oris infra genua ' Das Relief schmückt die rechte Seite eines auf
paulum, posterioribus ad medios poplites usque per- der Via Nomentana bei Sant'Agnese gefundenen
veniant. Nam infra mulierum est, supra centurionum. Cippus (beschrieben von Jahn, Darstellungen an-
Ut purpura recte descendat, levis cura est; notatur tjker Reliefs, welche sich auf das Handwerk beziehen,
Interim negligentia. Latum habentium clavum modus ;n Berichte der Königl. Sachs. Gesellschaft der Wis-
est, ut sit paulum cinctis summissior. sensch., 1861, Taf. IX, 9 u. 9", S. 328 ff.
' Senec, Ep., 114 ed. Hense 534. » Tertull., De fallio, 5.
'Gellius, N. A., 13, 22 (al. 21). Wir drucken '"Taff. n, 2; 16; 19; 27, 3, u. 39, 2.
die Stelle weiter unten ab. " Xaf. 41, 2, u. meine Gauandung, Fig. 2.
Das Gürten der Tunika (cingere, tunica cincta), das man aus Bequemlichkeit zu
Hause,1 zumal beim Essen, unterlassen konnte und auch unterliess,2 war durch den
Anstand geboten, sobald man sich öffentlich zeigte. Darüber gibt Quintilian genaue
Vorschriften. Es musste über den Hüften und so geschehen, dass die Tuniken mit
den Enden der Vorderseite ein wenig unter das Knie, mit den Enden der Rückseite
bis an die Kniekehlen reichten. Tiefer gürteten nämlich die Frauen, höher die
Soldaten. Hierbei musste besonders darauf geachtet werden, dass die beiden Zier-
streifen aus Purpur, der clavus,3 gerade niedersteigen, wollte man nicht für nachlässig
gehalten werden. Ausgenommen vom Gürten war derjenige, dem das Recht des latus
clavus zustand; dieser sollte dafür eine längere Tunika tragen.4 Man setzte sich
jedoch schon frühe über diese Anstandsregein hinweg. So wissen wir z. B., dass
Mäcenas umgegürtet, discinctus, einherging;5 ungegürtet waren auch jene von Gellius
erwähnten Senatoren, welche sich deshalb den Tadel des gestrengen Rhetors T. Ca-
stricius, ihres Lehrers, zugezogen haben;6 ungegürtet standen die Verkäufer, tabernarii
(xdmjXot äveCoKjjiivoi), am Ladentisch und gingen die Hausirer, institores, von Haus zu
Haus.7 Ein Relief des Vatikanischen Museums vergegenwärtigt uns einen mit der
discincta bekleideten Messerschmied, Namens L. Cornelius Atimetus, in seinem Laden,
in welchen ein togatus eingetreten ist. Der tabernarius hält in der Rechten ein Messer,
das er seinem Kunden anbietet; auch dieser hat ein Messer in die Hand genommen
und scheint nach dem Preise desselben zu fragen.8
Tertullian macht sich als Afrikaner über das Gürten lustig; man sollte, meint er,
die Tuniken gleich kürzer zuschneiden, dann wäre das Gürten nicht nothwendig.9
Tuniken von der ursprünglichen Form, d. h. ohne Ärmel oder höchstens mit
Halbärmeln, weisen fast nur die Fresken aus den zwei ersten Jahrhunderten auf. Wir
erwähnen, für die gegürtete, den Bonus Pastor aus dem Ende des i. Jahrhunderts an
der Decke der ältesten Kammer in Santa Domitilla, Noe in der cappella greca, Christus
bei der Samariterin in Pretestato, den Gichtbrüchigen und den Orans in den Sakra-
mentskapellen A 2 und A3;'° für dieungegürtete, Abraham mit Isaak und die beiden
Fossoren in A3. "
Nur in einer tunica interior mit Halbärmeln erscheint Job auf einer Malerei aus
1 Horat, Sat., 2, i, 73. ' Prop., 4, 2, 37: Mundus demissis institor in tu-
* Vgl. Taff. 57; 132, 1; 133 u. 157. nicis; Ovid., Art/s am., 1, 421 : Institor ad dominam
' Vgl. unten den III. Abschnitt. veniet discinctus emacem, Expediet merces teque se-
4 Quint., Instit., 11,3, 138 : Cui lati clavi ius non dente suas.
erit, ita cingatur, ut tunicae prioribus oris infra genua ' Das Relief schmückt die rechte Seite eines auf
paulum, posterioribus ad medios poplites usque per- der Via Nomentana bei Sant'Agnese gefundenen
veniant. Nam infra mulierum est, supra centurionum. Cippus (beschrieben von Jahn, Darstellungen an-
Ut purpura recte descendat, levis cura est; notatur tjker Reliefs, welche sich auf das Handwerk beziehen,
Interim negligentia. Latum habentium clavum modus ;n Berichte der Königl. Sachs. Gesellschaft der Wis-
est, ut sit paulum cinctis summissior. sensch., 1861, Taf. IX, 9 u. 9", S. 328 ff.
' Senec, Ep., 114 ed. Hense 534. » Tertull., De fallio, 5.
'Gellius, N. A., 13, 22 (al. 21). Wir drucken '"Taff. n, 2; 16; 19; 27, 3, u. 39, 2.
die Stelle weiter unten ab. " Xaf. 41, 2, u. meine Gauandung, Fig. 2.