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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0128

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i öS Fuenftes Kapitel.

Stirn gekämmt und fällt in langen Strängen auf den Rücken: das Einzige, was ihn
von einem römischen Magistratenkopf unterscheidet.' Als bartloser Mann ist er auch
auf dem Gemälde des cubiculum II in Santa Domitilla, aus der Mitte 4. Jahrhunderts,
geschildert,2 während er auf dem etwas jüngeren aus Sant'Ermete einen Anflug von
Vollbart hat.3 Der ernste Gesichtsausdruck des an vorletzter Stelle erwähnten Bildes
erinnert an die fast gleichzeitige Darstellung in San Ponziano, welche sehr verblichen
und wohl nur deshalb den Archäologen bis jetzt entgangen ist. Der Heiland überragt
hier um das Doppelte die Grösse der ihn umgebenden Apostel.4

Der modernen Auffassung' von dem Aussehen Ghristi nähert sich zuerst der
Künstler des aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts stammenden Freskos in Santa
Domitilla.5 Das Bild ist im Gentrum der Decke des cubiculum IV gemalt. Avanzini
sah es in einem besseren Zustande und fertigte von ihm eine ziemlich genaue Kopie an;
heute sind die Farben verblasst und fleckig, weshalb sich die Gesichtsbildung nur in
allgemeinen Zügen verfolgen lässt. Das Streben des Künstlers ging- offenbar dahin, ein
Portrait vorzuführen; er gab der Büste, nach Art der antiken Portraits, die Form einer
imago clipeata. Ob er bei seiner Arbeit selbständig vorging oder eine ältere Vorlage
benutzte, kann man unmöglich mit einiger Gewissheit bestimmen. Der Heiland hat
einen halbkurzen ungetheilten''Vollbart und die ihm eigenen langen Haare, welche
seine Identität sichern; der Mund ist geschlossen, die Nase gradlinig und die Stirn
unverhältnissmässig breit und niedrig. Die breite Kopfbildung' passt aber zu den
übertrieben robusten Schultern, die man bei einer Christusgestalt freilich etwas we-
niger kräftig erwarten würde. Trotzdem imponirt der Kopf durch den feierlichen
Ernst, der aus ihm spricht. Idealer ist das Bild Christi auf dem Fresko der Parabel
von den klugen und thörichten Jungfrauen, das einige Jahre später in der Katakombe
der hl. Cyriaka gemalt wurde.'7 Auch hier hat der Heiland einen halb kurzen und
ungetheilten Vollbart; das in der Mitte gescheitelte Haar fällt in reichen Locken auf
die Schultern herab. Leider ist das Bild heute zum Theil mit dem Stuck zerstört, so
dass ich auf eine Detail-Wiedergabe des Kopfes verzichten musste. Eine Entschädi-
gung für diesen Verlust bietet uns der ähnlich gebildete Kopf des Heilandes auf dem
Fresko der Katakombe der Generosa, welches aus dem 6. Jahrhundert stammt.8 Diese
Ähnlichkeit ist, nebenbei bemerkt, für die Beurtheilung der Werke aus der auf die
Periode der Bestattung folgenden Zeit zu beachten; denn sie zeigt, dass die späteren
Künstler an die Schöpfungen ihrer Vorgänger aus den ersten Jahrhunderten ange-
knüpft haben.

■ ' Taf. 76, 1. s Taf. 1S7, 3.

1 Taf. 196. 6 Auf der Kopie Bosio's ist der Bart zu kurz und

3 Taf. 247. in der Mitte getheilt, — der einzige grössere Irrthum,

4 Taf. 225, 2. Das Fresko befindet sich in dem den Avanzini hier begangen hat.

Räume, in welchen die zum Grabe der hll. Abdon '' Taf. 241; vgl. Wilpert, Gotfgi-wcihfr Jungfrauen,

und Sennen führende Treppe mündet und ist nur Taf. 11, 1.

wenige Schritte von der letzten Stufe entfernt. s Taff. 261, § 124.
 
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