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Wilpert, Joseph [Editor]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0156

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ACHTES KAPITEL.
Der künstlerische Werth der Katakombenmalereien.

Die Kunstkritiker urtheilen vielfach noch zu ungünstig über den künstlerischen
Werth der Katakombengemälde. Die Zeiten, wo man dieselben als «elende Schöp-
fungen, bei welchen die Armuth der Erfindung nur durch die Mangelhaftigkeit der
Ausführung erreicht wird » hinstellen konnte, sind allerdings vorüber; aber wennz. B.
Brunn es über sich bringen konnte, in seiner verdienstvollen Geschichte der griechi-
schen Künstler ihrer auch nicht mit einem einzigen Worte zu gedenken, während
er doch der heidnisch-römischen Kunst einige Seiten widmet, so liegt in diesem Still-
schweigen eine Geringschätzung, welche die altchristliche Malerei nicht verdient. Als
artistische Schöpfungen dürfen die Katakombengemälde schon deshalb eine ganz be-
sondere Beachtung für sich beanspruchen, weil sie ein wichtiges Bindeglied in der allge-
meinen Kunstgeschichte bilden, indem sie da, wo die Wandmalereien von Herkulanum
und Pompeji aufhören, einsetzen und in ununterbrochener Reihenfolge, durch vier Jahr-
hunderte hindurch und darüber hinaus den Fortgang oder vielmehr den Niedergang" der
römischen Malerei markiren. Ich sage Niedergang, denn die altchristliche Kunst
hatte mit der gleichzeitigen heidnischen das traurige Loos, eine Kunst des Verfalles
zu sein. Daher gebrauche ich auch die Ausdrücke «Kunst» und «Künstler» im wei-
teren Sinne, nicht in des Wortes höchster und eigentlicher Bedeutung.

Man ist längst darüber einig, dass die römisch- heidnische Wandmalerei mehr
unter dem Gesichtspunkte der Dekorationsmalerei, die ihrem inneren Wesen nach
der wahren Kunst abhold ist, betrachtet und beurtheilt werden muss. In der coeme-
terialen Malerei spielte der dekorative Charakter zwar eine untergeordnete Rolle, dafür
übte aber einen um so grösseren Einfluss die Thatsache aus, dass in ihr nicht so sehr
die Form als vielmehr die durch diese zum Ausdruck gebrachte Idee in den Vorder-
grund trat: die Kunst war in ihr, mit einem Worte, nicht Zweck sondern Mittel. Die
Katakombengemälde waren gewissermassen eine Bilderschrift,1 durch welche der

' Daher wurden, wenn die Nothwendigkeit es ebenso wie man Schriftrollen heiligen Inhaltes ab-
erforderte, Malereien ohne alle Bedenken zerstört schabte, um das Pergament für andere Schriften ver
oder beschädigt, um Raum für Graber zu gewinnen, wenden zu können.
 
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