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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0085

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Die Gewandung auf den Katakombenmalereien.

65

§ 36. Die Tunika.

Fig. 4.

Das römische Unterkleid, die Tunika (tunica, */i-«v), war ein hemdartiges, weites
Gewand aus Wolle, welches ursprünglich keine Ärmel hatte. Der Stoff dazu hatte
die oblonge Form (Fig. 4). « Auf der Hälfte (Cc) zusammengelegt, liefert er zwei

einerseits zusammenhängende Gewandtheile(ACac
und BC bc), zwischen welche der Körper gebracht
wird, so dass AC ac die hintere, BC bc die vordere
Seite desselben verdeckt. Dieser sozusagen dop-
pelte Vorhang wird durch Zusammennesteln der je
zwei sich am oberen Rande der beiden Gewand-
hälften entsprechenden Punkte * auf den beiden
Schultern befestigt. Durch Zusammennähen der
beiden Kanten Aa und Bb wird der Übergang zu einer unserer Hemdform entspre-
chenden Gestalt dieses einfachen Gewandes gemacht. Ausser der Befestigung durch
Spangen auf den Schultern tritt die Gürtung zum festeren Anschluss an den Körper
hinzu ».'

Die Tunika der Grabmalereien erscheint, mit Ausnahme der aus der klassischen
Kunst entlehnten Figuren,2 durchweg' als genäht. Damit soll indessen nicht gesagt
sein, dass die Christen die Tunika nicht auch mittels Knöpfen oder Spangen auf den
Schultern befestigt haben. Gegen eine solche Voraussetzung sprechen die weiter
unten zu behandelnden Darstellungen der tunica exomis; und wenn noch Sulpicius
Severus von dem hl. Martin von Tours berichtet, dass er sich in der Sakristei, ohne
dass es auffiel, unter dem Amphibalus3 die Tunika auszog, um sie einem Armen zu
schenken,4 so ist das nur unter der Annahme jener Befestigungsart zu erklären.

Die Tunika war das eigentliche Hauskleid des Römers; sie vertrat, nach modernen
Begriffen, Hemd und Rock zugleich. Doch trug man unter ihr, ausser dem Len-
dentuch oder den Kniehosen, gewöhnlich noch eine zweite Tunika, die tunica
interior (subucula, indusium, strictoria, interula, camisia), welche unserm Hemd ent-
spricht. Ja, Augustus kleidete sich, wie Sueton [Aug., 82) erzählt, im Winter in
eine dicke Toga, vier Tuniken, ein Hemd, ein Woll- Leibchen, ein Lendentuch und
Beinbinden. Das war des Guten offenbar zu viel und kam wohl nur bei schwächlichen
Leuten und Gesundheitsskrupulanten" vor; immerhin zeigt ein solcher Fall, dass das
Bedürfniss nach Kleidern auch bei den alten Römern ein stärkeres war, als die zahl-
reichen nackten Statuen, mit denen die Museen gefüllt sind, es vermuthen lassen.

Conze, Antike Gewandung, S. 65 f.
* Taff. 100 u. 128, 2.
' Vgl. § 41.

4 Dialog., 2, 1 Migne 20, 2ci: Sanctus paupere
non vidente intra amphibalumj sibi tunicam latenter
eduxit, pauperemque contectum discedere iubet.
 
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